Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Glöckner und Herr Oellers, ein Satz: Wenn Sie es mit dem Barrierefreiheitsgesetz so ernst meinen, ist meine Frage: Warum gab es keine erste Lesung hier im Parlament, und warum wird die zweite Lesung in der nächsten Sitzungswoche um Mitternacht stattfinden? Das hat mit Transparenz herzlich wenig zu tun.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jens Beeck [FDP])
Aber zum heutigen Thema. Zum heutigen Protesttag hätte ich mir unter dem Zeichen, unter dem nämlich dieser Protesttag steht: „Meine Stimme für Inklusion!“, eine deutlich stärkere und deutlich lautere Stimme gewünscht. Denn wie steht es um Inklusion in Deutschland? Eine Befragung des Mitteldeutschen Rundfunks aus dem März dieses Jahres hat ergeben: Von 20 000 befragten Leute haben 16 Prozent ausgeführt, es werde nicht genug für Menschen mit Behinderung getan. Zweite Zahl aus dieser Umfrage: 80 Prozent der Befragten sagen, es gebe keine Chancengleichheit auf Teilhabe. Das ist erschreckend!
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wo liegen denn aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Probleme?
Schauen wir doch einmal in die UN-Behindertenrechtskonvention hinein. In der Originalfassung steht „Inclusion“. Übersetzt heißt das eigentlich Inklusion. In der amtlichen Übersetzung steht aber anstelle von Inklusion nur Integration. Ein vermeintlich kleiner Fehler, aber er macht das Ausmaß sehr deutlich. Integration ist eben nicht Inklusion.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bereits während meines Studiums haben wir den Unterschied sehr bildhaft herausgearbeitet. Aus meinen damaligen Mitschriften kann ich der Bundesregierung gern, auch in leichter Sprache, entsprechende Mitschriften zur Verfügung stellen.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Der war gut!)
Auch der fehlende Wille der Großen Koalition in der letzten Legislaturperiode, mehr zum Abbau für Barriere zu tun, ist ein Grund für die Probleme.
Die Anzahl der Anträge aus den demokratischen Oppositionsfraktionen der letzten Wochen und Monate zeigt deutlich, wo weiterhin Defizite bestehen. Nur war Ihnen offensichtlich, insbesondere liebe Sozialdemokraten, der Koalitionsfriede deutlich wichtiger als der Einsatz für Menschen mit Behinderung.
(Widerspruch bei der SPD)
In der heutigen Debatte unterstützen wir, lieber Jens Beeck, euren Antrag zur Gebärdensprachdolmetschung. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass alle Pressestatements aus den Ministerien barrierefrei übertragen werden müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ein zweiter spannender Antrag ist der zur Umsatzsteuer für Inklusionsunternehmen; auch den unterstützen wir ausdrücklich. Es versteht doch draußen kein Mensch mehr, dass dort produzierte Waren mit 7 Prozent Mehrwertsteuer besteuert werden, aber die an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verkaufte Bockwurst mit 19 Prozent. Das ist nicht gerecht.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jens Beeck [FDP])
Für die Linke bleibt daher wichtig: Das Wunsch- und Wahlrecht auf Leistungen zur Teilhabe darf nicht am Kostenvorbehalt scheitern; denn Teilhabe, Inklusion und Menschenrechte gibt es nicht zum Nulltarif, und der Markt regelt es, wie so oft, eben nicht. Die Linke ist der Überzeugung: Auf dem Arbeitsmarkt wird es keine Veränderung ohne schärfere Sanktionen geben.
Zur Ausgleichsabgabe habe ich mich bereits geäußert.
Ich will zum Schluss kommen und noch zwei weitere Zahlen aus der von mir zitierten Umfrage nennen. Erstens. 86 Prozent der Interessierten zeigen sich für Belange von Menschen mit Behinderung offen. Zweitens. 93 Prozent der Befragten wünschen sich einen inklusiven Arbeitsmarkt, auf dem sie mitwirken.
Daher meine abschließende Bitte: Unterstützen wir besonders am heutigen Tag die Initiative zum europäischen Tag der Menschen mit Behinderung. Unsere Stimme für Inklusion! Machen Sie mit! Gemeinsam können wir die Systemschwächen überwinden und die Gesellschaft deutlich inklusiver gestalten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)