Zum Hauptinhalt springen

Persönliche Erklärung zur Ablehnung der Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik

Rede von Johanna Regina Voß,

Ich habe heute gegen den Antrag 'Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik' gestimmt, weil es ungeeignet ist, die Staatspleite Griechenlands abzuwenden. Im Gegenteil: Es bewirkt, dass die Wirtschaft weiter kaputtgespart wird und die Not der griechischen Bevölkerung verschärft wird. Die Gläubiger und damit die Verursacher der Eurokrise werden hingegen geschont.

Die bewilligten Summen erreichen Höhen, unter denen sich niemand mehr etwas Konkretes vorstellen kann. Erst die Aufstockung des europäischen Rettungsfonds (EFSF) auf 440 Milliarden Euro. Dann 110 Milliarden Euro für das erste Hilfspaket an Griechenland. Und nun weitere 130 Milliarden Kredithilfen für ein zweites.
Doch für die Griechen ist die Krise längst keine abstrakte Größe mehr. Fast jede griechische Familie ist von Arbeitslosigkeit betroffen. Mehr als jeder fünfte Grieche ist bereits ohne Job, unter den Jugendlichen sogar jeder zweite. Ein Jahr lang hilft nach dem Verlust des Arbeitsplatzes der Staat, dann muss die Familie einspringen. Doch bei vielen neigen sich die Ersparnisse dem Ende zu. Die Not hat längst breite Bevölkerungsschichten erreicht. Jeder fünfte Grieche lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die Zahl der Obdachlosen steigt und die Schlangen an den Suppenküchen werden länger. Machen wir uns nichts vor: Die Zeche für die Krise zahlt das Volk.
Die Banken maximieren hingegen weiter ihre Gewinne – ohne Rücksicht auf Verluste, denn die übernimmt ja sowieso der Staat. So wird mit allem gezockt, was Rendite verspricht. Auch vor Nahrungsmittelspekulation auf Kosten der Ärmsten machen die Finanzakteure nicht Halt. Viele europäische Staaten sprangen 2009 bereits einmal für die Verluste ein - die Verschuldung stieg sprunghaft an. Davon profitierten die Banken aufgrund des gestiegenen Risikoaufschlages auf Staatsanleihen in Verbindung mit kostengünstiger Refinanzierung durch billiges Zentralbankgeld. Und ist es nicht blanker Hohn, dass jetzt wieder die Steuerzahler ran sollen, um die Anleger vor einem Zahlungsausfall zu bewahren?
Es ist unerträglich, dass seit dem Krisenjahr 2008 nichts unternommen wurde, um die Banken auf ihre eigentliche Aufgabe zurückzustutzen: die Versorgung der Wirtschaft mit den nötigen Krediten. Noch unerträglicher ist die bisherige Krisenstrategie der Bundesregierung. Die infolge der Hilfen aufgezwungenen Sozial-, Renten-, Lohn- und Mindestlohnkürzungen treffen die Falschen – und mindern nicht die Verschuldung! Seit Verabschiedung des ersten „Hilfspakets“ für Griechenland im Mai 2010 sind die Schulden des Landes um über 50 Milliarden Euro gestiegen, die Schuldenquote ist von 130 auf 170 Prozent des BIP hochgeschnellt.
Die Griechen müssen einen völlig anderen Weg einschlagen, hin zu einer sozialen und gerechten Gesellschaft. Denn so sehr die neuen Armen unter den Sparmaßnahmen leiden, so sehr haben sich die Reichen geschützt. Sie bringen ihr Geld ins sichere Ausland, kaufen in Berlin und Paris Immobilien oder verlegen ihre Firmensitze nach London. Deshalb ist es Zeit für einen konsequenten Steuervollzug in Griechenland und eine Reichensteuer, bei der die 2000 griechischen Familien, die 80 Prozent des Reichtums besitzen, herangezogen werden.
Auch Europa muss endlich sozial werden, oder es wird nicht fortbestehen. Dafür müssen die öffentlichen Haushalte von den Finanzmärkten abgeschirmt werden und direkt über die EZB finanziert werden. Dafür muss die krisenverschärfende Kürzungspolitik sofort gestoppt werden und eine europaweite Millionärssteuer eingeführt werden. Und dafür muss ein sozial-ökologisches Investitionsprogramm in Europa her. Nichts davon findet sich hier.
Europa darf nicht länger vom Finanzsektor in Geiselhaft genommen werden. Alternativen bieten sich an! Neue Wege sind möglich!
Und deshalb habe ich heute gegen das zweite Rettungspaket für Griechenland gestimmt.