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Kompetenzstreit der Bundesregierung bei der Sicherung des Schiffsverkehrs vor Somalia

Rede von Norman Paech,


Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe lange darüber gegrübelt, was dieser verschrobene, ursprünglich vorgesehene Titel der Aktuellen Stunde bedeuten soll: „Kompetenzstreit aus mangelnder Verantwortung der Bundesregierung bei der Sicherung des Schiffsverkehrs vor Somalia“. jetzt ist er etwas verschlankt worden.

Schließlich habe ich mir gesagt: So kann man nur reden, das kann doch nur ein Ausdruck totaler Frustration über das sein, was bei der Piratenjagd alles fehlläuft, und darüber, dass man überhaupt nicht weiß, wie es weiterlaufen soll.

In der Tat, die Bilanz ist wirklich kümmerlich. Nicht nur, dass die Befreiung der Besatzung der „ Hansa Stavanger“ - zum Glück, muss man sagen - abgesagt werden musste, bevor die GSG9 zum Einsatz kam. Übrigens sagen Sie, Herr Schäuble, den Bürgerinnen und Bürgern doch auch einmal, wie viel dieses schlecht geplante Abenteuer gekostet hat. Demnächst - wahrscheinlich schon bald, wie Herr Uhl meint - wollen sie sich auch noch einen eigenen Hubschrauberträger leisten, um von den USA ganz unabhängig zu werden und so etwas selber machen zu können.

Viel schlimmer ist: Seitdem die Kriegsmarine sich vor dem Horn von Afrika tummelt, haben auch die Piraten aufgerüstet und ihre Angriffe um 20 Prozent gesteigert. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Angriffe im ersten Quartal 2009 sogar verdoppelt und die Lösegelder wahrscheinlich vervielfacht. Das Fazit kann doch nur lauten: Diese Militärmission ist gescheitert. Und jetzt ist guter Rat teuer.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur einer hat offensichtlich einen Plan, unser Innenminister, der hartnäckig am Grundgesetz gräbt. Jeder hat seine eigene Art, Jubiläen zu feiern und Herr Schäuble will offensichtlich den 60. Jahrestag des Grundgesetzes mit einem Piratenartikel krönen. Die SPD hat schon kategorisch ihre Ablehnung signalisiert und dafür ist sie zu loben. Insofern bräuchte man kein Wort mehr darüber zu verlieren. Aber wer weiß schon, was die SPD in der nächsten großen Koalition sagen wird? Deshalb doch eine kurze Anmerkung.

Herr Schäuble und die CDU möchten mit der Grundgesetzänderung zwei lang gehegte Träume auf einen Streich wahr machen: endgültig die Trennung von Polizei und Militär aufheben, um sie je nach Belieben und ohne Bundestagsmandat einsetzen zu können, und zweitens den Einsatz der Bundeswehr im Innern ermöglichen. Ich sage Ihnen: Das werden wir nicht mitmachen, und ich hoffe, die jetzige diesbezügliche Mehrheit in diesem Plenum, die das nicht mitmacht, wird noch lange erhalten bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen ehrlich sein: Die Piratenbekämpfung ist in diesen Plänen nur ein Vorwand. Sie wird nicht nur missbraucht

* um die strikte Trennung von Polizei- und Militäraufgaben aufzuheben,
* und schließlich den Einsatz der Bundeswehr im Innern vorzubereiten.

Sie wird auch missbraucht - und da sitzt die SPD mit im Boot -

* um den Einsatz der Bundeswehr zum Schutz strategischer Seetransporte zu legitimieren und
* um eine weitere massive Aufrüstung der Bundeswehr zu rechtfertigen.

Nur eines ist ihnen offensichtlich vollkommen aus den Augen geraten: nämlich die Piraterie bei der Wurzel zu packen.

Sie haben vom Aufbau und der Stabilisierung - ich erinnere an die letzte Debatte - der staatlichen Strukturen in Somalia geredet aber nichts konkret unternommen.

Sie haben die Autoritäten von Somaliland und Puntland, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Piraterie haben, überhaupt nicht in Ihre Überlegungen eingebunden.

Was haben sie für die Beendigung der Anti-Terror-Angriffe der USA auf Somalia und zur Durchsetzung des Waffenembargos der UNO? Nichts!

Den Vorschlag einer internationalen, zeitlich begrenzten Küstenwache unter Führung der UNO und der AU haben sie nicht einmal aufgegriffen.

Und was hat die EU gegen den illegalen Fischfang und die Müllverklappung vor der Küste Somalias getan, die den Fischern die Existenz geraubt haben, sodass sie vom Fischfang zum Schiffsfang übergehen mussten? Gar nichts!

Es sind ja nicht nur koreanische oder japanische Fischfangflotten, die dort räubern, sondern auch Europäer unter den Billigflaggen Kambodschas und Panamas. Wieso setzen Sie sich nicht gegen diese Art der Piraterie ein, die die Lebensgrundlagen der Küstenbevölkerung zerstört hat? Geben sie den Fischern ihre Fanggründe zurück! Damit würden Sie sehr viel mehr gegen die Piraterie machen, als mit ihren Fregatten und der GSG9.

Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)