Zum Hauptinhalt springen

Rede zum Thema Plenarsitzungen des Europäischen Parlaments

Rede von Alexander Ulrich,

Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Plenarsitzungen des Europäischen Parlaments gänzlich in Brüssel und Tagungen des Europäischen Rates in Straßburg abhalten

- Drucksache 16/8051 -

Alexander Ulrich (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ein Maler ein Bild über die Entfremdung der Menschen von Europa zeichnen müsste, würde er als Motiv einen Umzugskarton mit europäischen Sternen darauf wählen. Die Debatte heute zeigt, dass alle Redner erkannt haben: Es macht wenig Sinn, dass wir weiterhin und auf Dauer das Europäische Parlament in Straßburg tagen lassen.
Herr Steenblock, das Problem ist, dass die Grünen immer dann, wenn die Linke im Europaausschuss des Bundestages den Vertrag von Lissabon kritisiert hat, zu dem glühendsten Verfechter dieses Vertrages wurden.
(Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sind wir auch! - Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Ist auch ein guter Vertrag!)
Mit Ihrer Zustimmung zu diesem Vertrag vor wenigen Wochen tragen Sie dazu bei, dass Straßburg weiterhin Sitz des Europäischen Parlamentes bleibt. Deshalb muss man sagen, dass Ihr Antrag zwar gut gemeint, aber eben populistisch ist. Denn vor 14 Tagen haben Sie sich anders entschieden.
(Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von Ihnen über Populismus aufgeklärt zu werden!)
Herr Steenblock, Sie können sich ertappt fühlen. Natürlich ist dies ein weiteres Beispiel, wie undemokratisch die Europäische Union durch die Verträge von Lissabon aufgebaut wird. Ich gebe den Vorrednern recht, die gesagt haben: Wie der Deutsche Bundestag über seinen Sitz in Berlin entschieden hat, muss das Europäische Parlament über seinen Sitz selbst entscheiden. Sie sagen aber, dass dies die Regierungen entscheiden sollen. Sie sollten sich für eine Vertragsveränderung einsetzen, damit das Europäische Parlament selbst entscheiden kann, wo sein Sitz sein soll. Ich bin mir sicher, die Mehrheit der Europaabgeordneten wird sich dafür entscheiden, dass nur noch in Brüssel getagt wird.
(Beifall bei der LINKEN - Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich dachte, ein Referendum wäre es!)
Es freut mich, dass die FDP sagt, die Grünen hätten einen Vorschlag von ihnen aufgegriffen. Der Fraktionsvorsitzende der FDP und Bonn-Lobbyist ist jetzt leider nicht mehr anwesend.
(Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Keine unqualifizierten Bemerkungen hier!)
Wir wären manchmal gut beraten, mit dem Finger nicht nur auf Europa zu zeigen. Denn auch wir in Deutschland könnten jedes Jahr etliche Millionen Euro und auch viel CO2 einsparen, wenn wir dafür sorgen würden, dass die Ministerien komplett von Bonn nach Berlin umziehen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Manfred Grund (CDU/CSU) - Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Unqualifiziertes Argument!)
Wir dürfen nicht nur auf Europa schauen, sondern sollten den Franzosen ein gutes Beispiel geben. Dazu gehört, dass die Geldverschwendung im eigenen Land, die durch Bonn und Berlin als Sitz für die Ministerien verursacht wird, aufhört.
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Wieder ein Vorschlag der Linkspartei, den wir ablehnen!)
Das Parlamentsgebäude in Straßburg steht 317 Tage im Jahr leer. Es macht keinen Sinn, dafür jedes Jahr 200 Millionen Euro auszugeben. Richtig ist aber auch, dass wir diesen Zustand auf absehbare Zeit nicht verändern können.
Deshalb glaube ich, dass diese Debatte richtig ist. Ich kann nicht verstehen, warum manche sagen: Wir beschäftigen uns nicht mit diesem Thema. Tatsächlich ist es so, dass nicht alle Punkte in die richtige Richtung weisen. Ich meine nicht, dass wir ein Kompensationsgeschäft brauchen. Man würde uns immer vorrechnen, welche Kosten anfallen etwa 200 Millionen Euro oder 50 Millionen Euro , das heißt, wie viel Geld verschleudert wird. Brüssel sollte Mittelpunkt werden. Ich bin mir sicher, das Europaparlament wird das so entscheiden.
Ihr Beitrag glich in weiten Strecken einer Sonntagsrede. Wir sollten nicht nur an dieser Stelle, sondern auch an anderen Stellen über Geldverschwendung auf europäischer Ebene und über mehr Demokratie im Europäischen Parlament reden. Die Grünen tun mir ein bisschen leid, dass sie sich dagegen ausgesprochen haben, dass die Bevölkerung über den Lissabon-Vertrag abstimmt.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Hätte die Bevölkerung darüber entschieden, wäre die Ratifizierung dieses Vertrages da bin ich mir sicher noch nicht durch. Herr Steenblock, Ihr Antrag geht in die richtige Richtung, ist aber populistisch.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie überhaupt den Antrag gelesen?)