Persönliche Erklärung gem. § 31 GeschOBT zur Sondersitzung des Deutschen Bundestags am 1.9.2014 zu Waffenlieferungen in den Irak
Die von der Bundesregierung bereits beschlossene Lieferung von Waffen in den Irak stellt eine neue Stufe in der stetigen Militarisierung der deutschen Außenpolitik dar. Dass der Bundestag ausgerechnet heute am Weltfriedenstag und 75 Jahre nach Beginn des 2. Weltkriegs zusammentritt, um dies nachträglich zu legitimieren, ist eine Schande, an der ich mich nicht beteiligen werde!
Waffenlieferungen in Krisenregionen sind in Deutschland grundsätzlich verboten. Darauf möchte ich noch einmal ganz deutlich hinweisen, auch wenn mir bewusst ist, dass sich weder die aktuelle Bundesregierung noch ihre Vorgängerinnen bisher daran gehalten haben. Die Region des Nahen Ostens ist überschwemmt mit Waffen. Nicht mehr Waffen können die zahlreichen Konflikte dort beilegen, sondern vielmehr müssen die Waffen in der Region massiv reduziert werden. Wie der Botschafter eines nordafrikanischen Landes mir gegenüber einmal forderte: Die Bundesregierung und die anderen Staaten der Europäischen Union sollen genau wie die USA die Waffen, die sie hierher gebracht haben, endlich wieder einsammeln!
Selbstverständlich erkenne ich an, dass das Leid, das heute die Mörderbanden des „Islamischen Staats“ im Irak und in Syrien anrichten, unvorstellbar schlimm ist und dass die Opfer mit humanitärer Hilfe unterstützt und die Flüchtlinge in Sicherheit gebracht werden müssen. Hier ist die Bundesregierung gefragt. Dass nun wieder neue Kontingentobergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen festgelegt werden, ist äußerst beschämend. Es ist für den allergrößten Teil der Flüchtlinge aus dem Irak, aus Syrien und aus anderen Regionen der Welt faktisch unmöglich, legal nach Deutschland und in andere Staaten der EU zu gelangen. Sie werden dazu gezwungen, illegal und unter großen Gefahren hierher zu kommen, viele von ihnen bezahlen dafür mit ihrem Leben. Neben Menschenschmugglern, die sich teuer bezahlen lassen und denen das Leben der Flüchtlinge oft völlig egal ist, helfen immer wieder z.B. Syrer_innen in Deutschland ihren Familienangehörigen und Bekannten, hierher zu kommen – und werden dann noch dafür bestraft, dass sie ihnen das Leben gerettet haben. Das dürfen wir nicht hinnehmen!
Nun sollen deutsche Waffen dabei helfen, die radikalen Kämpfer des „Islamischen Staats“ zu bekämpfen. Radikale, die in Deutschland, anderen EU-Staaten und den USA unbehelligt rekrutiert werden und ausreisen konnten und dann von der Türkei nicht nur ignoriert, sondern aktiv unterstützt und nach Syrien gelassen worden sind. Von der Türkei, in der deutsche Patriotraketen stationiert wurden, um unseren „Partner“ zu „schützen“. Der „Islamische Staat“ kämpft nicht zuletzt auch mit Waffen, die aus Deutschland an Saudi-Arabien, Katar oder die Türkei oder von anderen westlichen Ländern direkt nach Syrien geliefert worden sind. Mit diesen Waffen werden seit Jahren Massaker in Syrien verübt – an Jeziden, Christen, an Schiiten, dem „Erzfeind“ des „Islamischen Staats“ und an allen Muslimen, die sich weigern, den radikalen Islamisten die Treue zu schwören.
Die Invasion im Irak von 2003 durch die USA und ihre „Koalition der Willigen“ hat genauso erst die Vorbedingungen geschaffen, die den Vormarsch des „Islamischen Staats“ ermöglicht haben wie es die völlig einseitige, eine Verhandlungslösung letztlich verhindernde Politik der USA und der Staaten der EU in Syrien getan hat. Jetzt neu Waffen in die Region zu pumpen, anstatt endlich politische Lösungen und Versöhnungsprozesse zu fördern, ist zynisch und verlogen und wird nur neue Kriege und neues Leid verursachen. Keiner kann garantieren, dass die heute gelieferten Waffen nicht in die falschen Hände gelangen.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags sollen heute über diese Waffenlieferungen abstimmen, über die ohnehin längst entschieden ist und soll so als Feigenblatt für die Politik der Bundesregierung dienen, ohne dass das Ergebnis der Abstimmung bindend wäre.
Ich werde nicht dafür stimmen.