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Kollaps der Ziviljustiz abwenden - Prozessrechte bewahren!

Rede von Clara Bünger,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit ihrem Antrag greift die Union ein altbekanntes Problem auf. Da stimmen auch wir Ihnen in der Tat zu: Die Justiz in Deutschland ist überlastet.

Zivil- und Arbeitsgerichte, aber auch Strafgerichte sind besonders betroffen. Die Bearbeitung zivilgerichtlicher Massenverfahren, vor allem Klagen wegen Wirecard und des Dieselskandals, stellen derzeit die Beschäftigten in den Gerichten vor große Herausforderungen. – Es wäre gut, wenn Sie zuhören würden, Herr Steffen. Ich habe auch gute Anmerkungen.

(Beifall bei der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Das glaube ich nicht! – Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ich höre Ihnen zu!)

Wir sind uns mit der Union zumindest darüber einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Ihre teilweise einseitigen Antworten auf das Problem teilen wir eindeutig nicht. Stattdessen fordern wir seit Jahren eine bessere Ausstattung der Justiz. Statt des Kaputtsparens braucht es genug Mitarbeiter/-innen. Ein guter Rechtsstaat braucht gutes und ausreichendes Personal.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Arbeitsfähigkeit der Gerichte muss sichergestellt werden, damit Rechtsschutzsuchende das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Justiz nicht verlieren. Das sollte ein Interesse aller hier in diesem Parlament sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die von der Union vorgebrachten Vorschläge können wir aber nicht wirklich mittragen. Den Eingriff in das Gebührenrecht der Anwaltschaft etwa lehnen wir kategorisch ab.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Katrin Helling-Plahr [FDP])

Statt am Zivilprozess herumzuschrauben und Verfahrensrechte bzw. Prozessrechte zu beschränken, sollte, wie gesagt, in erster Linie das Personal aufgestockt werden. Das ist aus unserer Sicht nämlich ein entscheidender erster und wichtiger Schritt.

Die Möglichkeit etwa – da wird es jetzt kritisch – auch ohne Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, wie die CDU/CSU es in ihrem Antrag fordert, halten wir für sehr bedenklich. Auch wenn Prozesskosten gespart werden und die Ressourcen der Instanzgerichte geschont werden können, kann dies nicht auf Kosten der Rechtsschutzsuchenden passieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihnen wird damit nämlich die Möglichkeit des mündlichen Vorbringens verwehrt, und – Herr Steffen hat es gesagt – das ist die Maxime im Zivilprozess. Diese darf auf keinen Fall aufgegeben werden. Das ist auch einer der Gründe, weshalb wir Ihren Antrag ablehnen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Unklar ist zudem, was bei Ihnen unter „Hilfsspruchskörper“ zu verstehen ist. Welche Voraussetzungen knüpfen Sie an diesen Spruchkörper? Und wie es schon von Herrn Karaahmetoğlu gesagt wurde: Was bedeutet bei Ihnen „Massenverfahren“?

Ein beachtliches Problem ist außerdem der immer mehr zu verzeichnende fehlende Nachwuchs in der Justiz. Es müssen dringend Anreize geschaffen werden – das sage ich auch in Richtung der Ampel –, dass angehende Juristinnen und Juristen in den öffentlichen Dienst statt in die freie Wirtschaft gehen,

(Stephan Brandner [AfD]: Können Sie in Thüringen ja machen!)

sprich: bessere Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen. Davon hat die AfD keine Ahnung.

(Beifall bei der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Sie regieren doch in Thüringen seit acht Jahren!)

Wer dauerhaft mit Akten überschüttet wird, der ist doch nicht motiviert, sein Amt wirklich auszuüben. Deshalb sagen wir: Es müssen auf jeden Fall die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Wir erachten aber auch einen Einsatz künstlicher Intelligenz für sinnvoll. Da stimmen wir der CDU/CSU jedenfalls zu. Die Digitalisierung bietet der Justiz ein erhebliches Potenzial, die Bearbeitung von Massenverfahren zu erleichtern.

Das wäre auch mein Abschluss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)