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G-8: Exklusiver Klub macht Weltpolitik an der UN vorbei

Rede von Eva Bulling-Schröter,

BT-Plenarrede am 26. Juni 2008 - G8 in Japan und Klimaschutz - Antrag Grüne - Drucksache 16/9751 - Sofortabstimmung

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie Sie sicher schon im Zusammenhang mit Heiligendamm bemerkt haben, hält die LINKE von der alljährlichen exklusiven G8-Runde nicht all zu viel. Der Club der Mächtigen Staaten dieser Welt trifft sich, um an den Vereinten Nationen vorbei globale Politik zu betreiben. Dabei werden auch gelegentlich Zaungäste eingeladen - diesmal Vertreter der so genannten Outreach-Länder aus Asien, Lateinamerika und Afrika. Tatsächlich mitentscheiden dürfen diese aber nicht.

Die Meinungen der G8-Kritiker gehen bisweilen auseinander, was die Relevanz der Treffen betrifft. Einige meinen, G8 sei eine unverbindliche Quasselrunde, die nichts Verbindliches entscheiden kann, weil ja im G8-Prozess - im Gegensatz zu vielen UN-Verfahren - keine Instrumente zur Umsetzung, Kontrolle und gegebenenfalls Sanktionierung der Beschlüsse existieren. Demgegenüber fürchten andere die G8 als unlegitimiertes Machtzentrum der Weltpolitik jenseits der UN.

Ich denke, beide Aspekte sind richtig.
Der Großmachtsanspruch der wirtschaftsstarken Industriestaaten, parallel zu den Vereinten Nationen einen neoliberalen Think Thank auf Regierungsebene zu unterhalten, also letztlich Grundlinien der Weltpolitik an der UN vorbei festlegen zu wollen, liegt auf der Hand. Entwicklungsländer und kleinere Industriestaaten bleiben dabei außen vor. Natürlich auch

Nichtregierungsorganisationen und von der Politik Betroffene. In gewisser Weise ist das Ganze eine Fortführung neokolonialer Attitüden des vergangenen Jahrhunderts, auch wenn uns immer anderes weiß gemacht wird.

Gleichzeitig sind viele Beschlüsse oder Erklärungen, beispielsweise zum Klimaschutz, kaum das Papier wert, auf dem sie gedruckt wurden. Die Vertreter der USA, des wichtigsten globalen Players, drücken sie offensichtlich umstandslos in die Mülltonne, wenn sie in Washington aus dem Flugzeug steigen.

Natürlich wäre es naiv, zu glauben, internationale Beziehungen lassen sich allein über die Vereinten Nationen regeln. Auf dem Weg zu international verbindlichen Abkommen wird es immer eine Vielzahl formeller und informeller Treffen von Regierungsvertretern geben.

Im Übrigen sind auch die UN kein Hort seligmachender Gerechtigkeit. Gleichwohl unterstützt die LINKE die außerparlamentarischen Proteste gegen die dauerhafte Institutionalisierung eines unkontrollierbaren First-Class-Gremiums, wie es G8 ist. Gleichzeitig wollen wir die Vereinten Nation demokratischer gestalten und stärken, nicht schwächen.

Heute beraten wir nun einen Antrag der Grünen, die sich als Partei im letzten Jahr von den Protesten gegen das G8-Treffen in Heiligendamm distanziert haben. Natürlich folgt der Antrag darum der Logik, vom G8-Prozess ein Engagement für mehr Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung einzufordern, anstatt G8 in Frage zu stellen. Rein inhaltlich ist gegen die einzelnen Forderungen gar nichts zu sagen, es fragt sich nur, ob die Adresse, an die die Forderungen gerichtet sind, die Richtige ist - siehe oben.
Ganz wohl sind sich die Grünen diesbezüglich offensichtlich auch nicht, denn die Fraktion schreibt in ihrem Antrag, die G8-Staaten könnten nicht für sich in Anspruch nehmen, Entscheidungen zu treffen, die zum Teil erhebliche Folgen für den Rest der Welt hätten.

Auf die anschließenden 27 Forderungen möchte ich im Einzelnen in diesem Rahmen nicht eingehen. Hervorheben möchte ich aber, dass bekanntermaßen auch die LINKE dafür eintritt, eine Politik weg von Kohle, Öl und Atom einzuschlagen, weil den Erneuerbaren die Zukunft gehört. In diesem Zusammenhang ist die absurde Forderung der Internationalen Energieagentur (IEA) zurückzuweisen, das Klimaproblem mit Hilfe von 1344 neuen Atomkraftwerken zu lösen. Das wäre ein energiepolitischer Amoklauf. Nicht nur deshalb, weil das vorhandene Uran für diese Meiler nur wenige Jahre reichen würde, die Strategie also sündhaft teure Kraftwerksruinen produzieren würde. Wer auf die Atomwirtschaft setzt, der setzt auch auf eine unverantwortlich riskante und zentralisierte Form der Energieerzeugung. Sie würde eine Energiewende zu nachhaltigen dezentralen Erzeugungsformen aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse dauerhaft blockieren.

Hier sind wir uns also mit den Grünen einig. Was die Agrotreibstoffe betrifft, so warten die Grünen allerdings wieder mit ihrer Idee auf, über die Festlegung von Nachhaltigkeits- und Menschenrechtskriterien ökologische und soziale Verwerfungen beim Anbau in Indonesien, Brasilien oder Kolumbien ausschließen zu wollen. Dazu können wir nur sagen, träumen sie weiter. Die Einhaltung dieser Kriterien, sollte es sie denn irgendwann einmal geben, wird nicht zu kontrollieren sein.

Es tut mir leid. Aber solange sich die Grünen nicht dazu durchringen können, sich der Forderung nach einem Importmoratorium für Agrotreibstoffe aus dem Süden anzuschließen - wie sie unzählige Umwelt- und Entwicklungsorganisationen formuliert haben - können wir an dieser Stelle das Engagement unserer Kollegen nicht ernst nehmen.

Vielen Dank.