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Nur eine grundlegende Veränderung der Politik kann Europa retten

Rede von Ulrich Maurer,

Ulrich Maurer (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Lage nicht so extrem ernst wäre und die Folgen nicht so katastrophal, dann wäre es schon fast amüsant, zu sehen, wie Sie sich hier gegenseitig die Verantwortung zuschieben für eine Suppe, die Sie gemeinsam angerührt haben. Die Krise, in der wir uns befinden, hat zwei zentrale Ursachen: zum einen die völlige Deregulierung der Finanzmärkte und die Unterwerfung der Politik unter die Finanzmärkte und zum anderen die Schaffung riesiger volkswirtschaftlicher Ungleichgewichte, vor allem auch durch die Bundesrepublik Deutschland. Sie alle waren sich einig, dass eine richtige Strategie sei, in Deutschland die Löhne zu senken, die Renten und die Sozialleistungen zu kürzen, um sich auf der Basis des Euro einen Wettbewerbsvorteil für die deutsche Exportindustrie zu verschaffen. Bei dieser Strategie waren Sie sich alle einig.

(Beifall bei der LINKEN - Marco Buschmann (FDP): Die Arbeitslosigkeit ist gesunken!)

Wenn ich den Kollegen Gabriel heute das Schicksal eines Wachmanns beklagen höre,

(Marco Buschmann (FDP): Wo ist er denn?)

dann fällt mir ein, wer die Gesetze zur Einführung der Zeitarbeit, der Sklavenarbeit, der Leiharbeit in Deutschland gemacht hat. Ein bisschen Selbstkritik und ein bisschen Demut wären in dieser Situation angemessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Kollege Trittin, wer hat eigentlich die Finanzmarktförderungsgesetze gemacht? Schauen Sie einmal nach. Wer hat dafür gesorgt, dass die Hedgefonds in Deutschland zugelassen wurden, dass die Derivate zugelassen wurden? Wer ist hier im Deutschen Bundestag herumgerannt - auch unter Ihrem Applaus - und hat geschrien: „Wir müssen Frankfurt zu einem Finanzplatz wie London machen“? Das waren doch Sie alle. Jetzt stehen Sie hier und beklagen die Folgen Ihrer eigenen Politik, ohne ein Wort der Kritik an dem zu verlieren, was Sie da angerichtet haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will einen schwäbischen Unternehmer zitieren, den Vorstandsvorsitzenden von Bosch. Er sagte: Die Finanzmärkte sind kurz davor, die Weltwirtschaft in eine neue Krise zu reißen. Außerdem sagte er: "Wenn ich den Finanzsektor zu regulieren hätte, „dann würde ich die Universalbanken abschaffen und viele Finanztransaktionen verbieten, die nichts mehr mit realen Geschäften zu tun haben.“ Das ist die Position der Linken. Das, was Fehrenbach von Bosch sagt, erzählen wir Ihnen seit Jahren. Wenn Sie weiterhin Billionen Bonds, Derivate und das Treiben der Schattenbanken zulassen und nur Sprüche klopfen, dann wird die Entwicklung so weitergehen wie in den letzten Jahren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben Ihnen gesagt: Wir schlagen vor, die Finanzierung der europäischen Staaten von dem Diktat der Finanzmärkte zu entkoppeln.

(Marco Buschmann (FDP): Dann muss man Schulden reduzieren!)

Wir haben vorgeschlagen, dafür zu sorgen, dass in der Tat eine europäische Bank die Staatsanleihen zeichnet und begibt, anstatt dies den sogenannten Finanzmärkten zu überlassen. Sie sagten, Sie glauben nicht, dass das geht.
Ich will Ihnen ein Beispiel liefern, ein revolutionäres Beispiel aus der Schweiz aus den letzten Tagen. Die Schweizerische Nationalbank hat erklärt: Die Preisfindung beim Schweizer Franken durch die internationalen Finanzmärkte wird von uns nicht mehr akzeptiert. Dann hat sie einen eigenen Preis festgesetzt und gesagt: Diesen Preis werden wir mit allen Mitteln verteidigen. Oh Wunder: Die internationalen Finanzmärkte haben den diktierten Preis in den ersten Tagen akzeptiert. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Das war ein revolutionärer Schritt.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Kennen Sie auch die Instrumente, die die Schweizer einsetzen?)

Warum fahren Sie damit fort, Rettungsschirme zu konstruieren, von denen Sie wissen, dass sie nicht ausreichen werden, um die Spekulationen gegen italienische oder spanische Staatsanleihen zu beenden? So werden die Spekulationen fortgesetzt. Warum unterwerfen Sie sich auch damit wieder dem Diktat der sogenannten Finanzmärkte, anstatt Konsequenzen zu ziehen? Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten in Deutschland nicht mehr das System der Kommunaldarlehen, sondern Duisburg und Dortmund müssten sich an den internationalen Finanzmärkten verschulden. Was glauben Sie, was da los wäre? Genau so gehen Sie jetzt mit der Situation auf europäischer Ebene um. Die Griechen bedecken Sie mit Auflagen. Die Italiener und die Spanier machen jetzt schreckliche Dinge, die ihre Länder in die Depression treiben werden. Warum ziehen Sie nicht die Lehren aus der deutschen Geschichte? Die deutsche Reichsregierung hat sich auf genau die gleiche Art und Weise in die Krise hineingespart, wie Sie es jetzt verordnen, nämlich zulasten der Masseneinkommen. Das hat uns Faschismus und Krieg beschert. Wir sind sehr erregt das will ich Ihnen sagen , weil Sie sich bei dem, was Sie da machen, im Hinblick auf die Zukunft Europas insgesamt verantwortungslos verhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die Politik nicht grundlegend geändert wird, wenn Deutschland nicht aufhört, den Euro als Plattform zu benutzen, um dann auf der Basis von Lohnsenkungen und Konkurrenzvorteilen die anderen Länder an die Wand zu konkurrieren das war schon unter Schröder und Fischer so , wenn die Kaufkraft in Deutschland nicht gestärkt wird, wenn Deutschland nicht auch als Binnenmarkt stark wird und wenn Sie weiter abschreiben, was Ihnen der internationale Bankenverband diktiert Gregor Gysi hat es gestern nachgewiesen , dann setzen Sie die Krise fort, von Rettungsschirm zu Rettungsschirm, von Milliardenverlust zu Milliardenverlust. Sie haben es bis heute nicht begriffen: Nicht Rettungsschirme werden Europa retten, sondern eine grundlegende Veränderung der Politik.


(Beifall bei der LINKEN)