117. Sitzung des Deutschen Bundestages, 30. Juni 2011
TOP 30: Frauen- und Mädchenfußball stärken
Drucksachen 17/5907, 17/6281
Fraktion DIE LINKE
Jens Petermann, MdB – zu Protokoll
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
meine Fraktion bedauert es sehr, dass ein an sich sinnvoller Antrag der Bündnisgrünen zum Frauenfußball nicht öffentlich debattiert und nur zu Protokoll gegeben werden soll. Das ist besonders unverständlich, weil derzeit die Frauenfußball-WM in Deutschland stattfindet. Ein öffentliches Plenum wie der Bundestag wäre ein angemessenes Forum gewesen, die Fortschritte und Defizite im Frauen- und Mädchenfußball zu debattieren. Die antragstellende Fraktion gibt sich leider mit einer Protokolldebatte zufrieden. Gerade weil die grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung parallel zur WM die Veranstaltungsreihe Gender Kicks 2011 organisiert, wäre eine öffentliche Debatte sehr hilfreich. So gibt sich die Fraktion mit dem Effekt eines Schaufensterantrages zufrieden. Das ist wirklich bedauerlich.
Trotz dieses Mangels, lohnt es sich, diesen Antrag zu diskutieren. Er hat im Sportausschuss unsere Zustimmung erhalten: Der Antrag geht auf eine ganze Reihe von aktuellen Problemen ein und signalisiert unstreitig Handlungsbedarf, auch wenn die Probleme an der einen oder anderen Stelle sicherlich noch zu konkretisieren sind. Zudem lässt der Antrag, hier und da auch mögliche Lösungswege vermissen.
Die derzeitige Frauen-Fußball-Euphorie ist mit Sicherheit gesellschaftspolitisch nützlich. Es wäre fahrlässig, die WM im eigenen Lande nicht als Basis für eine stetige Entwicklung zu betrachten und die vorhandenen Potenziale besser auszuschöpfen.
Vor acht Jahren, als die deutschen Frauen zum ersten Mal den WM-Titel holten, wurde ihr Spiel weder besonders ernst noch besonders wahrgenommen. Hier hat sich einiges verändert wobei die Potenziale längst nicht ausgeschöpft sind.
Frauen- und Mädchen-Fußball ist in den Sportsendungen der Öffentlich-Rechtlichen Medien, von der aktuellen WM abgesehen, nicht mehr als eine Randnotiz. Es besteht allerdings Hoffnung, dass sich die hohen Zuschauerzahlen der ersten WM-Spiele in den Köpfen der Programmdirektoren bei ARD und ZDF festsetzen, und die Herren – meistens sind es Männer – ihre Lernfähigkeit unter Beweis stellen.
Dennoch gibt es aber eine plausible Begründung für die Ungleichbehandlung: Die Frauen-Bundesliga ist derzeit nicht sonderlich attraktiv, weil es noch zu wenige gleichwertige Mannschaften gibt. Denn der Frauen-Fußball hat längst nicht die sportliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung wie der Männersport. Fußballerinnen erhalten nur einen Bruchteil des Gehalts ihrer männlichen Kollegen. Ähnliches gilt für die Prämien der Nationalmannschaften. Es ist für junge Frauen derzeit unmöglich den Berufswunsch „Fußballerin“ als Ganztagsjob zu verfolgen, zumal die „Duale Karriere“ im Frauenfußball praktisch keine Bedeutung hat. Nur wenige Fußballerinnen können von ihrem Sport leben.
Beim Frauen- und Mädchen-Fußball geht es schließlich besonders um die Förderung des Breitensports. Hier zieht sich der Bund weiterhin so weit wie möglich aus der Verantwortung und überlässt die Finanzierung des Sports den chronisch klammen Ländern und Kommunen. Auch deshalb fordert DIE LINKE. im Bundestag seit langem ein Sportfördergesetz des Bundes, das sich des Breiten- und Freizeitsports genauso annimmt wie des Schulsports. Gerade im Schulsport müssen in allen Bundesländern die gleichen Mindeststandards gelten. Von Verantwortlichen im Bund wird gerne darauf verwiesen, dass diese Frage in den Kompetenzbereich der Länder fällt. Damit sich die Bunderegierung nicht weiter aus der Verantwortung herausreden kann, fordert DIE LINKE, Sport als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Solche konkreten politischen Forderungen fehlen leider im Antrag der Grünen.
Dabei ließen sich viele der 20 im Antrag aufgestellten Einzelforderungen auf einer solchen Grundlage schneller und effizienter umsetzen. Es steht außer Frage, dass Sport einen wichtigen Beitrag zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund leisten kann. Es steht auch außer Frage, dass derzeit nur wenige Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund zum Fußball finden. Das Programm des Bundesinnenministeriums „Integration durch Sport“ böte eine gute Ausgangsposition, Mädchen mit Migrationshintergrund neue Freiräume auch im Fußball zu eröffnen und die kulturelle Integration voran zu bringen. Es besteht aber leider ständig die Gefahr, dass die finanzielle Ausstattung eines solchen Programmes gekürzt oder ganz gestrichen wird. Stünde der Sport als Staatsziel im Grundgesetz ließen sich solche Einschnitte viel schwerer durchsetzen.
Dann wäre es übrigens für den Haushaltsausschuss auch nicht so leicht gewesen, den „Goldenen Plan“ zur Sportstättensanierung still und heimlich zu beerdigen. Was erst einmal aus den Haushaltsaufstellungen der Bundesregierung verschwunden ist, wird nicht so schnell wieder auftauchen. Dabei gibt es großen Sanierungsbedarf. Diesen Aspekt spricht der vorliegende Antrag nicht an, obwohl er ein Kernproblem aufgreift: Für die Stärkung des Frauen- und Mädchensports, nicht nur des Fußballs, ist es unbedingt erforderlich, auch die Sportanlagen baulich entsprechend anzupassen. Es geht dabei um mehr als die energetische Sanierung, die der Antrag als Beitrag zum Klimaschutz zu Recht einfordert. Wenn Mädchen und Frauen Sport treiben wollen, müssen Ihnen auch Umkleideräume und Duschen zur Verfügung stehen. Aufgrund der oft veralteten Sportanlagen in Deutschland gibt es da große Defizite. Um einen solchen Umbau realisieren zu können, muss ein bundesweites Sportstättensanierungsprogramm neu aufgelegt werden, denn die kaputt gesparten Kommunen können dies in aller Regel nicht leisten.
Die gesellschaftliche Bedeutung des Sports reicht in viele Bereiche hinein und über die deutschen Grenzen hinaus: Deshalb ist es wichtig, dass sich der Antrag nicht auf den Fußball beschränkt. Sport ist eben auch Bestandteil der Umwelt-, der Entwicklungs- und der Kulturpolitik. Wenn die Frauen-Fußball-WM als Türöffner für eine größere Akzeptanz und für stärkeren Einfluss des Mädchen- und Frauensports in Deutschland wirken soll, müssen die sich daraus ergebenden Chancen unmittelbar aufgegriffen werden. Bloße Sonntagsreden und Absichtserklärungen reichen hier nicht aus.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!