Zum Hauptinhalt springen

Rede von Dagmar Enkelmann zur 1. Lesung des Siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes

Rede von Dagmar Enkelmann,

Plenarprotokoll, 16. WP, 124. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2007

Rede von Dagmar Enkelmann zur 1. Lesung des Siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes, Plenarprotokoll, 16. WP, 124. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2007
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Röttgen, ich gestehe, ich
bin ein Fan von Heribert Prantl und lese seine Kommentare in der Süddeutschen
Zeitung zumeist mit großem Genuss. Ich verweise auf denselben Kommentar, den
Sie gerade zitiert haben. In diesem Kommentar wundert er sich darüber, dass es
eine Schärfe in der öffentlichen Ablehnung der Diätenerhöhung gibt, sieht uns
Abgeordnete am mittelalterlichen Pranger und stellt - jetzt zitiere ich ihn -
„abgründiges Misstrauen in die Integrität der Volksvertreter“ fest. Ich finde, Prantl hat
recht.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wie gehen
wir damit um?)
Dieses Misstrauen besteht; aber ich denke, dieses Misstrauen besteht zu Recht.
(Widerspruch bei der CDU/CSU, der SPD und
dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Carl-
Christian Dressel [SPD]: Ist das Ihr Parlamentarismusverständnis,
Frau Enkelmann?)
Blicken wir nur auf die letzten Wochen: In der Sommerpause haben sich Kollegen
quer durch alle Fraktionen darüber erregt, dass die Preise für Milch und
Fleischerzeugnisse steigen, und gefordert, darüber nachzudenken, dass das
Arbeitslosengeld II angehoben wird. Das Ganze ist im Sommerloch versenkt worden,
passiert ist nichts. Seit Wochen wird hier darüber geredet, dass die Bezugsdauer
von Arbeitslosengeld I verlängert wird.
Nichts liegt dazu auf dem Tisch. Es wurde großartig angekündigt, die Kürzung der
Pendlerpauschale zurückzunehmen. Auch das ist wieder vom Tisch gefegt.
Rentnerinnen und Rentner wurden in diesem Jahr mit 0,54 Prozent abgespeist. Es
hieß, mehr sei nicht drin. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Nun aber sollen im Hauruckverfahren die Diäten mal eben ordentlich um 9,4 Prozent
angehoben werden. Um es in absoluten Zahlen auszudrücken - wir reden hier über
zwei Jahre, nicht über fünf oder sieben Jahre -: in zwei Jahren um immerhin fast 700
Euro. Angesichts dessen braucht man sich über Misstrauen nicht zu wundern.
Das Ganze wird mit dem wirtschaftlichen Aufschwung begründet. Abgesehen davon,
dass man sich hier offenkundig mit fremden Federn schmückt, ist es eine Tatsache -
darüber haben wir hier auch mehrfach diskutiert -, dass viele Menschen von diesem
wirtschaftlichen Aufschwung nicht profitieren: diejenigen, die nach wie vor keine
Arbeit haben; diejenigen, die mit einem Hungerlohn auskommen müssen und als
sogenannte Aufstocker ergänzende Sozialleistungen brauchen; diejenigen, die als
Leiharbeiter arbeiten und fürchten müssen, dass sie als Erste gefeuert werden; oder
diejenigen, die inzwischen zwei oder drei Minijobs haben,
um überhaupt leben zu können. Der Aufschwung hat Schattenseiten; aber Sie wollen
ein gewaltiges Stück vom Kuchen abbekommen.
Nun versüßen Sie das Ganze der staunenden Öffentlichkeit mit der Ankündigung
einer Kürzung bei der Altersversorgung. Schauen wir uns diese einmal genauer an,
stellen wir fest, Herr Kollege Scholz, Herr Kollege Röttgen, dass es eine
Milchbubenrechnung ist.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Milchbuben gibt
es nicht!)
Eine prozentuale Kürzung bedeutet eben nicht eine automatische Absenkung in
absoluten Zahlen; denn wenn die Diäten höher sind, führt dies auch zum Steigen der
Altersversorgung, da sie sich an der Höhe der aktuellen Diäten bemisst. Auch das
sollten Sie ehrlich sagen.
(Beifall bei der LINKEN)
Während der Anspruch auf Altersversorgung heute erst nach acht Jahren entsteht,
soll er nach dem neuen Vorschlag bereits nach einem Jahr entstehen. Auch dies
erklären Sie nicht. Ein Weiteres sage ich ganz deutlich: Wir haben uns hier im
Bundestag gegen die Rente ab 67 ausgesprochen, und wir sind auch gegen die
Rente ab 67 für Abgeordnete. Aber während es Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern immer schwerer gemacht wird, über Altersteilzeit, Erwerbsminderung
usw. vorzeitig in die Rente einzusteigen, ist es bei Abgeordneten nach 18 Jahren
Zugehörigkeit zum Bundestag durchaus möglich, mit 57 Jahren ohne Abschläge in
die Rente zu gehen. Daran wird nichts geändert.
Es bleibt bei unserer grundsätzlichen Kritik, dass Abgeordnete Leistungen beziehen,
für die sie keinerlei Beiträge einzahlen. Mit dieser Privilegierung muss endlich
Schluss gemacht werden. Wir werden einen Vorschlag auf den Tisch legen, der
vorsieht, dass Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen
sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Heribert Prantl sieht uns am Pranger. Gott sei Dank wurde der Pranger in der 48er-
Revolution abgeschafft. Aber die Empörung vieler Bürgerinnen und Bürger können
wir sehr gut nachvollziehen.
Danke.