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Opfern von Vermögens- oder Eigentumsdelikten muss geholfen werden

Rede von Sevim Dagdelen,

Wer Opfer eines Vermögens- oder Eigentumsdeliktes wurde, dem soll dabei geholfen werden, sein Geld oder sein Hab und Gut wiederzuerlangen. Insoweit ist der Entwurf ein Schritt in die richtige Richtung. Die Linke hält es für unvereinbar mit der Verfassung, wenn nicht nur die wirtschaftliche Existenz von Unternehmen sondern auch diejenige von ArbeitnehmerInnen und abhängigen Kleinbetrieben dadurch gefährdet wird, dass aufgrund eines bloßen Anfangsverdachts das gesamte Vermögen des Betroffenen ein Jahr lang sichergestellt werden kann. Hier besteht also Nachbesserungsbedarf!

Werte Kolleginnen und Kollegen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Wie bereits bei der Ersten Lesung deutlich gemacht: Wir stimmen der Zielrichtung des Gesetzes zu: Wer Opfer eines Vermögens- oder Eigentumsdeliktes wurde, dem soll dabei geholfen werden, sein Geld oder sein Hab und Gut wiederzuerlangen. Insoweit ist der Entwurf ein Schritt in die richtige Richtung. Im Gegensatz zur allgemeinen Straßenkriminalität, auf die der Staat all zu oft mit dem scharfen Schwert der Vergeltung reagiert, obwohl gerade den Tätern dieser Taten auf die Stirn geschrieben steht, warum sie sich gegen die Gesellschaft wendeten, von der sie sich ausgegrenzt und verlassen fühlen, lohnen sich die Verbrechen der Schlipsträger in diesem Land. Daran wird dieser Entwurf nichts ändern; dennoch ist er auch insoweit zu begrüßen, als er die Selbstverständlichkeit fördert, dass die Beute nicht auch noch bei den Tätern verbleibt Ich will zunächst auf einige Einzelheiten des Vorschlags der Bundesregierung eingehen, bei denen wir in Übereinstimmung mit den angehörten Sachverständigen noch Klärungsbedarf sehen: Die Bundestagsfraktion Die Linke hält es für unvereinbar mit unserer Verfassung, wenn nicht nur die wirtschaftliche Existenz von Unternehmen sondern auch diejenige von ArbeitnehmerInnen und abhängigen Kleinbetrieben dadurch gefährdet wird, dass aufgrund eines bloßen Anfangsverdachts -der sich gerade in komplexen Bereichen der Vermögenskriminalität leicht als unbegründet erweist -, das gesamte Vermögen des Betroffenen ein Jahr lang sichergestellt werden kann. Daher schlagen wir vor, zumindest nach sechs Monaten die Aufrechterhaltung des Arrests oder der Beschlagnahme von Voraussetzungen abhängig zu machen, die denjenigen der Anordnung der Untersuchungshaft entsprechen. Außerdem verlangt der Rechtsstaat - das sehen sie ja zumindest teilweise auch so - die Gewährung eines weiteren Rechtsmittels zu Gunsten desjenigen, gegenüber dem vorläufige Sicherungsmaßnahmen ergehen. Hier besteht also aus verfassungsrechtlichen Gründen Nachbesserungsbedarf! Die Bundesregierung muss sich aber auch fragen lassen, ob sie es tatsächlich ernst meint mit den genannten Zielen. Wäre es denn nicht wirklicher Opferschutz, wenn den Verletzten ein direkter Anspruch gegen den Staat zustünde, wenn der Fiskus im Falle des § 111 i III StPO nach 3 Jahren von dem Verfall profitiert? Wäre nicht eine große Reform -ich erinnere an den Entwurf aus dem Jahre 1998 - der die Unterscheidung Einziehung / Verfall auflöst auch im Hinblick auf die notwendige europäische Harmonisierung der Vermögensabschöpfung eine tatsächliche Erleichterung der Justizarbeit? Und verlangt der Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität in Wirklichkeit nicht etwas ganz anderes als Änderungen im normativen Bereich? Der Bundesgerichtshof hat diese letzte Frage explizit beantwortet und in einer fast schon Verzweiflung ausdrückenden Form erklärt: „Dem in § 56 Abs. 3 StGB zum Ausdruck gekommenen Anliegen des Gesetzgebers, das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts vor einer Erschütterung durch unangemessen milde Sanktionen zu bewahren, kann im Bereich des überwiegend tatsächlich und rechtlich schwierigen Wirtschafts- und Steuerstrafrechts nach Eindruck des Senats nur durch eine spürbare Stärkung der Justiz in diesem Bereich Rechnung getragen werden. Nur auf diese Weise - nicht durch bloße Gesetzesverschärfungen - wird es möglich sein, dem drohenden Ungleichgewicht zwischen der Strafpraxis bei der allgemeinen Kriminalität und der Strafpraxis in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren entgegenzutreten und dem berechtigten besonderen öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung schwerwiegender Wirtschaftskriminalität gerecht zu werden.“ Es wird also deutlich: Die Bundesregierung hat gekleckert und nicht geklotzt, - sie ist allerdings in dem letzten Punkt auch auf die Mithilfe der Länder angewiesen. Um dem Flehen unserer obersten Strafrichter, die zusammen mit dem Rest der Dritten Gewalt mit einem Justizhaushalt in Höhe von 0,13 Prozent der Gesamtausgaben des Bundeshaushaltes und ca. 3 Prozent der Länderhaushalte abgespeist werden, wenigstens ein bisschen Gehör zu verschaffen, möchte ich zum Abschluss folgenden Vorschlag unterbreiten: Der gute Gedanke des Kollegen van Essen, Opferschutzorganisationen an den Gewinnen des Verfalls partizipieren zu lassen, sollte dahingehend ergänzt werden, dass Schwerpunktstaatsanwaltschaften „Wirtschaftsstrafrecht“ und „Wirtschaftsstrafkammern“ durch die Gewinne aus der Vermögensabschöpfung mit dem nötigen Personal und Know-how ausgestattet werden. Nur so kann verhindert werden, dass sich die Neuregelung, wegen des aus ihr erwachsenden Mehraufwandes für die Justiz letztlich kontraproduktiv auswirkt. Zudem wäre ein ungleich größerer Gewinn für die Bekämpfung der volkswirtschaftlich verheerenden Wirtschaftskriminalität und damit auch für die Strafgerechtigkeit in diesem Lande erzielt, als durch den jetzigen Entwurf. Diesbezüglich appelliere ich an die Länder: Stattet die Justiz im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts angemessen aus, denn der Verzicht auf Gerechtigkeit ist weder recht noch billig. Danke.