Rede im Plenum des Deutschen Bundestages am 2. März 2007 anlässlich der Afrika-Debatte (TOP 25), Bezug nehmend auf den Antrag der LINKEN „Für eine Afrikapolitik im Interesse der afrikanischen Bevölkerungsmehrheit“, sowie der Anträge der Grünen („Afrika auf dem Weg zu Demokratie und Entwicklung unterstützen“) und der Regierungsfraktionen („Für eine Politik der gleichberechtigten Partnerschaft mit den afrikanischen Ländern“)
Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen behaupten in ihrem Antrag:
Im Bereich Frieden und Sicherheit sind in den vergangenen zehn Jahren deutliche Fortschritte gemacht worden.
Das ist reine Beschönigung. Ihnen selbst fallen mit Somalia, Elfenbeinküste, Äthiopien und Darfur bereits mehr heiße als gelöste kriegerische Konflikte ein. Viele andere Konflikte, wie jener im Nigerdelta Nigerias, werden von Ihnen gar nicht erst angesprochen. Der Grund ist einfach: Die Politik der G 8, darunter jene der Bundesregierung, trägt nicht wirklich zu dauerhaften Konfliktlösungen bei.
Fehler Nummer eins: Wenn Sie von Afrika sprechen, dann meinen Sie immer die Herrschenden in Afrika. Die kommen mit den neoliberalen Programmen der Weltbank und des IWF ganz gut klar. Denn häufig genug sind es Konsortien von afrikanischen und transnationalen Unternehmen, die von der erzwungenen Privatisierung des afrikanischen Staatsvermögens profitieren. So war es im Fall des tansanisch-deutsch-britischen Unternehmens City Water, das 2003 die Wasserwerke in der tansanischen Hauptstadt Daressalam übernommen hatte. Verlierer war die Masse der Bevölkerung, die mit enormen Preissteigerungen des Wassers zu kämpfen hatte.
Auffällig ist: Die reichsten Potentaten Afrikas waren immer auch die Lieblinge des Westens. So war es bei Kibaki in Kenia oder bei Mobutu in Zaire, dem heutigen Kongo. An dieser Politik hält die Bundesregierung weiterhin fest. So erfahren wir, dass der Innen-Staatssekretär Hanning mit den Geheimdiensten Algeriens gemeinsame Vereinbarungen zur Abwehr afrikanischer Flüchtlinge trifft. Leider erfahren wir nichts darüber, wie die humanitäre Situation der Flüchtlinge in den nordafrikanischen Lagern verbessert werden soll, geschweige denn, wie man endlich den Tod von Tausenden Afrikanern verhindern will, die von Woche zu Woche - vielleicht gerade in diesem Augenblick - auf hoher See ertrinken.
Sprechen wir es aus: Jedes Jahr sterben zehnmal mehr Menschen an den Mauern der Festung Europa als in 28 Jahren an der schrecklichen Berliner Mauer. Frau Merkel, Herr Steinmeier, nutzen Sie die EU-Präsidentschaft und reißen Sie endlich ein Loch in diese Mauer der Schande!
(Beifall bei der LINKEN)
Es muss endlich eine Lösung geben, wie Afrikaner auf legalem Weg nach Europa gelangen können.
Ja, es gibt auch Fortschritte in Afrika, zum Beispiel dort, wo Entwicklungsprogramme auf den Aufbau der sozialen Daseinsfürsorge und der Infrastruktur setzen. Das heißt: Fortschritte sind dort zu verzeichnen, wo die Entwicklungspolitik in der Praxis die Auswirkungen neoliberaler Strukturanpassungsprogramme bekämpft.
Nehmen wir Äthiopien als Beispiel. Dank der Wasser- und Sanitärprogramme der UNICEF ist die Kindersterblichkeit seit 1992 um 40 Prozent zurückgegangen. Doch noch immer sterben in Äthiopien zwölf von 100 Kindern in den ersten fünf Jahren an vermeidbaren Krankheiten. Dieses Leid ist keine Folge von Naturkatastrophen; es ist eine Folge der Armut, die der Weltkapitalismus unter anderem über Schwarzafrika gebracht hat.
Über 80 Prozent der Äthiopier leben von weniger als 1 Dollar pro Tag. In einem Land mit einer reichen Vegetation haben die meisten Menschen einfach nicht genug Geld, um sich ausreichend Nahrungsmittel zu kaufen. Die Folge ist, dass die Hälfte aller Kinder Äthiopiens an chronischer Unterernährung leidet. Ihr Immunsystem ist zu schwach gegen Durchfall- und Atemwegserkrankungen, an denen fast drei Viertel der betroffenen Kinder sterben.
Das heißt: Auf der einen Seite haben wir die UNICEF, die um das Leben der Kinder Äthiopiens kämpft. Auf der anderen Seite haben wir die USA und die EU, die die Regierung dieses verarmten Landes aufrüsten und zu einem militärischen Einmarsch nach Somalia ermutigen. Ist es das, was die Bundesregierung unter „gleichberechtigter Partnerschaft mit den afrikanischen Ländern“ versteht?
Jede Afrikapolitik muss sich daran messen lassen, was sie den Armen in Afrika bringt. Die vorgelegte EU-Strategie für Afrika setzt einseitig auf die Förderung privater Investitionen - als wenn das allein schon irgendetwas für die Bevölkerungsmehrheit bringen würde! Blicken wir auf die Investitionen im Bergbau, etwa im Kongo! Die illegale Ausbeutung der Ressourcen hat der Bericht einer parlamentarischen Kommission in Kinshasa wohl dokumentiert. Herr von Klaeden, das müssen Sie ja kennen. Von ihr profitieren sowohl zahlreiche internationale Konzerne wie auch kongolesische Warlords und Geschäftemacher. Doch obwohl der Bericht nun schon ein Jahr vorliegt, wird er von EU und Bundesregierung totgeschwiegen. Anders ausgedrückt: Die Bundesbürger zahlen mit Millionen einen Einsatz der Bundeswehr im Kongo, doch die krummen Geschäfte in dem Land werden ungestört weiterbetrieben.
Wenn es hingegen um den Schutz von Arbeitnehmern in Afrika geht, bleibt die Bundesregierung systematisch untätig. Gestern lag hier im Bundestag ein Antrag der Linken zur Ratifizierung des IAO-Übereinkommens über Heimarbeit vor. Dieses Übereinkommen soll die Regierungen in Entwicklungsländern dazu verpflichten, Mindeststandards einzuführen und wenigstens den Mutterschutz zu gewähren. Doch die Regierungsfraktionen stimmten dagegen. Sie signalisieren ihren reichen Freunden in den Regierungen der armen Entwicklungsländer: Sorgt dafür, dass bei euch die Heimarbeiterinnen weiter rechtlos bleiben! Denn das hilft, das Lohnniveau zu drücken, und zwar weltweit, unter anderem eben auch in Deutschland.
Meine Damen und Herren, was wir brauchen, ist eine Politik, die erstens Armut in Afrika bekämpft, zweitens keine Kriege zwischen den afrikanischen Staaten anzettelt
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Wer macht denn das?)
und drittens solidarisch für die Interessen der lohnabhängig Beschäftigten in Afrika eintritt,
(Beifall bei der LINKEN)
mit anderen Worten: das Gegenteil der Politik, wie sie die G 8 und die EU unter der deutschen Ratspräsidentschaft verwirklichen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)