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„Keine Hermes-Bürgschaft für das Ilisu-Staudammprojekt“

Rede von Hüseyin Aydin,

Rede vor dem Plenum des Deutschen Bundestages am 8. März 2007 zur Vergabe einer Hermes-Bürgschaft für das Ilisu-Staudamm-Projekt in der Türkei (TOP 19), Bezug nehmend auf den Antrag der Linken („Keine Hermes-Bürgschaft für das Ilisu-Staudammprojekt“, Drs. 16/2995) und den Antrag der Grünen („Keine Hermes-Bürgschaft für den Ilisu-Staudamm in der Türkei“, Drs. 16/2626) wurde zu Protokoll gegeben.

„Meine Damen und Herren,

in der Entwicklungszusammenarbeit fordert die Bundesregierung von anderen Staaten Transparenz. Sie fordert die soziale und ökologische Nachhaltigkeit der beantragten Projekte. Das nennt sie „gute Regierungsführung“.
Leider scheint dieses Prinzip immer nur für andere zu gelten.
In einer Antwort auf unsere Kleine Anfrage vom Juni 2006 verweigerte die Bundesregierung jegliche Auskunft über den Entscheidungsfindungsprozess über die Bewilligung einer Hermes-Bürgschaft zum Ilisu-Staudamm. Alles sei noch in der Prüfung, so hieß es. Doch vor Abschluss der Prüfungen erfuhren wir dann aus der Presse, dass die türkische Regierung im August 2006 mit dem Bau begonnen hatte.
Gestern habe ich die Regierung gefragt - konkreter geht es nicht - ob heute im zuständigen Interministeriellen Ausschuss eine Entscheidung gefällt würde. Erneut bekam ich keinerlei Auskunft. So bin ich als Obmann im entwicklungspolitischen Ausschuss in diese Plenarsitzung hinein gegangen, ohne die offizielle Haltung der Bundesregierung in Erfahrung bringen zu können.
Das nenne ich mangelnde Transparenz. Oder schlicht: „schlechte Regierungsführung“.
Diese Politik des Verschweigens und Vertuschens hat einen Grund. Denn das Projekt selbst ist alles andere als ökologisch oder sozial nachhaltig. Der geplante Ilisu-Staudamm ist ein Umweltkiller. Experten sagen ein Fischsterben, die Zerstörung des Lebensraums bedrohter Tierarten und eine Zunahme von Malaria voraus.
Der Staudamm ist ein Kulturkiller. Er wird Hasankeyf überfluten und damit ein Jahrtausende altes Kulturdenkmal zerstören. Schließlich werden über 50.000 Menschen zwangsumgesiedelt werden.
Gegen diese Proteste haben sich Tausende Bewohner der Region gewehrt. Der Bürgermeister von Hasankeyf hat öffentlich Nein gesagt. Sie wissen warum. Denn auch die anderen Staudammprojekte im Rahmen des „Großanatolienprojektes“ GAP haben der lokalen Bevölkerung massive Verschlechterungen gebracht. Denken wir nur an den Birecik-Staudamm, für den 30.000 Menschen zwangsumgesiedelt wurden. Statt der von der türkischen Regierung versprochenen Wohlstandsmehrung wurden vielen Fischern und Bauern durch das Absterben von Fischpopulationen und das Einsetzen einer Bodenversalzung die Existenzgrundlagen genommen. Als Folge wuchs Diyarbakir in Kürze zu einer Millionenstadt heran, in der viele der Zwangsumgesiedelten ohne jede Perspektive gestrandet sind.
Kein Wunder, dass in der Türkei nun in der Presse darüber spekuliert wird, ob zum Schutz der Bauarbeiten am Ilisu-Staudamm 5000 Soldaten eingesetzt werden müssen.

Meine Damen und Herren,
ein solches Wahnsinnsprojekt darf nicht durch eine Hermes-Bürgschaft unterstützt werden! Die Bundesregierung würde sich - wie bereits im Fall des berüchtigten Drei-Schluchten-Staudamms in China - mitschuldig machen gegenüber den Opfern einer menschenverachtenden Energiepolitik. Und wofür das alles? Für ein Milliardengeschäft zum Nutzen von Großkonzernen wie die deutsche Züblin AG.
DIE LINKE sagt: Die Lebensgrundlagen zehntausender Menschen sind wichtiger als ihre Profite.
Es heißt, die türkische Regierung habe jetzt ein „Ultimatum“ gestellt. Die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz hätten sich bis Ende März für die beantragte Exportkreditversicherung des Projektes in Höhe von 100 Millionen Euro zu entscheiden, sonst wird neu ausgeschrieben.
Na und? Die türkische Regierung beweist damit lediglich, dass der Erpressungsversuch durch den vorgezogenen Baubeginn im Sommer 2006 nicht funktioniert hat. Tatsächlich nimmt aufgrund der immensen Kosten des Ilisu-Staudammprojektes die Frage der Absicherung durch Exportkreditversicherungen eine zentrale Bedeutung ein. Bereits 2002 scheiterte der Bau des Staudamms an den finanziellen Risiken. Das kann sich heute wiederholen, wenn die Bundesregierung ihrer internationalen Verantwortung gerecht wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.