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Rede EU -Regierungskonferenz schnell zum Erfolg führen

Rede von Alexander Ulrich,

Drucksache 16/5882 und 16/5888

Alexander Ulrich (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die deutsche Ratspräsidentschaft stand unter dem Motto „Europa gelingt gemeinsam“. Zum Ende der Ratspräsidentschaft müssen wir nun leider feststellen, dass „gemeinsam“ nicht bedeutet, dass man auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Noch viel schlimmer für Deutschland ist aber, dass man noch nicht einmal das Parlament beteiligen will.
Ich möchte auf die Vereinbarung aufmerksam machen, die Herr Löning von der FDP vollkommen zu Recht schon erwähnt hat und die in einer Zeit verabredet wurde, als Sie, Frau Bundeskanzlerin, noch Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU waren, also zu Ihren Oppositionszeiten. Herr Kauder kennt diese Vereinbarung auch. Jeder hier im Hause kennt den Geist der Vereinbarung und weiß, dass im Vorfeld von solch wichtigen Entscheidungen der Bundestag natürlich beteiligt werden soll. Ich finde es merkwürdig, dass man zwar überall Pressekonferenzen gibt und zum Ende der Ratspräsidentschaft auch vor dem Europäischen Parlament in Brüssel ein Resümee zieht, aber hier im Bundestag keine Regierungserklärung abgibt und auch kein Einvernehmen anstrebt. Ich sage an dieser Stelle: Das ist nicht der Umgang, wie der Bundestag in die Europapolitik einbezogen werden soll.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei der Abg. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Einen solchen Umgang sollten wir als Parlamentarier nicht durchgehen lassen. Mir erscheint es auch ein bisschen merkwürdig, dass heute zwar die Mitglieder der Bundesregierung sehr zahlreich hier erschienen sind, dass sich die Regierung aber einer Debatte verweigert, dass sie noch nicht einmal Stellung nimmt und auch jetzt wieder in eine Regierungskonferenz gehen will, ohne den Bundestag zu beteiligen.
Wir haben auf vielen europäischen Konferenzen Herr Krichbaum, Sie wissen das auch immer wieder gerade diese Vereinbarung des Deutschen Bundestages als nachahmenswertes Beispiel auch für andere Staaten erwähnt. Wir müssen jetzt eigentlich schon wieder Abbitte leisten, weil die Bundesregierung schon beim ersten Mal, wo die Vereinbarung greifen könnte, einmal mehr macht, was sie will. Herr Krichbaum, ich verstehe nicht, warum Sie sich hier hinstellen und die Bundesregierung verteidigen, obwohl Sie heute Morgen bei den Obleuten noch eine ganz andere Auffassung vertreten haben.
(Beifall bei der LINKEN - Abg. Gunther Krichbaum (CDU/CSU): Das stimmt ja nicht!)
Hinsichtlich der Bewertung der deutschen Ratspräsidentschaft werden wir uns auch nicht den vielen Lobesworten anschließen, die heute Morgen im Ausschuss angestimmt worden sind. Die Geschichte wird zeigen, dass die deutsche Ratspräsidentschaft einmal mehr dafür steht, dass Europa auch weiterhin in der Krise bleibt. Denn halten wir einmal fest: Der Gipfel im März war von der Diskussion über den Klimaschutz geprägt. Wir wissen, dass nichts dabei herausgekommen ist außer Absichtserklärungen. Es ist bis heute noch nicht klar, wie Europa und die einzelnen Staaten diese Klimaschutzziele erreichen wollen. Gerade Deutschland ist negativ belastet. Wenn alle geplanten Kohlekraftwerke gebaut werden, kann Deutschland die Klimaschutzziele nicht erreichen. Somit ist die Aufgabe des Klimaschutzes auf zukünftige Generationen verschoben worden. Es gibt nicht mehr als eine Absichtserklärung.
(Beifall bei der LINKEN - Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darüber sollten Sie einmal mit Roland Claus reden!)
Wir stellen fest: Der EU-Russland-Gipfel ist gescheitert. Auch das bleibt zum Ende der Ratspräsidentschaft festzuhalten. Wir wissen, dass Europa in der Frage der Raketenabwehrsysteme in den osteuropäischen Staaten auseinanderdriftet. Auch da hat es die deutsche Bundesregierung nicht verstanden, deutlich zu machen, dass Europa mit einer Stimme sprechen muss. Letztendlich ist man auch bei der Verfassungsfrage gescheitert. Man spricht von dem EU-Gipfel als einem großen Erfolg, während nahezu alle Medien davon berichtet haben, dass man einem Totalschaden gerade noch entkommen ist. Ich glaube, dass es nicht hilfreich ist, eine Darstellung zu wählen, die weit von der Wirklichkeit der Menschen entfernt ist.
Ich muss an dieser Stelle auch sagen: Die Bürgerinnen und Bürger Europas, die dieses Wochenende mitbekommen haben, haben eher resigniert und sich von der Politik entfernt.
(Veronika Bellmann (CDU/CSU): Da haben Sie offensichtlich geschlafen!)
Dieses Geschachere um Stimmrechte und die Tatsache, dass gedroht worden ist, dass man in Europa ohne Polen weitermachen will, ist kein Fortschritt für die europäische Idee; man hat vielmehr einmal mehr versucht, die Position des Stärkeren gegenüber Schwächeren auszuspielen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sollten auch nicht den Fehler begehen, Polen alleine verantwortlich zu machen. Es gibt genug Länder, die auch dort waren und sich darüber gefreut haben, dass Polen diese Rolle übernommen hat. Gewisse Länder haben ein Interesse daran, dass die Stimmrechte anders verteilt werden.
(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Sie haben sich durch Herrn Kaczynski vertreten gefühlt?)
Wie oft sind schon Ausnahmen für England gemacht worden? Die Rhetorik der Polen ist sicherlich nicht akzeptabel, aber die Erpressungsversuche waren auch nicht akzeptabel; denn die Polen haben nichts anderes gemacht, als ein Recht zu nutzen, das ihnen die bestehenden Verträge lassen.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb, glaube ich, kann man so nicht mit Polen umgehen. Es wäre die Aufgabe der Bundesregierung, für Entspannung zu sorgen.
Einmal mehr muss man aber auch festhalten: Europa hat Angst vor den Bürgerinnen und Bürgern. Die gescheiterte EU-Verfassung soll jetzt unter anderem Namen als Vertrag in einer Regierungskonferenz beschlossen werden. Man hat den Ausdruck „Verfassung“ gestrichen, um damit den Weg dafür freizumachen, dass in möglichst vielen Ländern diesem Vertrag nur noch per Parlamentsabstimmung zugestimmt zu werden braucht und er damit gerettet werden kann.
(Zuruf von der SPD: Was heißt „nur“?)
Es wird wenige Ausnahmen geben, wahrscheinlich eine für Irland. Ich glaube, dass das der falsche Weg ist. Wenn die Substanz einer gescheiterten Verfassung nun in einem Vertrag ihren Niederschlag finden soll, dann wird versucht, etwas Gescheitertes an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei durchzusetzen. Deshalb bleiben wir die einzige Fraktion im Deutschen Bundestag, die eine europäische Volksabstimmung fordert; denn nur so ist Europa den Bürgerinnen und Bürgern näherzubringen.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Löning, auch wenn Sie der Auffassung sind, dass Frankreich ein sozialistisches Land ist,
(Markus Löning (FDP): Vom Staatsverständnis her auf jeden Fall!)
würde ich das nicht unterschreiben, auch wenn wir nicht unglücklich darüber sind, dass Sarkozy teilweise Vorschläge macht, die bedenkenswert sind, dass er zum Beispiel von einer Wirtschaftsregierung und einer Demokratisierung der EZB redet, dass er davon redet, dass die Politik der EZB auf mehr Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet werden müsste. Ich glaube, diese Forderungen könnten wir unterschreiben. Die spannende Frage wird sein, wie die hochgepriesene deutsch-französische Partnerschaft damit umgeht; denn aus Deutschland kamen sofort die Reflexe des Außenministers und des Bundesfinanzministers, dass man diese Politik ablehne. Diese wäre aber notwendig; denn eines haben wir auch gesehen: Es ist einmal davon geredet worden, dass Europa ein soziales und menschliches Antlitz brauche und zu dem Vertrag eine Dokumentation eines sozialen Europas hinzukomme. Was haben wir jetzt? Jetzt haben wir zwar den freien und unverfälschten Wettbewerb als Ziel gestrichen, gleichzeitig aber mit einer Protokollnotiz diesen wieder festgeschrieben. So werden die Bürgerinnen und Bürger leider kein soziales Europa erleben. Europa bleibt in der Krise. Die deutsche Bundesregierung hat alles dazu beigetragen, damit das auf absehbare Zeit so bleibt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Krichbaum das Wort.
Gunther Krichbaum (CDU/CSU):
.....
(Beifall des Abg. Manfred Grund (CDU/CSU))
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Ulrich, Sie haben die Möglichkeit zur Erwiderung.
Alexander Ulrich (DIE LINKE):
Herr Krichbaum, ich habe sehr viel Respekt davor, dass Sie vor kurzem zum Ausschussvorsitzenden gewählt worden sind. Sicherlich spielt bei Ihrer Wortwahl hier noch ein wenig Dankbarkeit mit.
Auch Sie haben heute Morgen gesagt Sie haben letzte Woche an einer Reise des Ausschusses teilgenommen; wir haben darüber beim heutigen Treffen der Obleute geredet , dass Sie an diesem Punkt ein bisschen diplomatisch sein müssen das kann man nachvollziehen , obwohl Sie eigentlich der Auffassung sind, dass das nicht im Geiste der Vereinbarung ist. Herr Krichbaum, ich möchte noch einmal sagen: Ich erwarte von Ihnen als Ausschussvorsitzendem es geht hier nicht um Fraktionen; es geht auch nicht um politische Richtungen; es geht hier um die Rechte des Parlaments , der den Weg, der zu dieser Vereinbarung geführt hat, mit beschritten hat, dass Sie gerade jetzt, wo es losgeht, darauf dringen, dass die Bundesregierung ihre Verpflichtungen einhält.
Ich sage an dieser Stelle noch einmal die FDP und Bündnis 90/Die Grünen sehen das ebenso; auch die SPD hat diesen Standpunkt heute Morgen geteilt : Das, was da gemacht worden ist, entspricht nicht dem Geiste dieser Vereinbarung.
(Beifall bei der LINKEN Volker Kauder (CDU/CSU): Ein solcher Unsinn!)
Ich appelliere an Sie als Ausschussvorsitzenden, sich als Parlamentarier zu begreifen und nicht als jemanden, dessen Aufgabe es ist, die Politik der Bundesregierung umzusetzen. Wenn Sie das nicht tun, dann sind Sie, was den Ausschussvorsitz angeht, fehl am Platze.
(Gunther Krichbaum (CDU/CSU): Das ist Blödsinn!)
Versuchen Sie nicht, die Rechte des Parlaments durch falsche Aussagen zu schwächen! Unsere Einschätzung der Ergebnisse dieser Regierungskonferenz, für die es eine große Mehrheit geben könnte, wird von der Bundesregierung leider falsch verstanden. In Zukunft wird man wieder sagen: Der Bundestag ist erst am Schluss der Debatten zu beteiligen. Ich wiederhole: Man sollte von Anfang an deutlich machen, dass das Parlament in europäische Angelegenheiten anders involviert werden muss, als es heute der Fall ist.
(Gunther Krichbaum (CDU/CSU): Es ist doch beteiligt! Mehr denn je! Das Parlament war noch nie in dem Umfang beteiligt wie heute! Nehmen Sie das auch einmal zur Kenntnis!)
Notwendig wären diese Woche eine Regierungserklärung und eine Abstimmung über einen Entschließungsantrag dazu. Aber so wie jetzt geht es nicht. Ich erwarte von Ihnen als Ausschussvorsitzendem, dass Sie entsprechend handeln.
Noch einmal: Einvernehmen bedeutet nach unserer Auffassung nicht, dass die Bundeskanzlerin an einer Ausschusssitzung teilnimmt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)