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Jan Korte: Zeit für einen Demokratie-Turbo im Parlament

Rede von Jan Korte,

Sehr geehrter Herr Alterspräsident Dr. Schäuble! Also, Herr Brandner, gleich in der ersten Sitzung die braune Widerlichkeitsskala in solche Höhen zu treiben,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Jetzt kommt die rote Widerlichkeit! Das ist noch schlimmer!)

das ist immerhin respektvoll.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dass ausgerechnet Sie Willy Brandt zitieren, der gegen die Nazis gekämpft hat, der niedergekniet ist vor den Opfern des Aufstandes im Warschauer Ghetto, dass ausgerechnet Sie, die in der Tradition der Nazis stehen,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Und Sie in der Tradition von Ulbricht!)

das hier anbringen, ist abartig, um das in aller Klarheit zu sagen. Abartig und ekelerregend!

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Kleinwächter [AfD]: Sie hätten aus dem Parlament raus gehört! – Weitere Zurufe von der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren von der AfD,

(Zurufe von der AfD)

wenn ich mir die politische Lage angucke, dann finde ich zurzeit besonders wichtig: Wie entwickelt sich Corona? Ich finde es wichtig, darüber zu diskutieren, wie wir Kinderarmut bekämpfen können. Und ich mache mir große Sorgen, dass sich hier eine Koalition anbahnt, in der das Soziale hinten runterfallen wird, weil die stabil marktradikale FDP dafür schon sorgen wird.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP – Christian Lindner [FDP]: Das werden wir jetzt die nächsten vier Jahre hören!)

Das ist etwas, was mich und viele Menschen bewegt.

Was ist der AfD wichtig? Der AfD ist wichtig: die Verunglimpfung von geschlechtergerechter Sprache. Das einzig Sinnvolle an Ihrem Änderungsantrag ist, dass man sehen kann, wie parlamentarisch verblödet Sie eigentlich sind. Ich will Ihnen mal was sagen: Wir können an Ihrem Änderungsantrag – das ist das einzig Gute – sehr gut erkennen, dass Sie offenbar in vier Jahren Bundestag nicht einmal einen Gesetzestext gelesen haben. Da gibt es kein Binnen-I, keine Doppelpunkte und keine Gendersternchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist so absurd, was Sie hier beantragen, weil es das gar nicht gibt in den Gesetzestexten. Also: Völlig für den Papierkorb, was Sie hier vorgelegt haben!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Fraktion wird die Vorlage der sozialdemokratischen Fraktion unterstützen; denn ich halte diese Geschäftsordnung für eine gute Grundlage, auf der wir hier miteinander streiten und diskutieren können. Es findet unsere Zustimmung. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass die Geschäftsordnung so bleibt, wie sie jetzt ist, sondern sie muss generalüberholt werden. Dazu will ich auch einige Vorschläge machen; sie sind gar nicht alle explizit von mir. Ich habe mir noch mal die Reden zum Beginn der letzten Wahlperiode vom Kollegen Buschmann, der Kollegin Haßelmann und vom Kollegen Schneider durchgelesen. Das sind ja sehr, sehr gute Vorschläge gewesen. Carsten, die guten Vorschläge scheiterten ja immer an der CDU/CSU. Das können wir jetzt ändern, und deswegen werden wir natürlich auch alle eure Vorschläge hier einbringen.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das machen wir schon selber!)

Und dann ist ja auch eine Mehrheit kein Problem, worüber ich mich sehr freue.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich halte es für zentral, dass wir endlich dazu kommen, Ausschusssitzungen öffentlich zu machen. Ich finde, wir müssen das parlamentarische Fragerecht dringend stärken und ausbauen. Ich finde, wir müssen darüber diskutieren, wie wir die Möglichkeit von Großverdienern, durch Parteispenden Einfluss hier auf den Laden zu nehmen, endlich begrenzen können. Das ist eine zentrale Frage für die Glaubwürdigkeit der Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube darüber hinaus – das ist jetzt bitter für die FDP –, dass wir endlich Großspenden von Unternehmen verbieten müssen. Denn Politik darf nicht käuflich sein. Da müssen Sie anders an Geld rankommen.

(Beifall bei der LINKEN)

So geht es auf jeden Fall nicht.

Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen, über den wir hier wirklich nachdenken müssen. Wenn Sie sich mal die Wahlbeteiligung angucken, kann man erkennen: Es ist eine soziale Frage. Wenn ich mir den Wahlkreis Starnberg angucke, sehe ich, dass wir dort eine Wahlbeteiligung von 80 Prozent haben. Bei mir in Sachsen-Anhalt, im Wahlkreis Anhalt, sind es gerade mal 65 Prozent.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Dann musst du mal bessere Werbung machen!)

Das heißt also, diejenigen, die das höchste Pro-Kopf-Einkommen haben, nehmen überproportional ihre demokratischen Rechte wahr, und damit haben wir ein Ungleichgewicht in der parlamentarischen Demokratie. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir auch für Leute, diese zum Teil 35 Prozent, die nicht mehr an Wahlen teilnehmen, die sich abgemeldet haben, die Parlamente und das Parlamentsgeschehen so attraktiv machen können, dass sie sich angesprochen fühlen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Enrico Komning [AfD]: Durch Sie passiert das bestimmt nicht!)

Last, but not least: Ich glaube, dass wir bei der Kontrolle und der Begrenzung des Lobbyismus jetzt wirklich weiterkommen können, liebe Freunde von der SPD; denn die Halbtagslobbyisten der CDU/CSU sitzen ja – das ist das einzig Erfreuliche für meine Partei, kann man so sagen – jetzt in der Opposition.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Es scheint Ihnen sehr schlecht zu gehen!)

Sie sind jetzt kein Hinderungsgrund mehr. Deswegen glaube ich, dass wir für die Vorschläge der FDP, der Grünen und der SPD – die Linke ist immer für große Reformen zu haben –, die ich in der nächsten Woche einbringen werde und die zum Teil wortgleich von den Grünen und der FDP kommen, hier eine übergroße Mehrheit haben werden, und darüber freuen wir uns.

Alles Gute für die weitere Debatte!

(Beifall bei der LINKEN)