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Fehmarnbelt-Querung wird immer teurer

Rede von Lutz Heilmann,

In der Fragestunde des Bundestages fühlte Lutz Heilmann dem Bundesverkehrsministerium auf den Zahn, welche Kosten auf die Kommunen durch den Ausbau der Bahnstrecke zwischen Lübeck und Fehmarn zukommen würden. Das Ministerium konnte - oder wollte - dazu aber keine Angaben machen. Es kann aber nicht sein, dass der Bundestag den Staatsvertrag im Schnellverfahren ratifiziert, wenn noch nicht einmal die Kosten bekannt sind. DIE LINKE lehnt den Bau der Fehmarnbelt-Querung weiterhin vehement ab.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Ich rufe nun die Frage 26 des Kollegen Lutz
Heilmann auf:

Wie viele Eisenbahnkreuzungen mit Straßen in kommunaler Baulast befinden sich an der Schienenstrecke zwischen
Bad Schwartau und Puttgarden, die laut dem deutsch-dänischen Staatsvertrag über den Bau einer festen Fehmarnbelt-
Querung „spätestens sieben Jahre nach der Eröffnung“ der festen Fehmarnbelt-Querung von einer ein- zu einer zweigleisigen
elektrifizierten Schienenstrecke ausgebaut werden soll?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte gerne mit Ihrer Erlaubnis diese und die nächste Frage wegen
ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten. Dem Fragesteller geht dadurch ja keine Zusatzfrage verloren.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Dann rufe ich auch die Frage 27 auf:

Würde die laut dem deutsch-dänischen Staatsvertrag über den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung „spätestens bis
zur Eröffnung“ der festen Fehmarnbelt-Querung vorgesehene Elektrifizierung der teils zwei-, teils eingleisigen Schienenstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden die Anwendung von § 13 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes zur Folge haben, und, wenn ja, wie viele Straßen in kommunaler Baulast wären davon betroffen?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Herr Kollege Heilmann, Deutschland hat sich im Staatsvertrag über den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung vom 3. September 2008 zum Ausbau der Hinterlandanbindungen verpflichtet. Die vertragsgemäße Anbindung der festen Fehmarnbelt-Querung für Straße und Schiene auf deutscher Seite von Lübeck bis Puttgarden wird bis dahin realisiert.

Bis zur Eröffnung der festen Fehmarnbelt-Querung soll die vorhandene eingleisige Schienenstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden elektrifiziert werden. Darüber hinaus soll sieben Jahre nach Eröffnung der festen Fehmarnbelt-Querung der Ausbau der Schiene zwischen Lübeck und Puttgarden zu einer zweigleisigen Strecke abgeschlossen sein. Die Fehmarnsundbrücke bleibt eingleisig. Die DB Netz AG hat im Juni 2008 mit der Vorentwurfsplanung für die Schienenanbindung begonnen, die eine Vorzugsvariante für diesen Ausbau und entstehende Kosten ermitteln soll. Ergebnisse werden im Verlauf des Jahres 2009 vorliegen. Bis dahin können wegen möglicher Trassenveränderungen keine Aussagen bezüglich der Anzahl von Eisenbahnkreuzungen in kommunaler Baulast bzw. der betroffenen Kommunalstraßen getroffen werden.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

So, Herr Kollege Heilmann, Ihre Zusatzfragen.

Lutz Heilmann (DIE LINKE):

Die habe ich selbstverständlich. - Ich danke zunächst für die Ausführungen. Ich möchte aber jetzt nachfragen, ob Sie nicht doch Zahlen haben. Es gibt ja den Umweltkonsultationsbericht Eine feste Fehmarnbeltquerung und
die Umwelt von 2006. Dort steht auf Seite 16 im Absatz „Anlagenbedingte dauerhafte Auswirkungen“ unter dem
Stichwort „Fremdenverkehr“: Alle 43 Bahnübergänge zwischen Lübeck und Puttgarden bleiben in Betrieb.

Herr Staatssekretär, Sie haben das ja eben alles noch einmal sehr deutlich erklärt. Ihre Ausführungen stehen jedoch im Widerspruch zu dem genannten Umweltbericht. Nach diesem kann man ja davon ausgehen, dass es schon Zahlen gibt. Ich möchte einfach darauf hinweisen, dass es, auch wenn es für Sie im Verkehrsministerium nicht sehr viel Geld ist, für kleine Kommunen in Ostholstein, die einen solchen Bahnübergang laut § 13 Eisenbahnkreuzungsgesetz ertüchtigen und dafür 10 000 Euro aufwenden müssen, schon eine Menge Geld ist. Deshalb frage ich hier noch einmal nach, um den Kommunen entsprechende Auskünfte geben zu können.

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Es ist gut möglich, dass die von Ihnen zitierte Aussage aus dem Bericht und die Zahlenangabe stimmen. Trotzdem ist es so, dass man sich dann, wenn man in die konkrete Planung eines solchen Ausbauprojektes geht, erst einmal darüber verständigen muss - hier hat, wie gesagt, gerade die Vorplanung begonnen -, ob auf der bestehenden Trasse die geforderte Zweigleisigkeit hergestellt werden kann. Ich erinnere mich an andere Projekte - ich sitze zum Beispiel im Projektbeirat der zwischen Oberhausen und der holländischen Grenze verlaufenden Betuwe-Linie, wo es um den Bau eines dritten Gleises geht -, bei denen nicht automatisch klar war, dass das weitere Gleis immer neben der vorhandenen Trasse liegt: Es kann Radiusänderungen geben, das Gleis kann
teilweise rechts oder links von der bestehenden Trasse liegen. Das heißt, im Rahmen der Konfiguration der
Trasse wird es unter Umständen noch zu Änderungen kommen. Deshalb ist, wie ich glaube, die Aussage richtig,
dass wir zum Zeitpunkt der beginnenden Vorplanung noch nicht sagen können, welche konkreten Auswirkungen
dieses Bauvorhaben haben wird. Sie haben völlig recht: Das Eisenbahnkreuzungsgesetz nimmt auch die Kommunen mit in Haftung. Darin ist so geregelt, dass abhängig von der Art der Straßen und der anderen Verkehrsträger, die die Trassen kreuzen, Umlagen erhoben werden. Auch hier gibt es dann aber die Möglichkeit - das mögen die nächsten Jahre zeigen -, tragfähige Lösungen zu finden. Wieder einmal gespiegelt auf Nordrhein-Westfalen - ohne dass ich damit sagen will, dass diese Lösungen auch alle für Schleswig-Holstein infrage kommen -, kann ich zum Beispiel sagen, dass die Mittel, die der Bund nach den Beschlüssen der ersten Föderalismuskommission aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz den Ländern zur Verfügung stellt, natürlich auch für die Beseitigung von Eisenbahnkreuzungen in Anspruch genommen werden können.

Das heißt, den Kommunen kann ein Großteil der entstehenden Kosten auch mit Bundesgeld über die betroffenen Länder ersetzt werden.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Lutz Heilmann (DIE LINKE):

Ich habe noch eine Nachfrage. - Ich habe vorhin aus dem Umweltkonsultationsbericht zitiert. Erst heute hatte ich ein Gespräch mit Vertretern, die sich sehr vehement für die Fehmarnbelt-Querung in Deutschland einsetzen. Es gibt eine ganze Reihe von Untersuchungen, in denen viel über Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und soziale Belange enthalten ist.

Sie sagen, dieser Bericht sei zwar schön geschrieben und enthalte viele Punkte, aber es könne am Ende ganz anders kommen. Wir müssen also ganz neu über das Projekt nachdenken; denn Ihrer Antwort entnehme ich mehr oder weniger, dass vieles, was bisher geschrieben wurde, zwar Anhaltspunkte sein können, aber dennoch nach dem Motto „Papier ist geduldig“ verfasst wurden. Ist das so? Können Sie bestätigen, dass Sie mir keine definitive Aussage darüber geben können, wie viele Übergänge es gibt, bei denen Kommunen womöglich zahlen müssen?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Herr Heilmann, ich glaube, Sie verwechseln immer noch zwei Bewertungsgrundsätze. Die Aussage, die Sie zum zweiten Mal zitiert haben, besagt, dass es angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Bahntrasse befahren
wird, nicht notwendig wäre, diese 43 Bahnübergänge aufzuheben. Ich habe gesagt, dass im Rahmen der
Vorplanung unter Umständen Vorschläge dazu gemacht werden. Vielleicht kommen sie sogar von den Kommunen; denn viele Kommunen sind im Rahmen ihrer städtebaulichen Entwicklung mit der Bahn in Verhandlungen darüber, Bahnübergänge aufzulösen. In der Planung könnte, ausgelöst durch verschiedene am Verfahren Beteiligte, durchaus eine Situation entstehen, die mich veranlasst, diese Zahl zu korrigieren. Deshalb verweise ich noch einmal auf die Vorplanung.

Ich glaube, die Zusammenführung der beiden völlig unterschiedlichen Bewertungsgrundsätze - das haben Sie gerade versucht - ist einfach nicht zulässig.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Lutz Heilmann (DIE LINKE):

Ich möchte noch eine Klarstellung anfügen. Dieser Umweltkonsultationsbericht ist ja nicht von irgendwem
herausgegeben worden. Er ist auf deutscher Seite vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
und auf dänischer Seite vom Ministerium für Verkehr und Energie herausgegeben worden. Die Bundesregierung
ist also daran beteiligt gewesen. Führen Sie jetzt konkrete Gespräche mit ostholsteinischen Kommunen, zum Beispiel mit den Städten Neustadt und Oldenburg, ob Bahnübergänge aufgelöst und stattdessen Brücken oder Tunnel gebaut werden können?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Da ich in den letzten beiden Antworten darauf hingewiesen habe, dass die Bahn gerade erst mit der Vorplanung begonnen hat, ist für jeden einsichtig, dass es derartige Gespräche noch gar nicht geben kann.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Lutz Heilmann (DIE LINKE):

Die Parlamentarische Staatssekretärin Klug sitzt neben Ihnen auf der Regierungsbank. Der Umweltminister hat im Mai in Ostholstein auf einer Veranstaltung die Meinung geäußert, er halte die Fehmarnbelt-Querung - das ist nicht von mir; das hat der Bundesumweltminister so gesagt - für eine „bekloppte Idee“. Letzte Woche hatte die Frau Staatssekretärin Besuch aus Ostholstein, wenn ich es den Zeitungen richtig entnommen habe.

Vor dem Hintergrund, dass hier offensichtlich Uneinigkeit in der Bundesregierung zwischen dem Bundesumweltministerium, das von einer „bekloppten Idee“ spricht, und Ihrem Ministerium - Herr Tiefensee hat sich in Elmshorn ganz anders geäußert - herrscht, möchte ich fragen, welche Auswirkungen diese Uneinigkeit auf das bevorstehende Ratifizierungsverfahren hat. Letzte Woche wurde uns der entsprechende Gesetzentwurf vorgelegt.

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Ich gehe einmal davon aus, dass Sie dann von Uneinigkeit in der Bundesregierung sprechen können, wenn Herr Gabriel diese Äußerung am Kabinettstisch bei der Verabschiedung des Staatsvertrages wiederholt. Warten wir das doch einmal ab! Ich gehöre nicht zu der Politikergeneration, die jede Äußerung eines Politikers kommentieren muss. Ich finde, man darf einem auch einmal etwas durchgehen lassen.