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Illegitime Schulden von Entwicklungsländern streichen!

Rede von Heike Hänsel,

Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, fordert die Bundesregierung auf, sich der norwegischen Initiative anzuschließen (Rede zu Protokoll):

„We don’t owe - we won’t pay! (Wir schulden nichts - wir werden nichts bezahlen)“: Mit dieser Losung stellten auf dem Weltsozialforum in Nairobi viele zivilgesellschaftliche (vor allem christliche) Gruppen aus den Ländern des Südens die Legitimität des Schuldendiensts, den ihre Länder leisten müssen, in Frage.

Sie nannten zahlreiche Beispiele für Kredite, die an frühere Diktatoren vergeben worden waren, die für unsinnige Großprojekte ausgegeben wurden, die nichts zur Entwicklung in den Empfängerländern beitrugen, sondern im Gegenteil noch soziale und ökologische Schäden anrichteten oder einfach nur der Exportförderung für die Unternehmen der Geberstaaten dienten. Die Geber im Norden tragen Verantwortung für ihre katastrophale Vergabepolitik. Die Menschen im Süden tragen schwer an den Schulden, die durch diese Politik entstanden sind.

Ich möchte Ihnen einige Beispiele nennen: Auf den Philippinen gehen neu aufgenommene Kredite fast komplett in den Schuldendienst. Unter der Diktatur von Ferdinand Marcos wurden allein 2 Mrd. US-$ Schulden für ein Atomkraftwerk in einem erdbebengefährdeten Gebiet aufgenommen. Das Kraftwerk ging glücklicherweise nie in Betrieb - aber die Filipinos zahlen bis heute jährlich 100 Mio. US-$ für die Bedienung der dafür aufgenommenen Kredite.

Haiti - ein kleines Land in schweren ökonomischen, sozialen und politischen Turbulenzen - zahlt jährlich 80 Mio. US-$ in den Schuldendienst.
Rund die Hälfte der Verpflichtungen wurde von der Diktatorenfamilie Duvalier aufgenommen, die - milliardenschwer - 1986 ins Exil ging. Durch den Schuldendienst fehlen Mittel, um den enormen sozialen Problemen zu begegnen, die sie hinterlassen haben. Die Gewalt in Haiti wiederum - Folge der sozialen Misere - soll durch eine UN-Truppe eingedämmt werden, die jährlich 300 Mio. US-$ verschlingt. Um diesen Wahnsinn zu beenden, setzen sich Organisationen wie Jubilee South für eine bedingungslose Schuldenstreichung ein.

Brasilien hat 40 Prozent des letzten Haushalts für den Schuldendienst verwendet. Um diese Verpflichtungen zu erwirtschaften, werden auch negative umweltpolitische und soziale Folgen in Kauf genommen.

Sage und schreibe 130 Mrd. US-$ Schulden wurden unter der Diktatur von Saddam Hussein angehäuft - der deutsche Anteil an der Kreditsumme bezog sich v. a. auf Infrastrukturmaßnahmen, Rüstungselektronik und Dual Use Güter: eine indirekte Finanzierung des irakischen Kriegs gegen den Iran und eine Unterstützung für eine Politik, die viel Leid über die Menschen im Irak und in den Nachbarländern gebracht hat - und natürlich auf gar keinen Fall ein Beitrag zur Entwicklung des Irak.

Umso unverständlicher ist es, wenn jetzt der Erlass dieser Schulden als Entwicklungshilfe deklariert und auf die ODA-Quote (Anteil der offiziellen Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen) angerechnet wird!

Die Investitionsruinen aus Kreditgeschäften - auch mit deutscher Beteiligung - sind zahlreich! Die Nichtregierungsorganisation Erlassjahr nennt u. a. die Blei-Silber-Hütte in Karachipampa/Bolivien. Sie wurde von der KfW kofinanziert (Gesamtkreditsumme über 80 Mio. US-$), arbeitete jedoch von Beginn an mit Verlusten und musste schnell stillgelegt werden. Bis 2001 zahlte Bolivien weiterhin die Zinsen. Mittlerweile wurden die Schulden im Rahmen der HIPC-Initiative gestrichen - und der Erlass auf die Entwicklungshilfe angerechnet.

Die Bundesregierung handelt unseriös, wenn sie ihre ODA-Quote mithilfe solcher Rechentricks hochschraubt. Die OECD und selbst die EU-Kommission kritisieren diese Anrechnungspraxis, die auch im Widerspruch zum Konsens der Entwicklungsfinanzierungskonferenz von Monterrey steht, und stellen in Frage, wie ein effektiver Anstieg der Entwicklungshilfe mit dieser Anrechnungspraxis überhaupt nachhaltig gesichert werden kann.

Die Verantwortung der Kreditgeber muss in der Schuldenproblematik deutlich angesprochen werden! Und wir fordern die Bundesregierung auf, politische Konsequenzen daraus zu ziehen. Wie z.B. die Initiative der norwegischen Regierung, die wir in unserem Antrag ansprechen und die - nebenbei erwähnt - von den Minister/innen der norwegischen Linkspartei vorangetrieben und umgesetzt wird: Es geht um die Anerkennung der eigenen Schuld an der Einfädelung von Kreditgeschäften, die mehr Schaden als Nutzen für die Menschen im Süden gebracht haben.

Schuldenerlass ist kein humanitärer Akt sondern ein Anspruch der Menschen im Süden, den wir endlich einlösen müssen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich der norwegischen Initiative anzuschließen und alle illegitimen Schulden zu streichen!

- zu Protokoll -