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Kita-Kollaps verhindern!

von Heidi Reichinnek,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Mütter, Väter und Kitafachkräfte schauen morgens als Erstes ängstlich aufs Handy: Haben sich schon die ersten Kolleginnen und Kollegen krankgemeldet? Kann ich mein Kind in die Kita bringen und, wenn ja, für wie viele Stunden? Muss ich auf Arbeit wieder um Verständnis fragen? Wie soll ich das alles überhaupt wuppen? Und – am allerwichtigsten –: Was macht das mit meinem Kind?

Das Kitasystem steht am Abgrund, und jede Erkältung droht es über die Klippe zu stoßen; denn es fehlen massiv Fachkräfte. Und wenn dann auch noch eine Kollegin krank wird, funktioniert einfach gar nichts mehr.

Pädagogische Arbeit und vor allem den eigenen Anspruch daran können die Kolleginnen und Kollegen kaum aufrechterhalten. Und egal wie sehr sie sich bemühen: Mehr als reines Beaufsichtigen ist oft nicht mehr drin – also natürlich, wenn man überhaupt einen Kitaplatz hat. Denn obwohl wir seit zehn Jahren einen Rechtsanspruch darauf haben, fehlen immer noch fast 400 000 Plätze. So weit, so bekannt. Aber das heißt doch für uns in der Politik: mehr Plätze schaffen, verhindern, dass noch mehr Fachkräfte abwandern, und dafür sorgen, dass mehr nachkommen!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich weiß, immer wenn meine Fraktion hier an dieser Stelle für dieses Thema kämpft, sagen Sie mir: Das ist doch Ländersache. – Und ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Das weiß ich auch; das wissen wir auch. Aber trotzdem ist es die Aufgabe des Bundes, für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen, und zwar überall.

(Beifall bei der LINKEN)

Kinder müssen endlich Priorität für die gesamte Bundesregierung werden. Wir brauchen kurzfristig mehr Geld im System. Im ersten Schritt wäre eine Verdopplung der bisherigen Bundesmittel im KiTa-Qualitätsgesetz wichtig. Da sieht man übrigens: Der Bund kann die Länder unterstützen, wenn er denn will.

Über allen Problemen thront nun einmal das Geldproblem; denn die Gesamtkosten des Kitasystems steigen jährlich um 2 bis 3 Milliarden Euro. Aktuell sind wir bei 50 Milliarden Euro angelangt. Und der Bund zahlt seit Jahren – na? – 2 bis 3 Milliarden Euro. Das ist doch ein riesiges Ungleichgewicht,

(Beifall bei der LINKEN)

und das trotz Inflation und Dauerkrise. Ganz ehrlich: Dieser Betrag von 2 bis 3 Milliarden Euro ist wirklich lächerlich.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Allerdings! Allerdings!)

Darauf kann man sich nicht ausruhen.

Deswegen fordern wir stellvertretend für alle Menschen, die draußen gerade an diesem System verzweifeln, von Bundeskanzler Scholz, dass Kitas endlich Chefsache werden.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Katja Leikert [CDU/CSU]: Genau!)

Wir brauchen jetzt einen Kitagipfel im Kanzleramt, bei dem alle und vor allem auch Erzieher/-innen aus der Praxis und Eltern an einem Tisch sitzen, verbindliche Lösungen und einen Weg dahin festlegen. In unserem Antrag finden Sie dazu mehr als genug konkrete Ideen: wie man Fachkräfte gewinnt und hält, wie man Bildung und Qualität verbessert. Also: Bedienen Sie sich ruhig! Wir haben nichts dagegen.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias Seestern-Pauly [FDP]: Das ist alles schon möglich!)

Den Kolleginnen und Kollegen hier, denen Kinder, Eltern und Fachkräfte egal sind, sage ich: Überlegen Sie doch bitte einmal, was das gesamtgesellschaftlich und wirtschaftlich anrichtet. Wir haben überall Fachkräftemangel. Aber wir leisten uns den Ausfall von Hunderttausenden Menschen, vor allem Frauen, weil sie entweder keinen oder zumindest keinen ausreichenden Kitaplatz finden. Das hat verheerende Folgen für Wertschöpfung, für Steuereinnahmen und für die Sozialkassen. Und Hunderttausende Kinder verlieren ihre Zukunftschancen. Die dringend benötigten Fachkräfte von morgen werden schon vor Schuleintritt abgehängt.

Deswegen sage ich Ihnen: Bei Banken hören wir immer wieder von Ihnen, die seien „too big to fail“. Das trifft doch auf Kitas viel mehr zu.

(Beifall bei der LINKEN)

Den Banken haben Sie Milliarden in den Rachen geworfen, bei Kitas sparen Sie, wo Sie nur können. Für wen machen Sie denn hier Politik? Werden Sie sich endlich Ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bewusst und verhindern Sie mit uns gemeinsam den Kitakollaps.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)