Freiheit bedeutet nicht die Freiheit, andere zu diskriminieren. Diskriminierungsverbote werden Optionen gesellschaftlicher Teilhabe erweitern. Ein umfassendes Benachteilungsverbot zielt nämlich gerade darauf, die Vertragsfreiheit auch für diejenigen zu gewährleisten, die bisher durch Diskriminierung von ihr ausgeschlossen blieben. Die heftigen Reaktionen aus Teilen der Wirtschaft lassen eher darauf schließen, dass in diesem Bereich in erheblichem Umfang Diskriminierungen stattfinden.Sevim Dagdelen in der Debatte zum Antidiskriminierungsgesetz:
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was die große Koalition derzeit zu einem Antidiskriminierungsgesetz zusammenbastelt, lässt meines Erachtens nichts Gutes erwarten. Es ist durchgesickert, dass Menschen mit Behinderungen eventuell doch in den Diskriminierungsschutz im Zivilrecht aufgenommen werden. Auf der Strecke bleiben dagegen Schwule und Lesben, Alte und Angehörige religiöser Minderheiten, die beim Zugang zu öffentlich verfügbaren Gütern und Dienstleistungen auch weiterhin nicht vor Diskriminierung geschützt werden sollen. Deswegen begrüßt die Bundestagsfraktion Die Linke ausdrücklich den vorliegenden Antrag des Bündnisses 90/ Die Grünen. Ein Antidiskriminierungsgesetz, das gleichzeitig benachteiligte Gruppen ausgrenzt, verdient seinen Namen nämlich nicht. (Beifall bei der LINKEN) Wir dürfen nicht zulassen, dass eine Hierarchie von Diskriminierungen gesetzlich festgeschrieben wird. Warum soll ein Schwarzer, der bei der Vergabe einer Wohnung diskriminiert wird, gegen den Vermieter klagen können, eine Muslimin, die, weil sie ein Kopftuch trägt, diese Wohnung ebenfalls nicht bekommt, dagegen nicht? Aus sachlichen Gründen ist der Einschluss aller genannten Merkmale nach Art. 13 EG-Vertrag in den Diskriminierungsschutz zwingend erforderlich. Schwule Männer erhalten oft - wie auch mein Kollege Beck kurz deutlich gemacht hat - pauschal und ohne Begründung keine Lebens- und Krankenversicherung. Älteren Menschen wird der Dispo ihres Girokontos mit dem Hinweis auf ihr Lebensalter gekündigt. Dagegen sind die vermeintlich berechtigten inhaltlichen Einwände, die gegen einen breiten Diskriminierungsschutz angeführt werden, nicht haltbar, Herr Gehb. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Was?) Natürlich ist es nicht die Aufgabe des Staates, per Gesetz die Einstellungen der Menschen zu verändern. Aber hier handelt es sich um die Regelung und Bewertung äußerlich sichtbaren Verhaltens. Der Staat ist im Rahmen seiner Schutzpflicht nach Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz verpflichtet, benachteiligte Gruppen auch vor Diskriminierung durch Privatpersonen zu schützen. Dabei ist das Recht zwar nicht das einzige Mittel, aber - das wird auch oft bei anderen Themenkomplexen angeführt - ein unverzichtbares. (Unruhe bei der CDU/CSU) - Können Sie bitte etwas ruhiger sein und sich nach draußen begeben, wenn Sie Ihre Gespräche fortführen wollen? (Beifall bei der LINKEN - Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind immer so laut!) Für ebenfalls nicht überzeugend halte ich die vielstimmige Klage über angeblich übertriebene Schutzvorstellungen, die die Privatautonomie und die allgemeine Handlungsfreiheit einschränken. Freiheit bedeutet eben nicht die Freiheit, andere zu diskriminieren. Diskriminierungsverbote werden Optionen gesellschaftlicher Teilhabe erweitern. Ein umfassendes Benachteilungsverbot zielt nämlich gerade darauf, die Vertragsfreiheit auch für diejenigen zu gewährleisten, die bisher durch Diskriminierung von ihr ausgeschlossen blieben. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Die heftigen Reaktionen aus Teilen der Wirtschaft lassen eher darauf schließen, dass in diesem Bereich in erheblichem Umfang Diskriminierungen stattfinden. Der breite Diskriminierungsschutz des ehemals rot-grünen Gesetzentwurfs ist also zwingend beizubehalten. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, fordere ich auf, bei Ihrem früheren politischen Vorhaben etwas mehr Standhaftigkeit zu zeigen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) Kritisch anmerken muss ich an dieser Stelle aber, dass der Begriff der Rasse in einem Antidiskriminierungsgesetz nichts zu suchen hat. Dieser Begriff ist Teil des Rassismus, weil er suggeriert, es gäbe unterschiedliche Menschenrassen. Wir plädieren in unserem Antrag dafür, diesen Begriff durch die Diskriminierungsmerkmale Nationalität, Hautfarbe, Sprache und Staatsangehörigkeit zu ersetzen. (Beifall bei der LINKEN) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Union, in Baden-Württemberg stellt die CDU mit dem Gesinnungstest alle Muslime unter den Generalverdacht, eine homophobe Gesinnung zu haben. (Widerspruch bei der CDU/CSU) Ihre Weigerung, diese Gruppe aufzunehmen, offenbart, dass Sie eigentlich diejenigen sind, die ein gestörtes Verhältnis zu Schwulen und Lesben haben. (Beifall bei der LINKEN) Aber Gleichbehandlung ist unseres Erachtens nicht teilbar. Die Bundestagsfraktion Die Linke wird beim Antidiskriminierungsgesetz keine faulen Kompromisse akzeptieren. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte uns auch gewundert!) Lassen wir es nicht zu, und zwar gemeinsam, Herr Wieland, dass mit einer Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinien einem umfassend ausgestalteten Diskriminierungsschutz die rote Karte gezeigt wird. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Keine faulen Kompromisse beim Antidiskriminierungsgesetz
Rede
von
Sevim Dagdelen,