Zum Hauptinhalt springen

Ländliche Entwicklung zur Priorität erklären

Rede von Hüseyin Aydin,

Schutzschirm für die Länder des Südens jetzt!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn ich mir den Antrag der Regierungskoalition zur ländlichen Entwicklung in den Entwicklungsländern anschaue, darf ich zunächst erfreut feststellen, dass die Argumente und die Initiativen, die die Linke zu diesem Thema seit Jahren vorbringt, zumindest zum Teil endlich auch bei Ihnen angekommen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Bemerkenswert finde ich vor allem Ihre Erkenntnis, dass die - ich zitiere aus dem Antrag - „vorschnelle Handelsliberalisierung ohne Schutzmöglichkeiten und angemessene Übergangsfristen für heimische Produzenten … zur Verarmung breiter Bevölkerungsschichten“ beigetragen hat. Guten Morgen! Auch Sie haben es endlich begriffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen uns allerdings fragen: Warum fordern die Abgeordneten von SPD und CDU dann die Bundesregierung nicht auf, die Überschwemmung der Märkte der armen Länder durch EU-Billigprodukte zu stoppen?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses im ostafrikanischen Regionalparlament, Frau Kimura, hat uns gestern im Ausschussgespräch noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen: Die sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten werden in ihrer jetzigen Form zur Deindustrialisierung und zum Bankrott der Landwirtschaft führen, weil sie einseitig die EU-Interessen bedienen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Ratifizierung muss ausgesetzt werden. Das wäre eine angemessene Konsequenz.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Aydin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Raabe?

Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE):
Aber selbstverständlich.

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Herr Kollege Aydin, nachdem Sie - wie der Kollege Addicks - festgestellt haben, dass der Antrag eigentlich nur vernünftige Punkte enthält, die auch Sie - angeblich - schon gefordert hatten, bekommen wir nachher eine ganz tolle Abstimmung hin, bei der auch die Linkspartei und die FDP uns zustimmen. Nur: Sie sagten, dass wir in unserem Antrag die Bundesregierung nicht auffordern, dafür zu sorgen, dass die Entwicklungsländer nicht mit subventionierten Produkten überschwemmt werden. Ich zitiere aus unserem Antrag:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … sich weiter für eine Abschaffung von marktverzerrenden Agrarsubventionen in den Industrieländern einzusetzen, damit die Produzenten in den Entwicklungsländern nicht weiter durch Agrardumping geschädigt werden …
Jetzt sehen Sie: Auch diese Forderung ist in unserem Antrag enthalten - Sie haben sie vielleicht überlesen -; jetzt können Sie mit gutem Gewissen zustimmen.

(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Wodarg [SPD])

Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE):
Lieber Kollege Raabe, ich habe es im Antrag gelesen, und ich habe mir auch Ihre Rede sehr aufmerksam angehört. Ich nehme erfreut zur Kenntnis: Viele der Positionen, die Sie heute vertreten, waren schon von Beginn an die Position von Hüseyin Aydin und Heike Hänsel im Ausschuss.

(Dr. h. c. Gerd Andres [SPD]: Donnerwetter!)

Deshalb freut es mich, dass auch Sie mittlerweile diese Position vertreten. Allerdings: Die EU-Exportsubventionen gelten nach wie vor. Sie sind noch nicht gestoppt. Wir sind mittlerweile seit vier Jahren in diesem Parlament, und seit vier Jahren setzen wir uns damit auseinander. Sie haben als Regierungskoalition bis heute versagt, wenn es darum geht, die Bundesregierung unter Druck zu setzen, damit sie sich auf der EU-Ebene endlich für die Abschaffung der Subventionen einsetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Trotz einiger zutreffender Punkte können wir dem Antrag der Koalition nicht zustimmen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Mit keinem Wort wird der Anteil der Nahrungsmittelspekulation an den Preissteigerungen benannt. Auch die falschen Versprechungen der Gentechnik und der industriellen Landwirtschaft tauchen auf den zwölf Seiten nicht auf. Zwar fordern Sie die Abschaffung der Agrarexportsubventionen - ich will noch einmal darauf eingehen -, aber Mitte des vergangenen Jahres lehnten Sie einen Antrag der Grünen auf Verbot der Schweinefleischsubventionen ab. Wenn es ernst wird, dann kneifen Sie.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Antrag der Grünen hingegen enthält viele Forderungen, denen wir uns anschließen können. Seine Orientierung auf die Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft geht in die richtige Richtung. Die konsequente Ablehnung der Gentechnik unterstützen wir. Enttäuschend ist allerdings, dass sich die Verfasser nicht auf ein Verbot der Nahrungsmittelspekulation festlegen wollen. Regulation ist hier zu wenig, Kollegen von den Grünen. Wir fordern den sofortigen Stopp der Zockerei auf lebensnotwendige Rohstoffe. Dennoch werden wir dem Antrag zustimmen.
Lassen Sie mich auf zwei Punkte eingehen, die mir besonders wichtig sind: Erstens. Die Interessenvertretungen unter der Landbevölkerung müssen stärker gefördert werden. Wir wollen die Genossenschaften und Organisationen der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, der Landlosen und der Farmarbeiter stärken. Nur so haben sie eine Chance, bei der nationalen Entwicklungsplanung ihre Interessen durchzusetzen und Einfluss auf die ländliche Entwicklung zu nehmen.
Solche Vereinigungen könnten zweitens dazu beitragen, dringend notwendige Landreformen voranzutreiben. Die Ärmsten müssen Zugang zu Agrarflächen und Wasser erhalten. Ich warne davor, Land zu einer handelbaren Ware zu machen. Kollege Raabe, aber auch Kollege Bauer haben bereits darauf hingewiesen.

Mit Sorge nehmen wir die umfangreichen Landkäufe oder auch Verpachtungen in Ländern wie dem Sudan, Madagaskar, Uganda, Mali, Brasilien oder Indonesien zur Kenntnis.
Vor allem die Erdöl produzierenden arabischen Staaten, aber auch europäische und asiatische Konzerne wollen auf den fruchtbaren Flächen Nahrungsmittel bzw. Energiepflanzen anbauen, um ihren eigenen Bedarf abzudecken. Diese Landnahmen erinnern den Generaldirektor der FAO, Herrn Diouf, an - ich zitiere ihn - „neokoloniale Zustände“. Sie untergraben das Ziel der Ernährungssouveränität. Die Eigenversorgung mit Grundnahrungsmitteln durch eine sozial und ökologisch verträgliche Landwirtschaft muss aber zur entwicklungspolitischen Priorität werden. Die jetzt wieder aufgenommenen Exportsubventionen durch die EU hingegen stehen für einen Handelskrieg. Dieser Handelskrieg kann von den Bäuerinnen und Bauern in den Entwicklungsländern nur verloren werden.

Wir fordern gerechte Handelsstrukturen und ein Ende der Marktöffnung zugunsten der Konzerne in den Industriestaaten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern außerdem eine kräftige Erhöhung der Mittel für die internationale Entwicklungszusammenarbeit. Es ist höchste Zeit, für die Länder des Südens einen Schutzschirm aufzuspannen, der die Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise mildert; denn für die Menschen dort geht es schließlich um Leben und Tod.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)