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Kroatiens Beitritt zur Euro-Zone verständlich – Bedenken zur Währungsunion bestehen weiterhin

Rede von Gökay Akbulut,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kroatien hat nach den erfolgreichen und langwierigen Vorbereitungen selbstverständlich das Recht, Mitglied der Eurozone zu werden. Wir haben aber starke Bedenken in Bezug auf die strukturellen Probleme der Europäischen Währungsunion. In ihrer heutigen Form weist die Eurozone gravierende Konstruktionsmängel auf. Aus Sicht der damaligen Bundesregierung und auch großer Teile der Opposition waren die südeuropäischen Länder aufgrund von mangelnder Haushaltsdisziplin und Verschuldung die Verursacher der Eurokrise. Wir hingegen haben immer betont, dass die Probleme in der Konstruktion der Eurozone selbst liegen und die Krisen daher vorprogrammiert und selbst gemacht waren.

Natürlich hatten viele südeuropäische Länder lange Zeit zu hohe Importüberschüsse; aber die Importüberschüsse der einen sind eben die Exportüberschüsse der anderen Länder. Deutschland hat sehr gut und über Jahre hinweg an den Importüberschüssen seiner EU-Nachbarn verdient.

(Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])

Das Geld für die hohen Importrechnungen wurde zugleich von deutschen Banken zur Verfügung gestellt. Zugespitzt sagen wir und viele andere auch, dass das deutsche Exportweltmeistermodell, einhergehend mit Lohnkürzungen, Niedriglohnsektor und Hartz IV, die Eurokrise auch in Deutschland wesentlich mit verschärft hat.

Die Reformen der Europäischen Währungsunion sind seitdem einseitig gestaltet worden.

(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Die europäischen Fiskalregeln, das Europäische Semester, all die Verfahrensänderungen nehmen vor allem die ökonomisch schwächeren Länder in die Pflicht, während es den wirtschaftlich stärkeren Ländern wie Deutschland mehr oder weniger selbst überlassen bleibt, ob sie nur an sich oder an das Wir in Europa denken und auch wirtschaftlich schwache Länder mitnehmen.

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Es ist nur der Geldpolitik der EZB und den in Deutschland erzielten Reallohnsteigerungen in den 2010er-Jahren zu verdanken, dass viele die Probleme der Eurozone schon als überwunden angesehen haben. Beides aber war ein Glücksfall, und das Überleben und die Stabilität einer Währungsunion, die auch die schwächsten Länder mitnimmt, darf nicht vom Glück abhängen, sondern muss von kluger, nachhaltiger Wirtschafts- und Finanzpolitik gestaltet werden.

(Beifall des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

So führte die Einleitung einer Zinswende durch die EZB vor zwei Wochen dazu, dass die Renditedifferenzen europäischer Staatsanleihen, die sogenannten Spreads, wieder massiv in die Höhe geschossen sind. Wir werden sehen, ob und wie lange die Europäische Währungsunion die nächste Krise aushalten wird.

Kroatien zieht es mit dem Eurobeitritt vor, in einem einsturzgefährdeten Eurohaus ein Dach über dem Kopf zu haben.

(Zurufe der Abg. Martin Reichardt [AfD] und Dr. Alice Weidel [AfD])

Das ist angenehmer, als draußen allein im Schneeregen des internationalen Kapitalmarktes zu stehen. Wir können die Beweggründe verstehen; aber ein unbeschwerter Grund zur Freude ist der Eurobeitritt für Kroatien nicht. Wir unterstützen natürlich alle ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Prozesse in Kroatien.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])