Anlässlich der Diskussion über den Antrag der Fraktion DIE LINKE "Forderungen des Goldstone-Berichts nach unabhängigen Untersuchungen des Gaza-Kriegs unterstützen" wurde von der menschenrechtspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Annette Groth, ausgeführt:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Freunde auf der Tribüne!
Letzte Nacht haben israelische Kampfjets und Hubschrauber die schwersten Angriffe auf den Gazastreifen seit dem Krieg 2008/2009 durchgeführt. In den letzten Wochen und Monaten wurde Gaza immer wieder bombardiert. Die meisten dieser Angriffe fanden in der von Israel festgelegten Pufferzone statt, die 17 Prozent der Fläche von Gaza einnimmt.
Die meisten Opfer sind Bauern und Kinder.
13 Schulen gibt es in der Pufferzone. Weil es zu gefährlich ist, dürfen Rettungswagen und Mitarbeiter internationaler Organisationen nicht in diese Zone. Aber Schulkinder müssen jeden Tag dahin. Sie leben in ständiger Angst. Viele leiden an Depressionen, Bettnässen und anderen psychischen Krankheiten.
In einem Brief vom 4. Februar 2011 fragten 13 israelische und palästinensische Menschenrechtsorganisationen die Hochkommissarin für Menschenrechte der UNO: Ist der Goldstone-Bericht tot? Zwei Jahre sind seit der israelischen Offensive „Gegossenes Blei“ auf dem Gazastreifen vergangen und Gerechtigkeit für die Opfer steht immer noch aus. Politische Interessen wiegen offenkundig stärker. Gibt es einen Weg aus der vorherrschenden Kultur der Straflosigkeit?
Die Goldstone-Kommission hat Kriegsverbrechen auf israelischer und palästinensischer Seite dokumentiert. Die Zusammenarbeit mit der Goldstone-Kommission wie auch Untersuchungen dieser Verbrechen durch unabhängige Kommissionen lehnt die israelische Regierung bis heute ab. Nach zweimaliger Fristverlängerung für nationale Untersuchungen muss jetzt die internationale Strafgerichtsbarkeit eingeschaltet werden.
Bei dem israelischen Überfall auf Gaza wurden 850 palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten getötet, darunter 350 Kinder und 200 Frauen. Über 5 000 Menschen wurden verletzt. Für Hina Jilani, Mitverfasserin des Goldstone-Berichts, waren die Zeugnisse über das bewusste Zielen auf Kinder das Schlimmste, was sie jemals gehört hat. Frau Jilani war UN-Sonderberichterstatterin in Darfur. Die Kommission untersuchte Vorfälle, bei denen Familien mit weißer Flagge ein Haus verließen und die trotzdem gezielt beschossen wurden. Das ist ein gravierender Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und gehört bestraft.
(Beifall bei der LINKEN)
Yehuda Shaul, Direktor der israelischen enschenrechtsorganisation
„Das Schweigen brechen“ befürchtet, dass zukünftige Kriege wieder mit den gleichen Mitteln oder sogar noch schlimmer geführt werden, wenn die Armee sich keinen unabhängigen Untersuchungen stellen muss und Schuldige nicht bestraft werden.
Im 9. Menschenrechtsbericht der Bundesrepublik heißt es:
Die Verhinderung der Straflosigkeit für schwere Völkerrechtsverbrechen bleibt ein wichtiges Anliegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Der jüdische Widerstandskämpfer Stéphane Hessel schreibt in seinem Bestseller-Büchlein „Empört Euch“:
Der Gaza-Bericht von Richard Goldstone vom September 2009 sollte Pflichtlektüre sein. Was den Gaza-Streifen betrifft, so ist er für anderthalb Millionen Palästinenser ein Gefängnis unter freiem Himmel. Dass Juden Kriegsverbrechen begehen können, ist unerträglich.
Seit den Diskussionen um den Goldstone-Bericht stehen Menschenrechtsverteidiger in Israel unter großem Druck. Undemokratische Gesetzesinitiativen boomen.
Damit sollen Aussagen vor internationalen Untersuchungskommissionen verboten werden, wenn sie zu einem
Strafverfahren gegen israelische Staatsbürger wegen Kriegsverbrechen führen könnten.
Die israelische Friedensbewegung „Gush Shalom“ veröffentlichte in der Tageszeitung Haaretz am 18. Februar 2011 folgendes Inserat: Das ägyptische Volk kämpft tapfer für die Menschenrechte. Die israelische Knesset kämpft tapfer darum, die Menschenrechte abzuschaffen.
(Zuruf von der FDP: Mein Gott! Das kann ja wohl nicht wahr sein! Das ist doch nicht zu fassen!)
Wenn gravierende Verstöße gegen das Völkerrecht nicht angeklagt werden, führt dies zu einer Legitimierung von Kriegsverbrechen und einem allgemeinen Klima der Straflosigkeit. Die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und internationaler Menschenrechtsnormen ist eine wesentliche Voraussetzung für Frieden in der Region.
(Beifall bei der LINKEN)
Als Mitglied im Weltsicherheitsrat kann die deutsche Regierung den Goldstone-Bericht auf die Tagesordnung setzen. Im Namen vieler Menschenrechtsaktivisten fordere ich Sie auf, dies zu tun und dafür zu sorgen, dass Schuldige bestraft werden.
(Beifall bei der LINKEN)