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Managergehälter: Weiterhin keine Begrenzung

Rede von Richard Pitterle,

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, lieber Populismus,

die Diskussionen über hohe Managergehälter, Boni und Abfindungen haben es bis in die breite Bevölkerung geschafft. Das Gerechtigkeitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger wird nicht nur durch das massive Wachstum der Vorstandsbezüge, sondern auch durch deren immer stärkere Abkoppelung von den durchschnittlichen Gehältern der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verletzt. Diese Einkommensunterschiede entbehren einer angemessenen Grundlage. Sie können nicht aus Begabung, Ausbildung, Qualität der Arbeit, Verantwortung und Engagement der Vorstandsmitglieder abgeleitet werden.

Auch in der Wirtschaft sind diese Gehälter nicht vermittelbar. Die exzessiv hohen Bezüge der Vorstandsmitglieder und Vorstandsvorsitzenden der großen Konzerne treffen inzwischen auch auf Kritik aus den eigenen Reihen bzw. ihnen nahestehenden Kreisen. So sagte der Präsident des Verbandes der Familienunternehmer Mitte März diesen Jahres: „Kein Topmanager ist das 300- oder 400fache eines einfachen Angestellten wert“ und forderte, wie auch die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz, die Einführung einer Obergrenze. Gestern (26. Juni 2013) sprach sich auch der Geschäftsführer der Personalberatung Kienbaum im „Handelsblatt“ dafür aus.

Das Verhältnis der durchschnittlichen Pro-Kopf-Gehälter zwischen Vorstandsmitgliedern und „normalen“ Beschäftigten bei den 30 Konzernen, die im Deutschen Aktienindex, dem DAX, zusammengefasst sind, ist im Durchschnitt in den vergangenen 25 Jahren - von 1987 bis 2010 - auf das 49fache gestiegen, bei den Vorstandschefs gar auf das 81fache. Angesichts der deutlich gestiegenen Vorstandsbezüge im Jahr 2011 sind inzwischen neue Rekordwerte erreicht worden. Die Vorstandsbezüge der Chefs stiegen im Jahr 2011 mit durchschnittlich 6,1 Millionen Euro auf einen neuen Allzeitrekord – die Steigerung gegenüber dem Vorjahr beträgt fast 20 Prozent.

Absoluter Topverdiener war im Jahr 2011 VW-Chef Martin Winterkorn, der 17,5 Millionen Euro verdiente. Das entspricht einer Steigerung um fast 58 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2010. Spitzenverdiener Nummer 2 ist Siemens-Chef Peter Löscher, der im Jahr 2011 9,8 Millionen Euro einstrich, knapp 9 Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr. Das sind keine Ausnahmen - noch ein paar Beispiele: Frank Appel, Chef der Deutschen Post, 5,2 Millionen Euro - 18 Prozent mehr. Norbert Reithofer, BMW-Chef, 6,2 Millionen Euro, ein Plus von über 44 Prozent gegenüber 2010. Jürgen Großmann, RWE-Chef, 8,4 Millionen Euro - 25 Prozent mehr.

Mittlerweile kassieren auch die Topmanager der Banken wieder munter. So bekam der Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann 2011 Bezüge in Höhe von 9,4 Millionen Euro, was immerhin einer Steigerung von über 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Martin Blessing, der überforderte Chef der vom Staat mit über 18 Milliarden Euro geretteten Commerzbank, langte besonders kräftig zu: von 500.000 auf 1,3 Millionen Euro.

Und wie hoch fielen die Lohnerhöhungen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus?? Innerhalb von acht Jahren (2003 bis 2011) konnten die Chefs der Großkonzerne ihre Bezüge nahezu verdoppeln, während die Löhne der „normalen“ Beschäftigten im selben Zeitraum nur um rund 18 Prozent zunahmen Das hat gerade mal zum Inflationsausgleich gereicht.

Das ungebremste und überproportionale Wachstum der Bezüge für Topmanager ist seit über zehn Jahren Gegenstand unserer politischen Debatte. Aber sowohl die unter der rot-grünen Koalition umgesetzten Maßnahmen des Corporate Governance Kodex und des Gesetzes zur Offenlegung der Vorstandsvergütungen als auch das Gesetz für Angemessenheit der Vorstandsvergütung der großen Koalition von 2009 erwiesen sich als Papiertiger. Selbst die Finanz- und Wirtschaftskrise konnte die Vergütungsexzesse der Unternehmenschefs nur kurzfristig dämpfen.

Langfristig bedarf es daher einer wirksamen Obergrenze für die Bezüge von Topmanagern. Allerdings ist deren Umsetzung mit verfassungsrechtlichen Problemen behaftet, da Obergrenzen das Feld der Vertragsfreiheit berühren. Es bedarf daher hier einer umfassenden Debatte, um geeignete Maßnahmen zu finden. Kurzfristig schnell und einfach umzusetzen ist dagegen eine Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Managervergütungen als Betriebsausgaben.

Nach geltendem Steuerrecht können in Deutschland Managervergütungen und Abfindungen komplett steuerlich als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Sie vermindern somit den zu versteuernden Gewinn und führen daher für die Vergütungen zahlenden Unternehmen zu geringeren Steuerzahlungen. Das Steuerrecht setzt somit keinerlei Anreize, die gegen Vergütungsexzesse wirken; eine Prüfung auf Angemessenheit findet nicht statt.

Eine Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben ist keineswegs fremd im deutschen Steuerrecht. Ganz allgemein wird an mehreren Stellen auf die Frage der Angemessenheit abgestellt, zum Beispiel bei der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Dienstwagen. Konkret listet § 4 ab Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes eine Vielzahl von Sachverhalten auf, bei denen die steuerliche Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben beschränkt oder gar nicht zulässig ist, zum Beispiel Geschenke, Bewirtungen. Im Körperschaftsteuerrecht existieren zusätzliche Einschränkungen, zum Beispiel hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen bei Körperschaften, die sogenannte Zinsschranke, siehe § 8a des Körperschaftsteuergesetzes. Nicht zuletzt findet sich dort eine Beschränkung, die eins zu eins auf Managervergütungen übertragen werden kann: Gemäß § 10 Nummer 4 des Körperschaftsteuergesetzes sind Aufsichtsratsvergütungen jeder Art nur zur Hälfte steuerlich als Betriebsausgaben absetzbar. Verfassungsrechtlich ist eine Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von exzessiven Managervergütungen daher unbedenklich. Auch im internationalen Vergleich gibt es entsprechende Beispiele: So können in den USA Firmen die Vergütungen ihrer Topmanager nicht unbegrenzt von der Steuer absetzen: Ohne gesonderte Begründung besteht eine Obergrenze in Höhe von 1 Million US-Dollar.

Meine Damen und Herren, wie Sie wissen hat DIE LINKE das Thema Managervergütung schon früh aufgegriffen. Bereits in der letzten Legislaturperiode forderten wir eine Begrenzung der Managergehälter. Und wir freuen uns daher sehr, dass inzwischen auch die anderen Parteien das Thema aufgegriffen haben. Gerne haben wir Ihnen daher die Rechte für den Wiederabdruck eingeräumt.

Wir haben in unserem Bundestagswahlprogramm "100 Prozent sozial" drei Forderungen aufgenommen: Erstens eine 1:40-Regelung bei den Vorstandsgehältern, zweitens eine 1:20-Regelung und drittens die Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von sehr hohen Jahresgehältern. Was heißt das konkret?

Erstens: DIE LINKE fordert, dass niemand mehr als 40-mal so viel verdienen sollte wie das gesellschaftliche Minimum. Bei der derzeitigen Verteilung wären das noch knapp eine halbe Million Euro im Jahr. Wir fordern verbindliche Regeln für alle öffentlichen Unternehmen und streiten dafür, dass solche Regelungen in allen Unternehmen gelten. Wir fordern die Mitglieder in Aufsichtsräten auf, überhöhten Gehältern nicht mehr zuzustimmen und auf eine freiwillige Selbstverpflichtung des Unternehmens hinzuwirken.

Zweitens: DIE LINKE fordert eine gesetzliche Begrenzung der Managergehälter auf das 20-fache der untersten Lohngruppe des jeweiligen Unternehmens. Das entspräche immer noch einem Jahresgehalt von etwa einer halben Million Euro.

Und drittens: DIE LINKE fordert ein Ende der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Jahresgehältern über eine halbe Million Euro. Boni und überhöhte Abfindungen wollen wir insgesamt ausschließen.

Die Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit für die Gesamtbezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder auf das 20fache der untersten Lohngruppe des jeweiligen Unternehmens wirkt überhöhten Zahlungen entgegen. Damit wird zugleich eine dynamische Höchstgrenze bei der steuerlichen Absetzbarkeit gesetzt. Diese Grenze dient zudem als Ansporn für Managerinnen und Manager darüber nachzudenken, wie man die unteren Lohngruppen besser entlohnen kann.

Darüber hinaus soll die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie in den Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, für eine entsprechende Begrenzung sorgt. Eine entsprechende Umsetzung ist in einem überschaubaren Zeitrahmen über auslaufende Anstellungsverträge möglich, weil Vorstandsmitglieder für höchstens fünf Jahre bestellt werden können.

Dagegen bringen die Pläne der Bundesregierung, Managergehälter durch eine Stärkung der Rechte der Aktionäre zu begrenzen nichts. Die Aktionäre von börsennotierten Unternehmen müssen zukünftig in der Hauptversammlung, also wenn sich die Eigentümer einmal im Jahr treffen, über das System für die Vorstandsvergütungen entscheiden. Das ist eine Wahlkampfente: Die Aktionäre werden das nicht besser regeln als die Aufsichtsräte. Außerdem fühlt sich die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft eher dem Shareholder Value verpflichtet, dem unbedingten Interesse ausschließlich zugunsten der Eigentümer. In den Aufsichtsräten sitzen immerhin noch Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten, die dank der Mitbestimmung Einfluss ausüben können. Es ist und bleibt der Aufsichtsrat, der das Vergütungssystem entwirft, die Höhen festlegt und die Verträge aushandelt. Eine Ablehnung des vorgeschlagenen Vergütungssystems durch die Aktionäre käme einem Misstrauensvotum gegen den Aufsichtsrat gleich.

Meine Damen und Herren, das Thema Managergehälter hat zu Recht ein starkes Interesse bei den Wählerinnen und Wählern gefunden. Die Empörung über die riesigen Gehälter von Vorstandsvorsitzenden und Vorstandsmitgliedern großer Unternehmen rührt nicht allein von der Höhe her, sondern auch von deren Anstieg in den letzten Jahren. Jetzt beginnt der Wahlkampf und es regiert der Populismus. Schnell werden populäre Themen aufgegriffen und entgegen den eigenen Überzeugungen flotte Forderungen formuliert. Nach der Wahl wird selbstverständlich alles wieder einkassiert.

Deshalb sollten sich die Wählerinnen und Wähler nicht täuschen lassen. Auch bei diesem Thema zeigt sich wieder, wie wichtig DIE LINKE im Bundestag ist. Ob es Mindestlöhne, Vermögensteuer/Vermögensabgabe, Begrenzung von Mieterhöhungen sind: Wir setzen die sozialen Themen und Sie kopieren sie. Nicht weiter schlimm: Wichtig sind uns die Menschen im Land, für die wir eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lebenssituation erreichen wollen. Deshalb haben wir Ihnen gerne die Übernahme unserer Forderungen gestattet. Das Copyright bei den sozialen Themen behalten wir ohnehin.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.