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Meeresschutz bleibt auf der Strecke

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass wir im Bundestag bis zur Sommerpause zweimal Gelegenheit haben, uns mit dem
Meeresschutz zu beschäftigen. Ich denke, in der Debatte zu unserer Großen Anfrage in der nächsten Sitzungswoche können wir uns detailliert damit befassen, was zu tun ist, um die anhaltende Überfischung der Weltmeere zu stoppen, und auch darüber, wie wir mit der Versauerung der Meere umgehen. Wenn es heute vorrangig um einen
integrierten Ansatz, also einen übergreifenden EU-Meeresschutz, gehen soll, dann dürfen wir nicht den gleichen Fehler machen wie den, der sich durch das EU-Grünbuch zum Meeresschutz durchzieht. Die Kommission schreibt dort eingangs, sie wolle in der EU-Meerespolitik einem integrativen Ansatz folgen, einem Ansatz, der die Meere nicht nur als Wirtschaftsraum, sondern auch als Ökosystem begreift. In der Logik des übrigen Textes geht es aber fast nur noch um Anforderungen zur Nutzung an das Meer: Es soll der Schifffahrt dienen, Rohstofflager sein, Energie liefern, Erholung bieten und natürlich vor allem der Fischerei zur Verfügung stehen. In dem Grünbuch geht es lediglich darum, die konkurrierenden Nutzungsansprüche an die Ozeane besser aufeinander abzustimmen. Die Meeresumwelt ist den Autoren eher fremd. Das Problem ist aber gerade: Das Meer wird nicht als Ökosystem nachhaltig genutzt, sondern rücksichtslos ausgebeutet. Der schutzwürdige Eigenwert der Meeresökosysteme und ihrer Tier- und Pflanzenwelt spielt jenseits einiger spektakulärer Tierarten so gut wie keine Rolle. Dass im Grünbuch irgendwo auch etwas zur Eindämmung der illegalen Fischerei steht, ist begrüßenswert. Im Kontext dürfte der Passus aber eher dem Schutz der legalen Fischerei als einem Umweltgedanken geschuldet sein. Konsequenterweise lautet die erste der gestellten Fragen im Grünbuch, welchen Mehrwert eine integrierte Meerespolitik in der EU gegenüber nationalen Maßnahmen haben könnte. Da werden dann jede Menge marine Wirtschafts- und Wachstumspotenziale aufgezeigt, um eine gemeinsame EU-Politik zu rechtfertigen. Nun könnte man argumentieren, das Grünbuch sei nur eine Säule im EU-Meeresschutz, die eigentliche Umweltsäule sei die Meeresstrategierichtlinie, welche gerade auf die abschließende Lesung im EU-Parlament wartet.
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist richtig!)
Da kann ich nur antworten: Erstens, was nutzt die Umweltsäule, wenn über das Grünbuch und die folgenden Aktionsprogramme Fakten geschaffen werden, die
die Meeresumwelt nachhaltig schädigen? Was nutzt eine isolierte Umweltpolitik für die europäischen Meere, wenn wachsender Seeverkehr, Rohstoffförderung, immer
mehr Gentechnik sowie zunehmender Fischereidruck immer stärker in die ohnehin gestresste Meeresumwelt einwirken?
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Gentechnik? Wo denn?)
Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass die berühmte Umweltsäule reichlich brüchig ist.
Der Meeresschutz wird mit dem Richtlinienvorschlag der Kommission weitgehend zurück in die Verantwortung der einzelnen Mitgliedsländer gelegt. Absurderweise sind genau jene Politikfelder aus der Richtlinie ausgeklammert, in denen die EU über die Kompetenzen verfügt. Das betrifft zum Beispiel die gemeinsame Fischereipolitik. Dabei ignoriert beispielsweise der Fischereiministerrat seit Jahren die Empfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung, die Kabeljau- bzw. Dorschfischerei in der Nord- und Ostsee zu stoppen. Ausgeklammert ist auch die EU-Landwirtschaftspolitik, die etwa bezüglich der Problematik Überdüngung und Algenblüte sehr viel mit dem Schutz der Meere zu tun hat. Das EU-Parlament hat im Zuge der ersten Lesung einige Verbesserungen am Richtlinienvorschlag vorgenommen. Leider wurden sie alle vom Umweltministerrat wieder kassiert. Ich kann nur hoffen, dass das EU-Parlament seine Einwände nach der Sommerpause erneut erhebt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn wir bis 2021 einen guten Zustand der Meere erreichen wollen, so geht das nur mit einer wirklich integrierten Meeresschutzpolitik. Diese muss den Schutz der Ozeane über die wirtschaftliche Nutzung stellen. Ist dies gesichert - nächste Woche werden wir uns darüber sehr intensiv unterhalten -, werden auch die Fische zurückkehren. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, nennt man dann Nachhaltigkeit.
(Beifall bei der LINKEN)