Wenn es nicht gelingt, im gesamten Bereich der Justiz Voraussetzungen zu schaffen, dass die so genannte Weiße-Kragen-Kriminalität wirksam bekämpft wird, wenn nicht sichergestellt werden kann, dass Gerichte einigermaßen vernünftig ausgestattet sind, dann werden Abgeordnete des Deutschen Bundestages immer wieder über den kleinen, prozessualen Lösungsansatz reden müssen. Angesichts der Ausstattung der Gerichte und der von der Praxis wahrgenommenen Unzulänglichkeiten der derzeitigen gesetzlichen Regelung werden eine Novellierung und Ergänzung der Vorschriften diese ganzen Probleme leider nicht beseitigen können. Sevim Dagdelen in der Debatte zum Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnung und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Vorlage, die wir heute behandeln, wird der Versuch unternommen, in der Praxis von Gewinnabschöpfung und Verfall Erleichterungen einzuführen und damit die Rechte der Verletzten zu stärken. Gleichzeitig geht es darum, dem Staat ein Auffangrecht hinsichtlich illegal erlangter Vermögen zu gewähren. Gerade den Opfern von Straftaten Möglichkeiten zu geben, den finanziellen Verlust zu minimieren, findet unsere Zustimmung. Wir sind gern bereit, mit Ihnen im Ausschuss über die Vor- und Nachteile der vorgesehenen Regelungen, bei denen es sich im Wesentlichen um Verfahrensfragen handelt, zu debattieren. Ich will jedoch aus Sicht meiner Fraktion auf ein Problem aufmerksam machen, welches von der Bundesregierung selbst im Gesetzentwurf angesprochen wird. Auf Seite 11 des Gesetzentwurfs heißt es: Gerade in Wirtschaftsstrafsachen mit hohen Schadenssummen oder einer Vielzahl von Geschädigten gestalten sich die Ermittlungen häufig kompliziert und umfangreich. Die Bundesregierung steht mit dieser Erkenntnis offensichtlich nicht allein. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 2. Dezember 2005 zum Aktenzei-chen 5 StR 119/05 auf Seite 20 ausgeführt: Nach der Erfahrung des Senats kommt es bei einer Vielzahl von großen Wirtschaftsstrafverfahren dazu, dass eine dem Unrechtsgehalt schwerwiegender Korruptions- und Steuerhinterziehungsdelikte adäquate Bestrafung allein deshalb nicht erfolgen kann, weil für die gebotene Aufklärung derart komplexer Sachverhalte keine ausreichenden justiziellen Ressourcen zur Verfügung stehen. Weiter argumentiert der Bundesgerichtshof, dass diesem Fakt nur durch eine spürbare Stärkung der Justiz in diesem Bereich Rechnung getragen werden kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es uns nicht gelingt, im gesamten Bereich der Justiz Voraussetzungen zu schaffen, dass die so genannte Weiße-Kragen-Kriminalität wirksam bekämpft wird, wenn wir nicht sicherstellen können, dass Gerichte einigermaßen vernünftig ausgestattet sind, dann werden wir immer wieder über den kleinen, prozessualen Lösungsansatz reden müssen, den Sie hier präsentieren, nämlich über die Verlängerung von Fristen, wie in § 111 b Abs. 3 StPO vorgesehen. Angesichts der Ausstattung der Gerichte und der von der Praxis wahrgenommenen Unzulänglichkeiten der derzeitigen gesetzlichen Regelung werden eine Novellierung und Ergänzung der Vorschriften diese ganzen Probleme leider nicht beseitigen können. Wenn den Opfern von Wirtschaftsstraftaten wirklich geholfen werden soll und Wirtschaftsstraftaten angemessen verfolgt werden sollen, dann ist mehr nötig als eine Detailverbesserung im Verfahrensrecht. Damit die Vermögensabschöpfung tatsächlich einmal zu einer scharfen Waffe des Rechtsstaates und ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität werden kann, möchte ich dringend auffordern, neben dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf wirksame Mittel zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität oder Weiße-Kragen-Kriminalität zu ergreifen und nicht zuletzt die Justiz zu stärken. (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Wir warten auf Vorschläge!) - Darauf werden wir im Rechtsausschuss eingehen. Abschließend möchte ich zusammenfassen: Einer Reihe von Änderungen in den §§ 111 b ff. StPO, die die Sicherstellung von Vermögen effektivieren und erleichtern sollen, kann uneingeschränkt zugestimmt werden. (Beifall des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD]) Mit dem Ziel verbesserten Opferschutzes ist die Verstärkung der Zurückgewinnungshilfe durch Erweiterung des Zulassungsverfahrens in § 111 g StPO gut vertretbar. Insgesamt bleibt jedoch das Recht der Vermögensabschöpfung - das hat mein Kollege Kauder ganz gut dargelegt - auch nach diesen vereinzelten Änderungen des Prozessrechts kompliziert und anwenderunfreundlich und das bisherige gesetzliche Regelungskonzept im Grundsatz unverändert. Ich danke.
Rechte der Opfer stärken - Wirtschaftskriminalität bekämpfen
Rede
von
Sevim Dagdelen,