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Sören Pellmann: Regelungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz löchriger als ein Käse

Rede von Sören Pellmann,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich an das anschließen, was Kollege Beeck gesagt hat, insbesondere was das Verfahren zur Entstehung des heutigen Paketes betrifft. Es gab eben keine erste Lesung hier im Plenum, das ist ohne Debatte mit durchgewunken worden, die Anhörung wirklich nur auf Druck der Opposition im Ausschuss durchgeführt worden. Und was dem Fass den Boden ausschlägt, war, dass uns am Dienstag ein 25‑seitiges Papier erreicht, in das sonstige Dinge mit reingepackt werden, die mit Barrierefreiheit nichts, aber auch gar nichts zu tun haben.

(Zuruf des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU])

Das vorgelegte Gesetz, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, fühlt sich eher an wie ein Schweizer Käse: Es hat viele Löcher. Insbesondere hat es viele Schlupflöcher, um Barrierefreiheit nicht umsetzen zu müssen. Am 5. Mai – das ist noch gar nicht so lange her – waren zumindest drei von den hier Anwesenden am Brandenburger Tor und haben sich genau angehört, was die Betroffenen denn von diesem Gesetz halten. Vertreter der Großen Koalition haben wir zumindest nicht gesehen, und auch die Betroffenen berichteten, dass sie gar nicht vor Ort waren. Das ist eher Feigheit.

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)

Hätten Sie lieber auf die Kritik gehört! Der Titel des Gesetzes – Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – weckt eben genau Hoffnungen, die mit diesem Gesetz nicht erfüllt werden. Betroffene wollen einen wirklichen Abbau von Barrieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Eine Frage, die uns verschiedene Betroffene gestellt haben, lautet: Was ändert sich denn jetzt konkret, wenn das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft tritt? Die Barrierefreiheit am Bankautomaten, die Erreichbarkeit? Die Antwort ist: Nichts! Im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen geht es nur um „bitte, bitte“, aber nicht um wirkliche Fortschritte.

In der Anhörung am Montag schilderte Frau Dr. Bernot vom Institut für Menschenrechte das Problem sehr bildhaft: Der Geldautomat wird irgendwann barrierefrei, die drei Treppen zum Automaten jedoch nicht. – Wer soll ihn bedienen, und wie soll er bedient werden? Die Linke fordert daher erneut: Privatwirtschaft muss zwingend und vollumfänglich zur Barrierefreiheit verpflichtet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte den Kollegen Auernhammer zitieren; er sagte in diesem Zusammenhang – es ist schon ein paar Jahre her –: Zwangsverpflichtung ist eben nicht der richtige Weg. Aber wer bitte schön regelt es denn, wenn der Markt es nicht macht?

Wir haben 2010 dazu zehn umfangreiche Anträge vorgelegt und hier im Plenum besprochen. Sie sind alle von Ihnen abgelehnt worden. Manche Regelungen im heute zur Abstimmung stehenden Gesetz sollen erst 2025 in Kraft treten. Das Gesetz enthält zum Teil noch einen Bestandsschutz bis zum Jahr 2040; damit bleiben insbesondere bauliche Barrieren im Alltag bestehen und verhindern Inklusion und wirkliche Teilhabe. Auch ein Flickenteppich an Marktüberwachungsbehörden wird weiter entstehen. Besser wäre es nach Auffassung der Linken, dies auf Bundesebene zentral zu regeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Wichtig für Die Linke dabei ist, dass verpflichtend Menschen mit Behinderung und ihre Organisationen und Verbände beteiligt werden.

Frau Präsidentin, Schlusssatz: Dieses Gesetz ist ein ziemlich schwaches Gesetz. Ich freue mich bereits auf die Beratungen im Herbst: In einer neuen Wahlperiode und mit anderen Mehrheiten ist dann wirkliche Barrierefreiheit möglich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)