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Rede von Martina Renner zu Protokoll gegeben am 27.04.2017

Rede von Martina Renner,

Auch dieser von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf reiht sich ein in die Reihe jener Antiterrorgesetze, die über die rechte Leitplanke der Verfassungsmäßigkeit hinausschießen und nicht nur daran entlangschrammen.

Erneut ein Gesetz mit Mindesthaltbarkeitsdatum. Wer sich die Messlatten der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenrichtlinie oder des Bundesverfassungsgerichts zur Rasterfahndung anschaut, der weiß: Dieses Gesetz wird nicht bestehen.

Die Gründe dafür sind:

Mit dem Gesetzentwurf wird das BKA im Verbund mit dem Bundesverwaltungsamt zur anlasslosen Erhebung, Speicherung, Rasterung der Daten von jährlich circa 170 Millionen Menschen ermächtigt. Bis zu 60 Einzeldaten sollen verdachtsunabhängig gesammelt und für fünf bis zu 15 Jahre lang gespeichert werden. Hinzu kommt die uferlose Weitergabemöglichkeit der Daten ohne einen konkreten Anhaltspunkt für künftige Straftaten und ohne Zweckbindung auch an ausländische Nachrichtendienste. Das ist eine verdachts- und anlasslose Massendatenerhebung und ‑speicherung! Egal ob ein Flug nur innerhalb der Europäischen Union stattfindet oder in ein Land außerhalb der EU, einziger Anknüpfungspunkt ist eine Flugreise. Dies soll ausreichen, um anhand von Algorithmen und Mustern als Terrorverdächtiger der Zukunft enttarnt zu werden? Wohl kaum. Eher werden unzählige Menschen falschen und abwegigen Verdächtigungen ausgesetzt, die zudem heimlich und ohne ihr Wissen durch ganz Europa verbreitet werden.

Problematisch ist weiter, welche Fülle an Informationen dem BKA für die Rasterung zur Verfügung gestellt werden soll. Dazu gehören nicht nur Namen und ähnliche Daten. Zahlungsinformationen, genutzte Buchungsportale und nicht zuletzt ein Freifeld. Welche sensiblen Daten in diesem Freifeld eingetragen werden können, kann kaum begrenzt oder ernsthaft datenschutzrechtlich geprüft werden. Am Ende kann dort vermerkt sein, welche Tageszeitung ich mit habe oder ob ich ein Kopftuch trage. Welche Anhaltspunkte sich daraus für die Rasterung geben, ist völlig unklar und nicht erkennbar.

Die Richtlinie sollte eigentlich dazu dienen, „ausländische Kämpfer“, die nach Syrien und in den Irak bzw. wieder nach Europa zurückkehren, zu finden. So wurde es nach dem EU-Gipfel im August 2014 verkündet. Wie dieses Ziel mit den Daten von Urlaubsreisenden auf die Kanaren, nach Athen oder Rom erreicht werden kann, bleibt ein Geheimnis der Big-Brother-Fraktion im Bundesinnenministerium und in der Großen Koalition. Noch 2011 war die damalige Bundesregierung selbst gegen die Aufnahme von innereuropäischen Flügen in eine Datenbank. Aber die Verlockungen des unerschöpflichen Heuhaufens zur Datenauswertung waren wohl zu groß. Erst mal alles speichern und rastern. Den Bürgerinnen und Bürgern wird ein angeblicher Mehrwert an Sicherheit verkauft. Dass damit tatsächlich Straftaten verhütet werden, erscheint kaum vorstellbar und konnte auch vom BKA in der Anhörung des Innenausschusses nicht an einem einzigen Fall aus den Ländern mit entsprechender Praxis belegt werden.

Immer wieder ist zu hören, dass beispielsweise das Bundeskriminalamt kaum in der Lage sei, die Vielzahl von Verfahren mit Terrorismus- oder OK-Bezug noch zu bewältigen. Wären dann die 200 Stellen für die geplanten zwei neuen Referate nicht sinnvoller dafür eingesetzt, die bereits vorhandenen Aufgaben zu bewältigen? Dann würde vielleicht eine Liste mit Besitzern kinderpornografischer Bilder nicht monatelang ungesichtet und unbearbeitet herumliegen. Oder die Hinweise auf Aktivitäten der Mafia oder rechtsterroristischer Gruppen in Deutschland mit Nachdruck untersucht. Das wäre allemal zweckdienlicher, als unbescholtene Bürgerinnen und Bürger zu Verdächtigen zu machen. Das würde die Sicherheit in Deutschland tatsächlich verbessern!

Die Fraktion Die Linke lehnt deshalb den Gesetzentwurf zur Fluggastdatenspeicherung ab.