Zum Hauptinhalt springen

Linksfraktion für ihre Opposition bestraft und aus dem Antrag herausgekickt

Rede von Sevim Dagdelen,

Mit dem heute zu behandelnden Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert alles zu tun, um die drohenden Verluste von Verfahrensrechten zu minimieren. Denn die Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen wird nichts anderes zur Folge haben. Auch die Linksfraktion unterstützt den - mittlerweile gegenstandslos gewordenen - Antrag. Entgegen der Verabredung im Europarechts-Unterausschuss wurde sie aus dem Antrag rausgedrängt und so für die„ungebührliche“ Opposition gegen die Hartz IV-„Gesetze“ und die diesbezüglichen Verschärfungen abgewatscht. Sevim Dagdelen, Mitglied im Rechtsausschuss in der Debatte für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir behandeln heute einen Vorschlag für eine Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, der eine Einbuße an elementaren Verfahrensprinzipien für grenzüberschreitende Sachverhalte mit sich bringt, sofern deren Streitwert 2000 € unterschreitet. Dieser Vorschlag ist bereits heute von den 25 Justizministern in Luxemburg beschlossen worden, ohne dass die Änderungswünsche Deutschlands Berücksichtigung fanden. Wir waren uns im Vorfeld alle darüber einig, dass wir einen solchen Rückschritt, wie ihn der jetzt Realität werdende Verzicht auf Mündlichkeit der Verhandlung, Geltung des Strengbeweises und hinreichende Rechtsmittel bedeutet, ablehnen und soweit als möglich eindämmen wollen. Deshalb sind auch alle Fraktionen darin übereingekommen, einen Antrag zu formulieren durch den die Bundesregierung aufgefordert wird, alles zu tun, um die drohenden Verluste von Verfahrensrechten zu minimieren. Ich betone alle Fraktionen, weil sich der Name meiner Fraktion nicht unter dem jetzt gegenstandslosen Antrag findet. Der Grund hierfür ist, dass wir entgegen der Verabredung im Europarechts-Unterausschuss aus dem Antrag rausgedrängt wurden. Wir wurden so für unsere „ungebührliche“ Opposition gegen die Hartz IV-„Gesetze“ und die diesbezüglichen Verschärfungen abgewatscht. Da wir uns der Sache, der rechtsprechenden Gewalt und den Betroffenen verpflichtet fühlen, hätten wir dem Antrag trotz dieses undemokratischen Gebarens zugestimmt, sehen uns jedoch jetzt um so mehr zu einigen Anmerkungen veranlasst: Realistisch gesehen, war der Antrag von Anfang an für die Katz, es war klar, dass sich unsere Forderungen angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Europäischen Union auch nicht von der Bundesregierung durchsetzen lassen würden. Deshalb ist auch keine Selbstbeweihräucherung über unsere Einigkeit und über die steigende Wehrhaftigkeit aller Fraktionen gegen Übergriffe in innerstaatliche Kompetenzen aus Brüssel angebracht. Vielmehr ist es nötig, dass die Grundrechte, insbesondere die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip in diesem Land ebenso einmütig wie staatliche Kompetenzen verteidigt werden. Doch hier zeigt sich leider die Kehrseite der viel beschworenen Einigkeit: Die Regierungsparteien und Teile der Opposition ziehen nämlich auch an einem Strang, wenn es darum geht, weite Teile der Bevölkerung in die Armut zu treiben. Dieses Tauziehen können Sie jedoch nur verlieren, meine Damen und Herren, denn am anderen Ende ihres einen Strangs stehen Millionen von Menschen, deren soziale Existenz dank Ihnen am seidenen Faden hängt und deren Solidarität immer weiter wächst. Auf Dauer werden es sich diese Menschen nicht bieten lassen, dass ihre verfassungsrechtlich verbürgte Stellung entgegen der Verpflichtung zur Gewährleistung des Existenzminimums einvernehmlich ausgehöhlt wird und Sie ihnen zusätzlich neuerdings noch eine Art Stallpflicht verordnen. Wer sich allerdings im Bundestag gegen diese soziale Ausgrenzung, diesen offenen Verfassungsbruch entschieden wehrt, wird - wie oben beschrieben - parlamentarisch ausgegrenzt. Die „Würde des Parlaments“ steht also anscheinend über derjenigen von nicht erwerbstätigen Menschen. Deshalb fordere ich die Parlamentarier zu einem Aufstand der Anständigen gegen die soziale Ausgrenzung auf: Zeigen Sie einmal dort Einmütigkeit, wo es notwendig ist und sagen Sie, die Würde von Menschen ist ein zu hoher Preis, um Fehler unserer Politik zu kaschieren. Sonst sagt es Ihnen wieder einmal das Bundesverfassungsgericht und die Tausenden, die am kommenden Samstag in Berlin am Roten Rathaus gegen ihre unsoziale Politik demonstrieren. Danke.