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Investitionen, die uns voranbringen, statt immer mehr für Aufrüstung!

Rede von Gregor Gysi,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Union hat recht. Die Regierung hat bisher keine Nationale Sicherheitsstrategie erarbeitet. Die Union hat es aber früher auch gar nicht versprochen, Sie schon. Und auch der Sicherheitsrat ist noch nicht gebildet worden. Allerdings habe ich meine Zweifel, ob wir den Rat wirklich benötigen – aber egal.

Der Konflikt zwischen SPD und Grünen bezieht sich ja auf China. Deshalb gibt es einen Streit, wo der Sicherheitsrat hingehört: entweder zur Außenministerin oder zum Kanzleramt, also zu Wolfgang Schmidt und damit natürlich auch zu Olaf Scholz. Liebe Union, weder Sie noch ich können das schlichtend klären. Dazu haben wir keine Chance.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man überhaupt einen solchen Rat schafft, dann gehörte er meines Erachtens eher zum Kanzleramt als zum Außenministerium.

Aber was ist der Streit? Frau Baerbock möchte eine scharfe Verurteilung Chinas, und Herr Scholz möchte eine nicht ganz so scharfe Verurteilung Chinas aus geostrategischen Gründen. Vielleicht kann ja die chinesische Regierung zwischen Scholz und Baerbock vermitteln. Irgendeiner muss es ja hinbekommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Die Wünsche der Union, der AfD und der Koalition nach mehr Aufrüstung kann ich allerdings überhaupt nicht nachvollziehen.1990, als ich dem Bundestag das erste Mal angehörte, wurden umgerechnet 28 Milliarden Euro ausgegeben, im letzten Jahr 50 Milliarden Euro, in diesem Jahr 58,6 Milliarden Euro.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: So schlimm ist es mit der Inflation!)

Das ist doch beim besten Willen nicht nachzuvollziehen. Das gemeinsame Ziel von Koalition, Union, AfD und NATO besteht in 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das wären 77 Milliarden Euro. Dafür gibt es zwei Begründungen:

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen nicht überrannt werden, Herr Gysi! Das ist alles!)

Die erste Begründung ist, dass Panzer bei uns zum Teil nicht rollen, dass Schiffe nicht fahren und nicht tauchen können und dass Flugzeuge zum Teil nicht fliegen. Nun habe ich mich damit beschäftigt und festgestellt, dass Frankreich in etwa dasselbe Geld ausgibt wie wir. Nur: Dort rollen alle Panzer. Dort fahren und tauchen alle Schiffe, und es fliegen auch alle Flugzeuge.

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie würden sie ja eh nicht benutzen!)

Vielleicht liegt es doch nicht an der Menge des Geldes, sondern an der Art, wie es ausgegeben wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, dass der Haushaltsausschuss und der Verteidigungsausschuss unter der bewährten Leitung der Kollegin Strack-Zimmermann, die ja eng verwoben sein soll mit der Rüstungsindustrie,

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Ja, klar!)

dieser Frage einmal nachgehen sollten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die zweite Begründung lautet, dass wir uns vor einem möglichen russischen Angriff schützen müssen. Nun wollen doch Finnland und Schweden in die NATO, und sie begründen das damit, dass, wenn sie Mitglieder der NATO sind, Russland sie nicht angreifen kann, weil auch die russische Führung den dritten Weltkrieg nicht will, der ja auch Russland ziemlich zerstörte. Die Bundesregierung, die Union und die AfD teilen diese Begründung von Schweden und Finnland. Aber nun kommt der Logikbruch: Wenn Finnland und Schweden dann tatsächlich nicht mehr angegriffen werden können, wieso wir? Wir sind doch schon in der NATO.

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Papier schützt nicht, sondern die Verteidigung! Das ist nicht so schwer zu verstehen!)

Also, entweder sagen Sie: „Die Begründung von Finnland und Schweden ist Blödsinn. Die stimmt überhaupt nicht. Die können trotzdem angegriffen werden“, oder Sie sagen, die stimmt. Aber dann müssen Sie erklären, warum die dann etwas nicht mehr befürchten, was Sie nach wie vor befürchten.

(Beifall bei der LINKEN – Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben Verteidigung nicht verstanden, Herr Gysi!)

Es ist doch offensichtlich, dass Russland einen NATO-Staat glücklicherweise nicht angreift.

Jetzt haben wir natürlich eine Eskalation: Atomwaffen in Belarus. Was nimmt er als Begründung? Dass die USA auch bei Verbündeten Atomwaffen haben, zum Beispiel in Deutschland. Wir waren immer dagegen. Sie meinten, das erhöht unsere Sicherheit. Ich sehe das gänzlich anders.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber jetzt haben Sie dem Putin noch eine Begründung geliefert.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Außenpolitisch brauchen wir endlich wieder eine Umkehr. Wir müssen zurück zu Deeskalation, Abrüstung, viel mehr Diplomatie, Interessenausgleich.

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat ja super funktioniert mit Russland! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wer ist denn „wir“?)

Es gibt ja nicht nur die eigenen Interessen, sondern auch die Interessen des Gegenübers

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel, das Territorium zu vergrößern! Super Interesse!)

und eine strikte Wahrung des Völkerrechts durch alle Seiten – selbstverständlich auch durch Russland.

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das meinen Sie doch nicht ernst!)

Das Geld brauchen wir dringend für Investitionen, die uns wirtschaftlich, wissenschaftlich, kulturell und in der Infrastruktur voranbringen. Wir brauchen deutlich mehr sozialen Ausgleich, ökologische Nachhaltigkeit in sozialer Verantwortung und endlich eine Gleichstellung von West und Ost.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)