Zum Hauptinhalt springen

Kooperation der Europäischen Union mit Russland stärken

Rede von Alexander Ulrich,

Donnerstag, 06.03.2008

 

TOP 18

Rede zu Protokoll

 

Beratung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Frau Präsidentin,

Sehr geehrte Damen und Herren,

„eine gerechte, gesamteuropäische Friedensordnung vom Atlantik bis nach Wladiwostok, jetzt sollte es endlich Wirklichkeit werden!“ Dieser kluge Satz stammt nicht von Willy Brandt, er ist auch nicht eine Losung der Friedensbewegung, dieser Satz stammt von Bundesaußenminister Steinmeier.

Sollte die deutsche Außenpolitik sich auf den Weg zu einer europäischen Ostpolitik begeben, würde Die Linke. sich in Zukunft auf Herrn Steinmeier beziehen, so wie sich die Linke. auf Willy Brandt bezieht.

Mein Kollege Wolfgang Gehrcke hat im Namen meiner Fraktion bereits eine Neuauflage der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im Rahmen der OSZE gefordert. Wir müssen endlich wieder über Abrüstung auf unserem Kontinent reden.

Ich habe die Rede des Außenministers vor der Willy-Brandt-Stiftung aufmerksam gelesen. Leider habe ich eine bedeutende Aussage des großen Sozialdemokraten Brandt vermisst: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“. Warum zitiert er diesen Satz nicht?

Der Außenminister bezieht sich auf die KSZE und die Charta von Paris. Der KSZE-Vertrag duldet Grenzveränderungen in Europa nur im gegenseitigen Einvernehmen. Warum verletzt die Bundesregierung mit der Anerkennung des Kosovo diesen Vertrag so eklatant?

Wer diese Fragen nicht beantworten möchte, der wird Russland nicht verstehen. Ich meine das Verständnis Russlands ist im Interesse Europas, so wie ein guter Schachspieler seinen Gegenüber verstehen muss, um seinen nächsten Zug zu planen. Der Antrag der Grünen genügt weder diesem noch Steinmeiers Anspruch:

An keiner Stelle gestehen sie Russland berechtigte Sorgen über seine Sicherheitsinteressen zu. Die Ausdehnung der NATO an Russlands Grenzen im Westen und zunehmend im Süden wird nicht erwähnt. Die NATO-Avancen der USA gegenüber Georgien, Aserbeidschan und Armenien werden ignoriert. Sie ignorieren damit aber nicht nur Russland, sondern gefährden eine gesamteuropäische Friedensordnung.

Serbien verfügt über eine demokratische Regierung und war bereit dem Kosovo Autonomie zu geben. Russland musste bereits einmal gegen Ende des Jugoslawien-Krieges den Abwasch für die NATO erledigen. Die Bundesregierung aber wollte die große jugoslawische Tragödie mit der einseitigen Anerkennung fortsetzen. Der spanische Außenminister verglich dies mit dem Irakkrieg. In der Tat, ohne das Kosovo hätte es den Irakkrieg so nicht gegeben. Russland hat in beiden Konflikten eine vorbildliche Rolle eingenommen, weil es seit dem Ende des Kalten Krieges gelernt hat, dass sich Hochmut gegenüber dem Völkerrecht eines Tages rächen wird.

Der Versuch der USA, Europa über das Raketenabwehrsystem zu spalten. Ich habe ihn in ihrem Antrag nicht gefunden. Die Kritik an der NATO, dass der KSE-Vertrag bislang nicht ratifiziert wurde. Ich habe erfolglos gesucht.

Lassen sie mich auch noch ein paar Worte zur Energieaussenpolitik verlieren:

Meine Fraktion steht für die Energiewende statt heißer Kriege. Wir müssen gewaltige Investitionen in neue Energien mobilisieren. Es gibt aber eine große Verwirrung: Europa ist darauf angewiesen, dass Russland in seine Energieinfrastruktur investiert. Sie wünschen sich eine engere Zusammenarbeit bei der Energiepolitik. Für beides brauchen Sie einen staatlichen Ansprechpartner. Gleichzeitig fordern Sie unablässig die Privatisierung des Zugangs zum Energiesektor. Wie möchten Sie den Russland zur Kooperation bewegen, wenn Ihr Ansprechpartner nicht mehr Medwedjew sondern Roman Abramowitsch heißt? Sie sehen doch wohin private Energiekartelle in Europa führen. Wir brauchen stattdessen einen multilateralen Energiedialog.

Die Russen haben Dimitri Medwedjew zum Präsidenten bestimmt. Der politische Wettbewerb in Russland war eingeschränkt. Wir alle wünschen uns, dass dies in Zukunft anders wird. Es gibt trotz unserer Sorge an der Fairness der russischen Wahlen aber keinen Zweifel, dass die große Mehrheit der Russen Kontinuität wünscht.

Wir stellen große Erwartungen an den Präsidenten, insbesondere was die Unabhängigkeit der Justiz anbelangt. Wir verurteilen die Einschränkung der Pressefreiheit, ob durch staatliche Organe, wie in Russland, oder wirtschaftliche Macht, wie in den USA oder Europa. Demokraten sind immer absolut, oder sie sind nicht. Unsere Stimme hätte daher größeres Gewicht in Russland, wenn wir nicht nur die Worte Willy Brandts sondern die des Bundespräsidenten Gustav Heinemann beherzigen würden: Wer immer nur mit dem Finger auf andere zeigt, auf den zeigen drei Finger zurück.

Vielen Dank!