Zum Hauptinhalt springen

Geostrategische Interessen Europas dürfen demokratische Entwicklung in Myanmar nicht behindern

Rede von Annette Groth,

Anlässlich des Tagesordnungspunkt 15 "Myanmar" erklärt die menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Annette Groth:

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Trotz der vielen demokratischen Veränderungen in Myanmar – sie wurden schon von allen Rednerinnen und Rednern erwähnt –

(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Sie können es aber auch noch mal sagen, bitte!)

– genau, wir zollen dem ja Respekt – gibt es dort noch viele Probleme, wie ebenfalls schon erwähnt, zum Beispiel die Enteignung; ich nenne sie, weil sie noch nicht erwähnt worden ist. Die Regierung vertreibt Menschen von ihrem Land, um Infrastrukturprojekte durchzusetzen. Laut der Menschenrechtsorganisation ALTESAN haben in der Region Palaung etwa 65 Prozent aller Familien Land verloren. Die enteigneten Familien sind nahezu rechtlos, da sie bisher keine Möglichkeit haben, sich an ein Gericht zu wenden, um sich gegen die Enteignung zu wehren.

Diese Praxis ist besonders im Tourismussektor zu beobachten. Viele Fischerfamilien müssen dem zunehmenden Bauboom der großen Hotelanlagen an der Küste weichen. Lonely Planet, einer der wichtigsten Reiseführer für Individualreisende, erklärte Myanmar nach Uganda zur Nummer zwei unter den Top-zehn-Reisezielen für dieses Jahr. Aber die Infrastruktur ist für diesen Touristenzuwachs nicht ausreichend, und insbesondere die Bevölkerung ist darauf keineswegs vorbereitet. Der Sextourismus mit seinen Begleiterscheinungen ist schon im Anmarsch, was ich bei der bereits erwähnten Delegationsreise mit Bundesminister Niebel selbst beobachtet habe.

Ein weiteres Problem ist die Kriegsökonomie, die sich durch den jahrzehntelangen Konflikt mit der Kachin-Unabhängigkeitsarmee entwickelt hat. Eine Parlamentarierin, selbst eine Kachin, sagte mir neulich, dass man die Soldaten der Kachin-Armee nur zum Aufgeben motivieren kann, wenn sie andere Arbeits- und Einkommensperspektiven haben. Die Befehlshaber dieser Armee verdienen gut an dem illegalen Handel mit Rohstoffen sowie am Menschenhandel und bezahlen auch ihre Soldaten entsprechend. Diese Menschen brauchen eine echte Alternative zum Kriegsdienst. Da ist auch die Entwicklungspolitik gefragt. Wir erwarten von der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik, dass sie die Entwicklungsbedürfnisse sowie die Armutsbekämpfung in den Mittelpunkt stellt. Die Bevölkerung muss selbst bei den Entwicklungshilfeprojekten mit entscheiden. Es geht um ihre Bedürfnisse und nicht um die Interessen der großen Konzerne.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)

Klar ist, dass die Konzerne die burmesischen Rohstoffe ausbeuten wollen. Myanmar ist reich an Edelmetallen, Seltenen Erden, Edelhölzern und vielem mehr. Da ist echt viel Profit zu machen. Darüber hinaus gibt es einen großen Binnenmarkt mit 54 Millionen Menschen, das heißt mit vielen potenziellen Käuferinnen und Käufern von Konsumgütern. Derzeit herrscht in Myanmar – ich habe das so erlebt – eine regelrechte Goldgräberstimmung.


Eine weitere Herausforderung für die Regierung sind die 450 000 Binnenflüchtlinge. Sie leiden vor allen Dingen unter Verarmung und Verelendung. Aber, Herr Klimke, da stimmt Ihre Zahl nicht: Der Militärhaushalt hat sich vom Haushaltsjahr 2011/12 auf das folgende Jahr fast verdoppelt.

(Widerspruch des Abg. Jürgen Klimke [CDU/CSU])

– Diese Zahl hat mir vor ein paar Tagen eine Dame aus Burma genannt. Ich kann sie Ihnen belegen.

Darüber hinaus ist es ein Skandal, liebe Kollegen von der SPD, dass es seit 1981 in Rangun eine Fabrik für G-3-Gewehre gibt, die mit Technik von Heckler & Koch aufgebaut wurde. Seither produziert diese Firma für das burmesische Regime Gewehre, die auch zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung eingesetzt wurden. Die damalige SPD-geführte Bundesregierung hatte diesen Waffentransfer genehmigt – eigentlich ein unglaublicher Skandal.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir hoffen, dass unsere Regierungen in Zukunft nicht mehr Waffenfabriken genehmigen, sondern sich für die friedliche Entwicklung der Region einsetzen.

(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das Goethe-Institut wird eingerichtet!)

– Jawohl, das alles ist schön. Wir hoffen, dass die Burmesen und Burmesinnen bei all diesen Programmen ein klares Mitspracherecht haben;

(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Na klar!)

denn sonst werden sie an die Seite gedrückt, und es wird eine von außen induzierte Entwicklung vorangetrieben.
Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Dann muss der Außenminister erst zustimmen!)