Anlässlich der Debatte über den Antrag "Nachhaltige Entwicklung in Subsahara-Afrika durch die Stärkung der Menschenrechte fördern" gibt die menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Annette Groth, zu Protokoll:
Die aktuelle Situation der Menschenrechte in den Staaten des südlichen Afrika ist in vielfacher Hinsicht problematisch. Auf der einen Seite verhindern autoritäre Regierungen die Durchsetzung der Menschenrechte. Auf der anderen Seite ist es auch die Politik der westlichen Industriestaaten, die für die Verletzung der Menschenrechte in Subsahara-Afrika verantwortlich ist. Durch die Freihandelspolitik der westlichen Staaten werden das Recht auf Nahrung, das Recht auf Wasser und das Recht auf Gesundheit eklatant verletzt. Die westliche Staatengemeinschaft nimmt für ihre eigenen Interessen billigend in Kauf, dass für die Interessen der internationalen Agrarmultis immer mehr Bauern von ihrem Land vertrieben werden und ganze Regionen durch systematisches Land Grabbing in die Hände von internationalen Konzernen geraten.
Durch die Afrika-Politik der westlichen Industrieländer wird diese Region vor allem zu einem Rohstofflieferanten und Absatzmarkt degradiert. Die Entwicklungsperspektiven für die Bevölkerung sind zweitrangig. Postkoloniale Strukturen werden durch diese Form der wirtschaftlichen Ausbeutung weiter gefestigt.
Die Menschenrechte der Menschen aus Subsahara-Afrika werden mit Füßen getreten, wenn durch die massive Durchsetzung von Freihandelsabkommen eine eigenständige Entwicklung dieser Region bewusst untergraben wird. Nur eine echte regionale Integration in Subsahara-Afrika könnte eine eigenständige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Region ermöglichen. Wir wissen aber, dass ein solcher Prozess sehr schwierig ist und viel Zeit braucht. Die neoliberalen Heilsbeter vergessen, dass die sechs Gründungsstaaten der EU elf Jahre gebraucht haben, um nach der Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine Zollunion zu verwirklichen. Den Staaten Subsahara-Afrikas wird diese Zeit jedoch nicht eingeräumt.
Diese Fragen werden im SPD-Antrag nicht thematisiert. Die Einschätzung im SPD-Antrag, dass bei einer Reihe von afrikanischen Staaten südlich der Subsahara die Chance besteht, die „Löwenstaaten“ der Zukunft zu werden, halten wir für zumindest fragwürdig.
Für die Interessen der internationalen Investoren werden überall in den Ländern Subsahara-Afrikas Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen. Laut Amnesty sind seit dem Jahr 2000 in Nigeria über 2 Mil-lionen Menschen unrechtmäßig aus ihren Häusern vertrieben worden. Von diesen Zwangsräumungen sind vor allem die ärmsten Bevölkerungsgruppen betroffen.
Diese Vertreibungen gehen auch aktuell weiter. So sollen in der nigerianischen Hafenstadt Port Harcourt 200 000 Menschen vertrieben werden, damit ein neues Geschäfts- und Freizeitzentrum für Unternehmen und die kleine Oberschicht errichtet werden kann.
Insgesamt ist der Antrag der SPD von einem verkürzten Menschenrechtsbegriff geprägt. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte werden nur unzureichend angesprochen. Die SPD verkürzt in ihrem Antrag die Menschenrechte einseitig auf die bürgerlichen Menschenrechte. Die alltäglichen Menschenrechtsverletzungen durch die Wirtschaftsinteressen der großen Konzerne werden leider nicht thematisiert.
Problematisch ist auch das Verständnis von Menschenrechtspolitik für die Staaten Subsahara-Afrikas. Die SPD setzt vor allem auf Selbstverpflichtungen der afrikanischen Staaten, etwa im Rahmen der Gründungsakte der Afrikanischen Union, des African Peer Review Mechanism, der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und internationaler Menschenrechtskonventionen.
Immer wieder wird die afrikanische Eigenverantwortung betont, nie aber die Verantwortung der Industriestaaten. Die Linke erwartet von einer emanzipatorischen Menschenrechtspolitik, dass die Politik der EU grundsätzlich geändert wird. Solange mithilfe von Frontex eine „Festung Europa“ aufgebaut wird und die europäische Flüchtlingspolitik billigend in Kauf nimmt, dass fast täglich Menschen an den EU-Außengrenzen sterben müssen, sind auch die Staaten der EU weit von einer Einhaltung der Menschenrechte entfernt. Das ist der eigentliche Skandal.
Auch die unkritische Bezugnahme des Antrags auf die Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur und AU-Friedensmissionen ist problematisch. In keiner Weise werden die Verletzungen der Menschenrechte, meist an Frauen und Kindern, durch Angehörige von Armeen thematisiert. Auch die militärischen Interventionen des Westens in Libyen und Côte d’Ivoire, die Tausenden von Zivilisten das Leben gekostet hat und mit massiven Menschenrechtsverletzungen verbunden waren, spielen in dem Antrag keine Rolle.
Auch wenn in dem Antrag einige richtige Forderungen aufgegriffen werden, ist er insgesamt unzureichend. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.