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Europäischer Rat am 11. und 12. Dezember 2008

Rede von Lothar Bisky,

Rede von Prof. Dr. Lothar Bisky zur Regierungserklärung durch die Bundeskanz-lerin zum Europäischen Rat am 11. und 12. Dezember 2008 am Donnerstag, dem 04.12.2008
im Plenum des Deutschen Bundestages

Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Der Europäische Rat wird eine Fülle von Themen behandeln, die sich wechselwei-se durchdringen. Wir alle wissen, dass wir komplexe Antworten brauchen.
Aktuell befinden wir uns in der tiefsten finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Krise seit Jahrzehnten. Diese Krise betrifft die Menschen weltweit; sie gefährdet Einkommen, soziale Sicherheit und bei den Schwächsten gar die Existenz. Die Krise entstand aus unverantwortlichem Handeln der politischen und ökonomischen Eliten.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie ist Folge des neoliberal globalisierten Kapitalismus, der ungezügelten Raffgier und von Finanzspekulationen. Kurz: Sie ist die Konsequenz aus fehlender Transparenz, zu geringer Kontrolle und mangelnder Regulierung.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die neoliberale Ausrichtung der Wirtschaft wurde der EU und den europäischen Volkswirtschaften nicht von außen aufgezwungen. Sie war politisch gewollt, und sie ist durch die Einheitliche Europäische Akte und den Vertrag von Maastricht durchgesetzt worden.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Vertrag von Lissabon sollte dies noch zementiert und verschärft werden. Nicht ein-mal jetzt gehen Sie davon ab, da offensichtlich wird, dass dies der falsche Weg ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, wir lehnen diesen Weg ab, denn unser Nein zum Vertrag von Lissabon ist von unseren proeuropäischen Hoffnungen getragen. Die Linke will eine andere Politik. Sie will ein besseres Europa, das auf wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt beruht und in dessen Mittelpunkt die Bürgerinnen und Bürger stehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir Linken kämpfen für den Ausbau und die Wiederherstellung sozialer Errungenschaf-ten. Wir wollen eine Politik der Solidarität und Zusammenarbeit, die auf Vollbeschäfti-gung und einen vernünftigen Umgang mit der Natur zielt.
Insofern halte ich es für richtig, dass die Bundeskanzlerin dem Klimaschutz in ihrer Rede einen ihm gebührenden Platz einräumt, wiewohl wir seit Langem keinen Mangel an Absichtserklärungen haben, allerdings an entsprechenden Ergebnissen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Vorschläge der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise greifen zu kurz: Ein Finanzsystem, das nur mit massiven staatlichen Bürgschaften wieder flottgemacht werden kann, gehört dauerhaft unter öf-fentliche Kontrolle.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Konjunkturprogramme von Bundesregierung und EU-Kommission sind zu gering ausgestattet. So kann die aktuelle Krise nicht wirksam bekämpft werden. Es ist richtig, Opel zu helfen, aber es gilt, zu verhindern, dass das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für CO2-Killer-Autos verwendet und an den Mutterkonzern General Motors fließt.
(Beifall bei der LINKEN)
Eine Schlussfolgerung wäre die Aufhebung des Verbotes von Kapitalverkehrskontrollen in der EU.
(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE))
Die EU-Kommission hat angekündigt, Hilfsmaßnahmen zur Rettung von Arbeitsplätzen zu erleichtern und die Regeln für staatliche Beihilfen zu lockern wir unterstützen das , das reicht aber nicht. Die Genehmigungspflicht bei Subventionen im Rahmen einer Konjunktur- und Strukturpolitik muss infrage gestellt werden. Überdies brauchen wir ein besseres EU-Recht zur Auftragsvergabe.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Zentralbank zu einer wirtschaftspolitischen Zielorientierung verpflichtet wird und die Daseinsvorsorge vom Deregulierungs- und Privatisierungsdruck befreit wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Dazu muss das EU-Vertragsrecht geändert werden. Hier initiativ zu werden, stünde der Bundesregierung gut zu Gesicht.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben auf den transatlantischen Gipfel zwischen den USA und der EU hingewiesen. Wir würden es begrüßen, wenn in diesem Zusammenhang vereinbart würde, dass auf die US-Basen im System des geplanten Raketenabwehr-schildes in Polen und der Tschechischen Republik gänzlich verzichtet wird;
(Beifall bei der LINKEN)
denn sie bringen nicht mehr Sicherheit, aber gewiss mehr Aufrüstung, und sie bergen die Gefahr einer neuen Spaltung Europas in sich.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir Linke wollen die neoliberale und auf Militärinterventionen ausgerichtete EU-Politik stoppen. Nur wenn das gelingt, wird die europäische Integration zu einem sozialen und friedenssichernden Europa führen, zu einem Europa, zu dem die Menschen Ja sagen. Nur wenn die Menschen dieses Europa bejahen, wird es auf Dauer von Bestand sein.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)