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Militärische Präsenz schaftt keinen Frieden in Somalia

Rede von Norman Paech,

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Seit dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 ist Somalia faktisch ohne Regierung und zerrissen von Kämpfen rivalisierender Gruppen. Es ist das immer wieder zitierte Beispiel eines failed states, eines gescheiterten Staates. Das vollständige Fehlen öffentlicher Infrastruktur und die desolate Sicherheitssituation machen Somalia vor allem anfällig für die Einmischung durch benachbarte Staaten.

So tragen Äthiopien und Eritrea ihre Grenzkonflikte über die Unterstützung der rivalisierenden Kräfte in Somalia aus. Äthiopiens wollte mit seinem Einmarsch in Somalia vor allem die Union der Islamischen Gerichte (UIC) verjagen, der es immerhin gelungen war, nach knapp fünfzehn Jahren Chaos, eine gewisse Sicherheit im Lande wiederherzustellen.

Wir sollten allerdings nicht übersehen, dass auch andere Staaten und vor allem die USA in dem Konflikt ihre Interessen verfolgen. Derzeit verdächtigen die USA die UIC, mit Al Qaida zu kooperieren und begründen ihre Luftangriffe mit ihrem „weltweiten Krieg gegen den Terror“. Das Horn von Afrika ist aber nicht nur wegen seiner beträchtlichen Öl- und Gasvorräte, sondern auch wegen seiner strategischen Position gegenüber der arabischen Halbinsel, der ölreichsten Region der Erde, von erheblicher strategischer Bedeutung. So wenig hiervon zurzeit in den Medien die Rede ist, diese Vorräte sind nicht verschwunden und werden mit der Sicherung und Stabilisierung Somalias wieder in den Vordergrund der Interessen treten.

Die USA haben auch Äthiopien beim Einmarsch in Somalia unterstützt. Seitdem hat sich die Situation wieder drastisch verschlechtert. Die Übergangsregierung ist zwar formal wieder an der Macht, hat aber bei der Bevölkerung kaum Zustimmung. Denn sie hat die alten Warlords, die Korruption und die alte Unsicherheit wieder mit sich gebracht.

In dieser Situation beschloss der Friedens- und Sicherheitsrat der AU am 19. Januar 2007 die Entsendung einer Friedensmission nach Somalia, der sog. AMISOM. Dass diese Mission scheitern wird, ist allzu offensichtlich: Sie ist auf sechs Monate begrenzt und wird sich in dieser Zeit nicht einmal installiert, geschweige denn ihre Arbeit aufgenommen haben. Die Mission wird auf breiten Widerstand in der Bevölkerung und bei der UIC stoßen, da sie eine Regierung stärken soll, die in der Bevölkerung weitgehend abgelehnt wird. Dies wird sich mit der geplanten Überführung in eine UN-Mission nicht ändern. Weder die AMISOM noch eine UN-Mission werden die Probleme lösen. Denn eine militärische Präsenz in Somalia, unter welcher Führung auch immer, wird allen Dialogbemühungen entgegenwirken. Dies lehren uns die beiden anderen Fronten des Antiterrorkampfes, Afghanistan und Irak.

Letztendlich wird nur eine demokratisch gewählte Regierung eine nachhaltige Stabilisierung des Landes bewirken können. Hierzu muss es dringend zu Verhandlungsgesprächen zwischen der Übergangsregierung und der UIC kommen. Darin stimmen wir dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu. An einem solchen Dialog sollten auch die Länder des afrikanischen und arabischen Raums unbedingt teilnehmen, die nicht in den Konflikt involviert sind. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit ihren Vermittlungsdiensten diesen Prozess zu unterstützen. Um jedoch einen solchen Dialog überhaupt zu ermöglichen, muss sich die äthiopische Armee vollständig aus Somalia zurückziehen, das Waffenembargo durchgesetzt werden, müssen die USA ihre Luftangriffe einstellen und die Nachbarstaaten dazu gebracht werden, ihre Unterstützung der Konfliktparteien aufzugeben.