Rede zu Protokoll gegeben
Sehr geehrte Frau Präsidentin,sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
auch wenn sich der Club der Ja-Sager kürzlich in Madrid traf und die Bundeskanzlerin einen geheimen Kreis zur Wiederbelebung der EU-Verfassung zusammen ruft, die Verfassung ist gescheitert!
DIE LINKE. schließt sich der mehrheitlichen Kritik der Franzosen und Niederländer am Verfassungsvertrag an. In den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden ist das Vorhaben aus gutem Grunde gescheitert.
Die jetzigen Debatten zeigen deutlich: Beide Länder lehnen es ab, darüber in unveränderter Form noch einmal abzustimmen.
In Großbritannien, Polen oder Tschechien ist die Verfassung in ihrer jetzigen Form zum Unthema geworden.
Die jüngsten Äußerungen von Altbundespräsident Roman Herzog sind ein deutlicher Beweis dafür, dass die Kritik an der derzeitigen Verfasstheit der Europäischen Union immer breiter wird. Grüne wie FDP fordern eine neue Verfassung.
Die Staats- und Regierungschefs haben die Reflektionsphase nicht genutzt. Stattdessen halten die 18 Befürworterländer an dem gescheiterten Verfassungsvertrag fest.
Die Bundesregierung muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass der Ratifikationsprozess wegen des anhängigen Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht unterbrochen ist.
Der Bundestag hat am 12. Mai 2005 fast ohne Aussprache den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine EU-Verfassung mit wenigen Gegenstimmen durchgewunken. Wir fordern den Bundestag auf, diesen Beschluss aufzuheben. Erst dann hat die Bundesregierung wieder Handlungsfreiheit um nach Alternativen zu suchen.
DIE LINKE, sagt „Nein“ zu diesem neoliberalen und militaristischen Verfassungsvertrag der europäischen Regierungen!
Diese Verfassung verfestigt das Demokratiedefizit in der EU und legt die EU auf einen wirtschafts- und währungspolitischen Kurs des rigorosen Neoliberalismus fest!
Die EU präsentiert sich als „Binnenmarkt mit freiem und unverfälschten Wettbewerb“. Zahlreiche Richtlinien führen zur Privatisierung und Liberalisierung. Große Teile der Daseinsvorsorge wurden schon für Markt und Wettbewerb geöffnet. Lohn- und Sozialdumping sind die Folge.
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie ist zum Synonym dieser unsozialen Politik geworden.
Die sozialen und demokratischen Lebensinteressen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen wieder in den Vordergrund gerückt werden.
In einer neuen europäischen Verfassung muss das Grundprinzip des europäischen Sozialmodells mit starker Sozial- und Wohlfahrtsstaatlichkeit verankert sein. Die bisher rechtlich
nicht verbindliche Grundrechtecharta ist zu präzisieren und zu ergänzen und in die Verfassung aufzunehmen. Darüber hinaus fordern wir die soziale Bindung des Eigentumsrechts. Solche Bestimmungen, die den Marktradikalismus einschränken, fehlen bisher völlig.
Im Bereich der Sicherheitspolitik enthält die Verfassung die Verpflichtung, die militärischen Fähigkeiten der EU schrittweise zu verbessern.
Man muss sich schon fragen, was eine Aufrüstungsverpflichtung überhaupt in der Verfassung zu suchen hat. Und um diesen Auftrag noch zu erfüllen, sieht die Verfassung eine Rüstungsagentur vor, die bereits eingerichtet wurde. Die EU verkauft die zunehmende Militarisierung der EU mit dem Argument des Anti-Terrorkampfs.
Wie soll eine europäische Außenpolitik überhaupt aussehen? Wir fordern eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik mit zivilem Charakter. Erste Schritte in diese Richtung sind der Aufbau eines europäischen Friedensdienstes und die Umwandlung der Rüstungsagentur in eine Agentur für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Konversion.
Wir gehen mit unserem Antrag mit klar formulierten Eckpunkten „Für eine demokratische, soziale und Frieden sichernde Verfassung der Europäischen Union„ in die Auseinandersetzung.
DIE LINKE. setzt auf einen demokratischen Neustart in der Verfassungsfrage. Wir brauchen einen alternativen Verfassungsvertrag, der im Europawahljahr 2009 den EU-Bürgerinnen und Bürgern in Volksabstimmungen vorgelegt wird.
Ich fordere den Deutschen Bundestag auf, das Nein der Franzosen und Niederländer zur Verfassung als Chance für eine soziale, friedliche und demokratische Europäische Union nutzen.
Nur so werden wir Europas Bürgerinnen und Bürger für die europäische Idee gewinnen.
DIE LINKE. fordert die Bundesregierung wiederholt auf, während der Ratspräsidentschaft die Voraussetzungen für eine alternative Verfassung zu schaffen. Nur durch einen Neuanfang ist Europa aus der Krise zu führen.
Europa muss sich verändern - damit es gelingt!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.