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Kinder haben keine Lobby - weder in der Ampel noch in der Union

von Heidi Reichinnek,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das waren ja wieder richtig schöne Worte. Eigentlich wäre es klasse, wenn die Regierung das auch umsetzen würde. Aber mal ganz im Ernst: Kinder haben in dieser Regierung keine Lobby. Ich sage, wie es ist.

Angefangen beim Thema Kindergrundsicherung. Der Vorschlag der Regierung, der gerade vorliegt, macht alles im Antragsdschungel noch komplizierter, und er sichert vor allem nicht das Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen ab. Das ist aber eigentlich der Kern der Kindergrundsicherung.

(Beifall bei der LINKEN)

Gewerkschaften, Sozialverbände, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und die Linksfraktion – also alle, die Ahnung von dem Thema haben – fordern mindestens 20 Milliarden Euro für eine echte Kindergrundsicherung.

(Beifall bei der LINKEN)

Und Sie? Sie planen mit 2,4 Milliarden Euro. Das ist ignorant, Frau Ministerin.

(Beifall bei der LINKEN)

Thema Kitas. Sie behaupten; da liefern Sie dann aber wirklich. Was Sie aber machen, ist, Gelder zu kürzen. Die Kitakosten liegen bundesweit bei über 50 Milliarden Euro. Sie steigen jedes Jahr um 3 Milliarden Euro. Und was liefert die Bundesregierung seit Jahren? 3 Milliarden Euro. Daran hat auch Ihr KiTa-Qualitätsgesetz nichts geändert. Dabei brauchen die Länder und Kommunen dringend mehr Geld vom Bund. Sie gleichen nicht mal die Inflation aus und haben sogar die Finanzierung der Sprach-Kitas gestrichen. Sich dafür auf die Schulter zu klopfen, wie gerade eben schon wieder, das ist ignorant.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Thema „Kinder- und Jugendplan des Bundes“. Damit werden Träger und Verbände unterstützt, um vor Ort Angebote für Kinder und Jugendliche zu schaffen, also zum Beispiel Ferienfreizeiten, Jugendtreffs, Integrationsangebote. Dort streichen Sie 20 Prozent. Das heißt: Angebote weg, Strukturen weg; weniger Kinder und Jugendliche werden erreicht. Man muss den Kindern nach Corona was zurückgeben – dieses Mantra immer zu wiederholen und dann Gelder zu streichen, das ist ignorant.

(Beifall bei der LINKEN – Emilia Fester [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie arbeiten sich gerade am falschen Antrag ab, Frau Kollegin!)

In Bezug auf Kinder, Jugendliche und Familien ist bei Ihnen von sozialer Politik doch nichts zu spüren. Sie haben gerade wieder gesagt: Wir brauchen Transferleistungen und Investitionen in Bildung. – Aber Sie machen weder das eine noch das andere.

(Nina Stahr [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt ja nicht!)

Da bin ich ja fast schon versucht, der CDU/CSU für ihren Antrag zu danken, mit dem wir das Thema hier überhaupt mal wieder diskutieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sehr gut! Machen Sie es!)

Aber dafür ist der Antrag dann doch zu schlecht. – Nicht klatschen!

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wir können klatschen, wie wir wollen!)

Vor uns liegt wieder mal nur ein Wunschzettel: Stärkung der Frühen Hilfen, Familienlotsen, mehr Fachkräfte, mehr Engagement vom Bund im Ganztag. Alles richtig. Und ja, das hätten Sie auch in den letzten 16 Jahren schon machen können.

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Haben wir auch!)

Aber: Alles, was Sie hier fordern, darf dann kein Geld mehr kosten. Also man will alles, und es soll besser werden, ohne dafür zu zahlen. Sie sagen nichts zur Finanzierung. Soll das jetzt ehrenamtlich laufen, oder wie stellen Sie sich das vor?

Es ist schon faszinierend, dass Sie überall gegen die Kürzungen der Ampel schießen, aber trotzdem auch die Schuldenbremse einhalten wollen und nirgends neue Einnahmen generieren. Das passt dann nicht so richtig zusammen; da muss man sich schon mal ehrlich machen. Dabei ist es gar nicht so kompliziert. Ein Sondervermögen für Kinder und Jugendliche wäre genauso einfach zu beschließen wie das fürs Militär.

(Beifall bei der LINKEN)

Oder man schaut sich mal die irre Vermögensungleichheit in diesem Land an. Die 100 reichsten Familien besitzen über 600 Milliarden Euro. Und nein, das hat mit Leistung nichts zu tun, liebe FDP.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Eine Vermögensteuer würde da helfen.

(Martin Gassner-Herz [FDP]: Das ist eine Ländersteuer!)

Oder Sie streichen die Schlupflöcher für Superreiche bei der Erbschaftsteuer endlich mal. Haben wir als Linksfraktion gerade erst beantragt; hätte man zustimmen können. Dann wäre Geld für die Bundesländer und die Kommunen da, die vieles von dem, was Sie auf Ihrem Wunschzettel haben, leisten müssen.

Oder sie besteuern mal die krassen Übergewinne, die sich Großkonzerne während der Krise auf Kosten der Bevölkerung in die Tasche gesteckt haben. Auch da haben wir als Linksfraktion einen Antrag gestellt. Hätte man zustimmen können. Das wären Milliarden, die wir auf Bundesebene gut gebrauchen könnten, auch für Ihre Vorschläge, liebe CDU/CSU.

Nur eine Seite zu beleuchten, wie Sie das hier machen, ist genauso unredlich wie die Krokodilstränen, die ich die ganze Zeit aus der Ampel höre: Sie alle finden ja die Kürzungen so schlimm, und Sie würden ja gerne, wenn Sie doch nur könnten. – Ja, dann tun Sie das doch einfach mal! Schaffen Sie eine echte Kindergrundsicherung.

(Beifall bei der LINKEN)

Investieren Sie mehr Geld in die Kitas, in die offene Kinder- und Jugendarbeit. Fördern Sie die Jugendhilfe. Das wäre zukunftsweisende Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel.

Und ich sage es Ihnen gerne noch mal: Es fehlt in diesem Land nicht am Geld. Es fehlt am politischen Willen, auch von Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])