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Herr Scholz, Sie riskieren, dass Deutschland zur Kriegspartei wird

Rede von Amira Mohamed Ali,

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte zum Anfang mein aufrichtiges Beileid all den Familien und Freunden der Opfer des schrecklichen Erdbebens in der Türkei und in Syrien aussprechen. Ich danke von Herzen allen, die jetzt helfen. In der Tat, wir müssen alle gemeinsam alles Menschenmögliche tun, um allen Betroffenen möglichst schnell helfen zu können.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP])

Seit fast einem Jahr tobt in der Ukraine Putins schrecklicher Angriffskrieg. Es muss das oberste Ziel sein, dass dieser Krieg möglichst schnell endet. Die Waffen müssen endlich schweigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen werden Sie, Herr Scholz, im Europäischen Rat aber wieder über Sanktionen und Waffenlieferungen beraten. Mittlerweile sind Sie beim zehnten Sanktionspaket angelangt. Bereits bei den ersten wurde angekündigt, dass das Russland wirtschaftlich ruinieren würde; das ist aber nicht passiert. Sie haben auch behauptet, die Sanktionen werden Russlands Fähigkeit, Krieg zu führen, erheblich beeinträchtigen; auch das ist nicht passiert.

Fakt ist allerdings: Ihre Sanktionspolitik hat verheerende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Stabilität in Deutschland, in Europa und in den Ländern des Globalen Südens.

(Beifall bei der LINKEN)

Laut einer aktuellen Umfrage der Verbraucherzentralen musste in den letzten drei Monaten jeder siebte Mensch in Deutschland sein Konto ins Minus ziehen, um über den Monat zu kommen. Millionen Menschen leben sogar dauerhaft in den Miesen. Gründe sind die Inflation, insbesondere die gestiegenen Energiepreise.

In einer Umfrage der Schufa gaben drei von vier Befragten an, bei Lebensmitteln jetzt sparen zu müssen. Wissen Sie, was das für ärmere Familien bedeutet, Herr Scholz? Die Eltern sparen am eigenen Essen, um ihren Kindern überhaupt noch etwas zu essen auf den Tisch bringen zu können. Armutsrentner verzweifeln.

Darum: Hören Sie endlich auf, die Lage zu beschönigen! Das haben Sie heute auch wieder getan. Öffnen Sie die Augen und handeln Sie! Es ist dringend Zeit dafür.

(Beifall bei der LINKEN)

Während Wirtschaftsminister Habeck sich für die vollen Gasspeicher und für neue LNG-Terminals feiern lässt, fallen Industriebetriebe teilweise einfach weiter hinten runter, besonders in Ostdeutschland: zum Beispiel die wichtige Raffinerie PCK Schwedt. Der Brandenburger Ministerpräsident hat jetzt sogar zum Krisengipfel eingeladen, weil all Ihre schönen Versprechungen nicht gehalten werden, Herr Habeck. Das geht so nicht.

Außerdem steht fest, dass durch Ihre Energiepolitik in den Ländern des Globalen Südens erhebliche Versorgungslücken entstehen; denn Deutschland kauft das Gas zu jedem noch so hohen Preis auf dem Weltmarkt. Für die betroffenen Länder heißt das: Stromausfälle, steigende Armut, Störung der Wasserversorgung. Das gefährdet Menschenleben. Das ist einfach unverantwortlich; ich muss es so sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Außerdem müssen diese Länder jetzt wieder stärker auf Erdöl und Kohle zurückgreifen. Das ist schlecht fürs Klima, Herr Habeck.

Aber auch das scheint nicht mehr zu stören, auch die Grünen nicht. Schließlich gilt es, einen Krieg zu gewinnen. Sagt auch Frau Baerbock. Frau Baerbock, die beim Karneval Scherze über Leopard-Panzer macht. Ich muss sagen: Das ist Ihrer Position als Chefdiplomatin unseres Landes einfach unwürdig.

(Beifall bei der LINKEN – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ach Gott! – Zuruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insgesamt finde ich, dass dieser von Teilen der Grünen und der FDP geführte Wettkampf um den besten Leopardenwitz einfach absolut unverantwortlich ist. Was für eine entsetzliche Verniedlichung des Krieges!

(Beifall bei der LINKEN)

Genauso übrigens wie das Ringen um das beste Selfie aus dem Kriegsgebiet. Ein Krieg darf keine Bühne für Selbstdarsteller sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Entgegen jeder Vernunft halten Sie aber daran fest, dass Russland mit militärischen Mitteln besiegt werden soll.

(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Pistorius verkündet stolz: 178 Kampfpanzer sollen geliefert werden. Wo soll das enden?

(Christian Schreider [SPD]: Wo sind eure Lösungen?)

Viele Experten, zum Beispiel die Rand Corporation aus den USA, kommen zum Ergebnis, dass der Krieg militärisch nicht zu gewinnen ist. Das ist ein konservativer Think Tank. Sind das jetzt auch Putin-Versteher?

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Konservativ ist gut!)

Sie riskieren immer mehr, dass Deutschland zur Kriegspartei wird. Die Mehrheit der Bevölkerung fürchtet das, und ich muss Ihnen sagen: Die Leute haben leider recht.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört doch mal auf mit dieser russischen Propaganda!)

Was wir brauchen, ist eine diplomatische Offensive, wie sie zum Beispiel Präsident Lula aus Brasilien fordert.

(Beifall bei der LINKEN)

Er weigert sich auch, Ihnen Munition für die Panzer zu verkaufen, und fordert Sie stattdessen auf, Herr Scholz, ihn dabei zu unterstützen, ein Format für Friedensverhandlungen aufzubauen. Das ist der richtige Weg. Lula, der vor Kurzem noch zu Recht für seinen Sieg gegen den Faschisten Bolsonaro gefeiert wurde, wird hierzulande für diesen Ruf nach Diplomatie teilweise als Friedensschwurbler diffamiert. Ich finde, das zeigt ziemlich deutlich, wie absurd diese Debatte geworden ist. Das ist wirklich hochgefährlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wissen, dass Diplomatie auch in diesem Krieg wirken kann. Denken wir an das Getreideabkommen, denken wir an den laufenden Gefangenenaustausch.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Mein Gott! Sie sind zu intelligent für das, was Sie da erzählen!)

Der ehemalige israelische Premier Naftali Bennett sagte sogar, dass ein Waffenstillstand bereits im letzten Frühjahr fast fertig ausgehandelt war, nur die US- und die britische Regierung seien damals dagegen gewesen. Warum wohl, Herr Scholz?

Darum: Korrigieren Sie Ihren Kurs! Wir brauchen endlich ernsthafte Bemühungen für einen Frieden.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)