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Martina Renner: Den rechten Terror brechen

Rede von Martina Renner,

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Mit großen Schritten nähern wir uns dem Ende dieser Legislatur. Mit Blick auf rechten Terror, der dieses Land ungebrochen heimsucht, ist dies die tödlichste seit der achten Legislatur. Damals, Ende 1980, waren es ebenfalls Rechtsterroristen, die beim Oktoberfestattentat zwölf Opfer und in Erlangen zwei Menschen in den Tod rissen.

Auch in dieser Legislatur wurden 13 Menschen durch rechten Terror des Lebens beraubt: Walter Lübcke, der auf seiner Terrasse einem Mordanschlag zum Opfer fiel, Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili-Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, die beim rassistischen Anschlag von Hanau ermordet wurden, Jana L. und Kevin S., die beim antisemitischen, ebenfalls rassistischen und auch frauenfeindlichen Anschlag von Halle auf die Synagoge und im Kiez-Döner ihr Leben ließen.

Gerade erst sind die Gerichtsprozesse zu Kassel und Halle abgeschlossen, andere laufen, wie gegen die „Gruppe S.“, die rassistische Morde zur Umsetzung ihrer Ideologie vorbereitete, oder gegen den extrem rechten Ex-Soldaten Franco Albrecht, der einen Anschlag unter falscher Flagge zur Einleitung eines rechten Putsches plante. Die Prozesse stehen systematisch für die Figur des Einzeltäters und der abgeschotteten Gruppe. Beides ist eine Erfindung konservativer Sicherheitspolitik und hat über Jahrzehnte dazu beigetragen, den Blick auf rechte Netzwerke und gesellschaftliche Hintergründe auszublenden. Für den Terror von rechts war dies Ermutigung und Schutz zugleich, wie die Geschichte des NSU zeigt.

Was folgt aus alledem? Die Betroffenen haben kein Vertrauen mehr, nicht nur, weil jede Woche eine rechte Chatgruppe in der Polizei bekannt wird, nicht nur, weil problemlos Waffen, Munition und Sprengmittel aus Polizei- und Militärbeständen in das Arsenal der neuen Freikorps wandern. Sie haben kein Vertrauen, weil die Behörden die Zusammenhänge nicht sehen wollen, nicht die der Lübcke-Mörder zu Combat 18, dem Rechtsterrornetzwerk, nicht die von Franco Albrecht zu den rechtsterroristischen Netzwerken Nord und Nordkreuz, nicht die der „Gruppe S.“ zu Uniter und bei all denen nicht die zur AfD. Weil Mittäter und Terrorhelfer nicht angeklagt und nicht verurteilt werden, haben die Betroffenen kein Vertrauen. Ich frage die Bundesregierung: Warum werden die weiteren NSU-Unterstützer und -Unterstützerinnen nicht endlich auf die Anklagebank gesetzt?

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Benjamin Strasser [FDP])

Im Gegensatz zur Regierung haben die Betroffenen rechter Gewalt und deren Angehörige den rechten Hintergrund dieser Taten und die Vernetzung von Neonazis immer im Blick. Im Gegensatz zu Polizei und Justiz sind ihnen die Kontinuitäten rechten Terrors bekannt. Serpil Temiz Unvar, deren Sohn Ferhat in Hanau ermordet wurde, stellte kürzlich zu Recht die Frage: Wie könnt ihr uns nach dem Anschlag von Hanau versprechen, wirklich etwas gelernt zu haben, wenn ihr nach Hunderten Angriffen zuvor nichts hinzugelernt habt?

Konsequenter Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus und alles in unserer Macht Stehende zu tun, um zukünftige Taten zu verhindern, das ist das Mindeste, was wir tun können.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu gehört, dass wir die Neonazi-Szene entwaffnen und ihnen die waffenrechtlichen Erlaubnisse entziehen, die Opferberatungsstellen stärken und ausreichend und dauerhaft finanzieren, den sogenannten Verfassungsschutz endlich auflösen und durch eine zivile unabhängige Beobachtungsstelle ersetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Dazu gehört, den Betroffenen endlich einen einfachen Zugang zu Unterstützung zu gewähren und das Aufenthaltsrecht zum Schutz der Opfer rechter Gewalt großzügig anzuwenden. Und das alles sollte erst der Anfang sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gab in diesem Haus ein Versprechen: Nie wieder NSU! – Dieses Versprechen wurde nicht gehalten. Erneuern wir das Versprechen – nie wieder Rechtsterror! –, und handeln wir endlich!

Danke.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])