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Im Krieg kann es keine Entwicklung geben

Rede von Heike Hänsel,

Ob Human Development Index, Lebenserwartung, Kindersterblichkeit - Afghanistan belegt überall einen der letzten Ränge.

Zu Protokoll gehaltene Rede

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor einer Woche wurden 18 Zivilisten bei einem Luftangriff der NATO getötet; am Dienstag kamen sieben Zivilisten bei einem Anschlag auf Sicherheitskräfte ums Leben; jeden Tag sterben dort Menschen durch Krieg. Am Montag verloren über 80 Menschen bei einem Erdbeben ihr Leben. Das Dorf, in dem sie lebten, soll nun zum Massengrab erklärt werden, weil eine Bergung der Toten nicht möglich ist. Das sind die Nachrichten aus Afghanistan, während wir im Bundestag zur besten Debattenzeit über fliegende Teppiche streiten, anstatt darüber zu diskutieren, wie wir den Krieg beenden. Es wäre besser gewesen, Herr Niebel hätte statt Teppichen die deutschen Soldaten aus Afghanistan mitgebracht und sich damit ein Beispiel an der neuen französischen Regierung genommen, die ihre Truppen dieses Jahr abziehen will!

Die Bilanz der bisherigen Unterstützung fällt allerdings verheerend aus. Sie formulieren es in ihrem Antrag selbst: Ob Human Development Index, Lebenserwartung, Kindersterblichkeit - Afghanistan belegt überall einen der letzten Ränge. Und das nach über 10 Jahren sogenannter „Unterstützung“! Milliarden wurden in Afghanistan ausgegeben, auch für die zivile Hilfe. So viel, wie in keinem anderen Land. Und das, um ein solches Ergebnis zu erzielen. Das zeigt: Im Krieg kann es keine Entwicklung geben. Die Fraktion DIE LINKE fordert seit Jahren: Schluss mit dem NATO-Krieg, Truppen raus aus Afghanistan. Weil erst dann Entwicklung überhaupt möglich wird.

Jetzt schreiben Sie, dass die Kampftruppen bis Ende 2014 Afghanistan verlassen haben werden. Tatsächlich aber werden noch lange danach, und zwar mindestens bis 2024 NATO-Truppen stationiert bleiben. Das heißt, dass deutsche Soldaten noch zehn weitere Jahre dort stationiert sein werden! Die militärische, strategische und geheimdienstliche Kooperation mit Afghanistan, für Ausbildung und Terrorismusbekämpfung mit Spezialeinheiten wird für die Zeit nach 2014 festgeschrieben. Es wird erwartet, dass eine Truppenstärke von 15 000 Mann im Land verbleiben wird, darunter etwa 1000 Bundeswehrsoldaten. Ein vollständiger Truppenabzug sieht anders aus!

Es ginge darum, „die Entwicklung Afghanistans zu einem voll funktionsfähigen Staat weiterhin zu unterstützen“, schreiben Sie. Weiterhin? Entwicklung zu einem funktionsfähigen Staat? Wie sah diese Entwicklung denn bislang aus - mit Ihrer Unterstützung? Als Kriegspartei sind die ISAF-Truppen am Töten in Afghanistan beteiligt, Zehntausende von Zivilist/innen wurden in Afghanistan auch durch die Angriffe der ISAF getötet. Doch Deutschland ist nicht nur Kriegspartei, sondern hat auch eine korrupte Regierung, verbrecherische Warlords und Fundamentalisten im Land gestärkt.

Politische Stabilität und graduelle Demokratisierung wollen Sie in Afghanistan feststellen? Frauenrechte, die sowieso nur auf dem Papier standen werden wieder zur Disposition gestellt. Korruption und Misswirtschaft dominieren das Land. Gestern habe ich auf das Verbotsverfahren gegen die Solidaritätspartei, die sich gegen die Besatzung und die Warlords und Drogenbarone in Parlament und Regierung engagiert und für den Abzug der Truppen wirbt und gegen die herrschenden Warlords auf die Straße geht, verwiesen. Wo bleibt gegen diese staatliche Repression die Reaktion von Seiten der Bundesregierung, und von Minister Niebel?

Was schlagen die Fraktionen der Regierungskoalition nun vor? Leider nichts neues, sondern nur mehr vom alten. Im Sinne des kürzlich abgeschlossenen bilateralen Kooperationsabkommens zwischen der Bundesregierung und Afghanistan setzen sie auf genau das Konzept, das bereits gescheitert ist: Die Wirtschaft Afghanistans soll weiter liberalisiert, bessere Bedingungen für private Investoren sollen geschaffen werden. Sie haben die Interessen der deutschen Wirtschaft fest im Blick. Die Liberalisierung, der Afghanistan unter der Kuratel der internationalen „Geber“ unterzogen wird, hat allerdings schon mehr als genug Schaden angerichtet. Vor allem regionale Märkte sind dadurch zusammengebrochen, die die Armut in den ländlichen Regionen massiv verstärkt hat. Mit dieser Politik tragen sie nicht zu Stabilität, Entwicklung und Demokratisierung bei.