Sehr geehrte Frau Präsidentin,
werte Kolleginnen und Kollegen!
Die Debatte um Scheinasylanten und Scheinehen erlebt heute ihre Fortsetzung! Die Union und SPD beabsichtigen ein neues Feld zu eröffnen, auf dem sie Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit des Missbrauchs guten deutschen Rechts verdächtigen können. Die Scheinväter! Nach dem Asylrecht und der Ehe ist nun die Vaterschaft an der Reihe! Zukünftig können deutsche Behörden binationale Paare einer ganzen Prozessur an Verdächtigungen, Befragungen und Entrechtung unterwerfen.
Ideologisch lässt der hier vorliegende Gesetzesentwurf das Bild des Asylmissbrauchs wieder aufleben. Praktisch ist der Kampf gegen die so genannte Scheinvaterschaft eine weitere Maßnahme, um den Familiennachzug einzuschränken.
Dabei wird hier ein Gesetzesentwurf vorgelegt ohne dass überhaupt eine empirische Datenbasis existiert, die die Häufigkeit von Scheinvaterschaften begründen kann. Der Umgang der Bundesregierung mit dem Mangel an empirischen Daten halte ich für höchst unseriös! Denn der Gesetzesentwurf heizt die Debatte mit beachtlich hohen Zahlen auf! Warum tut sie dies, wenn sie gleichzeitig einräumt, dass diese Zahlen lediglich die unverheirateten Mütter eines deutschen Kindes zusammenfassen, die über eine Vaterschaftsanerkennung einen Aufenthaltstitel erhielten. Die Bundesregierung tut das, weil sie diese Personengruppe generell unter Generalverdacht stellen will! Außerdem bringt das BMJ in einer Pressemitteilung ein drastisches Beispiel eines Obdachlosen, der für eine Scheinvaterschaft Geld kassiert. Gleichzeitig sollen hier angeblich organisierte Strukturen am Werke sein - nachzulesen auf Seite 11 des Gesetzesentwurfs. Diese Zahlen und diese Beispiele werden von der Presse gerne aufgegriffen, ohne dass sie auf real nachgewiesenen Tatsachen beruhen. Meine Damen und Herren, das ist kein seriöser Umgang mit dem Thema, sondern ein Missbrauch von Zahlen.
Der Gesetzesgeber ist auch nicht daran interessiert, wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennungen grundsätzlich zu beseitigen. Denn allein binationale Partnerschaften werden unter einen Generalverdacht der Scheinvaterschaft gestellt. Die Konsequenzen dieses Generalverdachts sind für die Betroffenen gravierend. Um den Missbrauch von einigen wenigen zu bekämpfen, werden wichtige Grundrechte von binationalen Familien eingeschränkt. Denn eins ist klar, auch wenn der Gesetzesentwurf so tut, als ob der Tatbestand der sozial-familiären Beziehung eindeutig bestimmt ist, ist dem realiter nicht so. Letztendlich müssen die Behördenmitarbeiter beurteilen und interpretieren, ob tatsächlich Verantwortung übernommen wird oder eine Scheinvaterschaft vorliegt. Ich möchte hier niemanden willkürliches Verhalten unterstellen, aber dieses Gesetz regt Standes- und Jugendämter sowie die Ausländerbehörden gerade zum Misstrauen an, weil es die Straftat voraussetzt. Es macht Vermutungen zu einem notwendigen Bestandteil, um ein Verfahren einzuleiten. Schon jetzt ist vorauszusehen, dass unzählige binationale Eltern zu Unrecht betroffen sein werden. Und wie wir das aus der deutschen Geschichte bereits kennen, wird es immer Bürger- innen und Bürger geben, die Gesetze dafür nutzen, Unschuldige zu denunzieren.
Allein schon der Verdacht hätte aber für die Betroffenen weit reichende Einschränkungen von Grundrechten zur Folge: So kann für die Dauer eines Verfahrens die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ausgesetzt werden oder eine
Für äußerst problematisch halte ich außerdem die allgemeine Mitteilungspflicht von öffentlichen Stellen an die Ausländerbehörde bei Verdacht auf Scheinvaterschaften. Ich erachte es politisch für falsch, aufenthaltsrechtliche Kontrollfunktionen auf Behörden zu verlagern, die einen ganz anderen gesellschaftlichen Auftrag besitzen und deren Arbeit auf einem Vertrauensverhältnis beruht. Hiermit meine ich vor allem das Jugendamt, aber auch Kindertagesstätten würden darunter fallen.
Das eigentliche Problem mit den Scheinvaterschaften ist ein ganz anderes. Sie sollten sich mal die Frage stellen, warum Menschen überhaupt Scheinvaterschaften eingehen. Warum klammern sich Menschen, die hier seit Jahren leben und von Abschiebung bedroht sind, an jeden Strohhalm, der sich ihnen bietet? Die Bundestagsfraktion DIE LINKE. hält das restriktive Aufenthaltsgesetz für das eigentliche Problem: Erst eine Politik, die Einwanderung verhindert, Flüchtlingen kaum noch Schutz vor Verfolgung bietet, die Abschiebemaschinerie ankurbelt und ein dauerhaftes Bleiberecht verweigert, zwingt Menschen dazu, solche Rechtslücken zu nutzen.
Statt den Generalverdacht gegen binationale Paare zu schüren, sollten sie die Aufenthaltsmöglichkeiten verbessern. Damit würden Sie mal was Sinnvolles tun!

Scheinvaterschaftsgesetz stellt binationale Paare unter Generalverdacht
Rede
von
Sevim Dagdelen,