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Grund und Boden darf nicht zur Spekulationsware verkommen

Rede von Kirsten Tackmann,

Rede zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Bodenprivatisierung neu ausrichten" (DS 16/7135); Die Rede wurde zu Protokoll gegeben.

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

Nicht nur die Erzeugerpreise steigen aktuell, was ja erfreulich ist. Sondern auch die Produktionsmittelkosten und die Bodenpreise! Was betriebswirtschaftliche die Freude über den Anstieg der Erzeugerpreise zumindest deutlich dämpft. Die steigenden Bodenpreise kriegen zuallererst die Landwirtschaftsbetriebe zu spüren, die Pachtland bewirtschaften. In Ostdeutschland beträgt der Anteil von Pachtland im Durchschnitt 80%! Die kommen zuerst in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Auf 2 Wegen: 1. über das steigende Pachtpreisniveau und 2. über die verteuerten Landzukäufe, die für die meist eigenkapitalschwachen Betriebe besonders nötig, aber gleichzeitig aus Liquiditätsgründen schwierig zu leisten sind.

Das Ansteigen der Bodenpreise wird durch verschiedene Faktoren ausgelöst. Steigende Gewinne, vor allem im Ackerbau, sowie wirtschaftlich positive Erwartungen für den Agrar- und Agrarenergiesektor tragen dazu bei. Aber auch das Agieren der Nachfolgegesellschaft der Treuhand, der BVVG, trägt offensichtlich dazu bei. Dabei ist es nicht nur der von uns immer kritisierte Privatisierungszwang der BVVG, sondern auch die Art und Weise, wie dieser umgesetzt wird. Es geht zum Beispiel es um die öffentliche Ausschreibung großer Bodenlose und um das Ausschreibungsverfahren selbst, nachdem der Höchstbietende den Zuschlag bekommt. Schon das allein wirkt angesichts der nur begrenzten Verfügbarkeit der Ressource Boden (boden-) preistreibend.

Nach langen Jahren stagnierender Boden- und Grundstückspreise geht es aktuell um einen neuen Spekulationsmarkt!

Was ist es anderes als Bodenspekulation, wenn in Nordrhein-Westfalen vor einigen Wochen eine eigene Investitionsgesellschafte zum Landkauf in Ostdeutschland gegründet wurde mit dem Ziel, mindestens 18.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche zu erwerben?

In der Nähe von Prenzlau im Nordosten Brandenburgs standen Grundstücksgrößen von über 100 ha zum Verkauf!

Zu dieser Entwicklung tragen die Verkäufe der BVVG als größter öffentlicher Anbieter zumindest bei. Die Grünen beleuchten nun in ihrem Antrag die Verkäufe der BVVG, die im Auftrag des Bundesfinanzministeriums enteignete und in das staatliche Eigentum der DDR übergegangene Flächen verkauft bzw. zwischenzeitlich verpachtet.

Den politischen Auftrag an die BVVG zum Flächenverkauf haben wir immer kritisiert. Die Beibehaltung des öffentlichen Eigentums würde aus unserer Sicht das gesellschaftliche Interesse an einer nachhaltigen Landnutzung garantieren. Auch die Folgen der Kapitalbindung in die Kaufsumme ist eher negativ für die Betriebe - vorausgesetzt, die Pachtrechte sind längerfristig gesichert.

Das Anliegen der Grünen, die Bodenprivatisierung neu auszurichten, kann daher für uns eigentlich nur Argumente liefern, wenigstens die dramatischsten Risiken des Flächenverkaufs durch die BVVG abzuwenden.

Natürlich ist es inakzeptabel, wenn Boden aus öffentlichem Eigentum auch noch nach Kriterien verteilt wird wie den gebotenen Höchstpreis eines beliebigen Anbieters. Weitere Faktoren wie geschaffene oder erhaltene Arbeitsplätze, ökologische Bewirtschaftungskriterien, ökologischer Landbau oder Grad der Diversifizierung wären aber in jedem Fall gesellschaftliche Anforderungen an die Flächennutzer, denn Boden ist eine natürlich Ressource!

Aber gerade weil klar ist, dass mit dem Eigentum am Produktionsmittel Boden wesentliche Weichen für die Entwicklung auf dem Land gestellt werden, fragt DIE LINKE noch mal nach: warum muss mit der Privatisierung des öffentlichen Bodeneigentums überhaupt ein Risiko eingegangen werden?

Das mindeste ist aber in jedem Fall die Verhinderung der Bodenspekulation! Verlierer wären viele Ortsansässige, die oft direkt oder indirekt von den Einkommensmöglichkeiten in der Landwirtschaft abhängig sind. Arbeitsplätze, Existenz sichernd bezahlt, sind in den ländlichen Räumen überlebenswichtig. Dörfer ohne Landwirtschaft sind undenkbar - eine Landwirtschaft ohne Dörfer allerdings auch.

Aber die BVVG ist für die Entwicklung des Bodenmarktes nicht allein verantwortlich. Auch viele kleinere Landbesitzer verkaufen ihren Grund und Boden, zum Teil weil sie aus ihrer sozialen Situation heraus dazu gezwungen sind, zum Teil weil die gestiegenen Bodenpreise einen Anreiz selbst darstellen.

Mit dem Grundstückverkehrsgesetz hat der Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, um ungewollte Eingriffe in die Agrarstruktur über Bodenverkäufe zu verhindern. Die LINKE hat gerade eine Studie zur Anwendung des Grundstückverkehrsgesetzes anfertigen lassen, die unter anderem etwas umfassender die Entwicklung auf den Bodenmärkten nachzeichnet. Dabei wird deutlich, dass das vor 50 Jahren in Westdeutschland verabschiedete Gesetz sehr wirksam angewendet werden kann gegen ungerechte Bodenverteilung und Bodenspekulation. Auch aktuelle Entwicklungen in der EU - Rechtssprechung erlauben durchaus staatliche Eingriffe und Regelungen zur Verhinderung, dass Grund und Boden zu einer Spekulationsware verkommen.

Finanzheuschrecken und andere Nicht-landwirtschaftliche Interessenten sind oft weitaus besser in der Lage, Höchstpreise für Boden zu bezahlen. Das ist auch historisch nichts Neues.

Genau das war der Sinn des Grundstückverkehrgesetzes: der Landwirtschaft als eigenem Wirtschaftsbereich, dessen Grundlage die Flächennutzung ist, dauerhaft die Existenzsicherung zu ermöglichen. Nur ist dieses Gesetz offensichtlich seit 1990 in den neuen Bundesländern nur unzureichend oder gar nicht zur Anwendung gekommen.

Eine weitere Erkenntnis aus dem Gutachten: das Verkaufsgebaren der BVVG muss dringend überprüft werden. Und eines steht auch fest: Die BVVG ist auch als staatliche Behörde nicht per se vom Grundstückverkehrsgesetz befreit!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!