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Europa 2020 - Beratungen sofort aussetzen und wirkliche Zukunftsdiskussion beginnen

Rede von Alexander Ulrich,

Alexander Ulrich (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Strategie „Europa 2020“ ist die Fortsetzung der gescheiterten Lissabon-Strategie. Die Beratungen in den letzten Wochen und Monaten haben gezeigt: Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen sind nicht in der Lage und nicht gewillt, einen Erkenntnisgewinn aus dem Scheitern der Lissabon-Strategie zu ziehen. Denn was war die Lissabon-Strategie? Das war die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, mehr prekäre Beschäftigung, Privatisierung und Deregulierung. Das, was wir zurzeit auf den Finanzmärkten sehen, war schon Inhalt der Lissabon-Strategie. Jetzt will man diese gescheiterte Politik fortsetzen. Es ist deshalb klar, dass die Ziele, die schon mit der Lissabon-Strategie nicht erreicht worden sind, auch mit der Strategie „Europa 2020“ nicht erreicht werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Schon anlässlich der letzten Beratung habe ich gesagt, dass diese Debatte an den Menschen vorbeigeht. Während Europa in der tiefsten Krise steckt, das europäische Haus lichterloh brennt und man nicht weiß, wann das nächste Rettungspaket durch den Bundestag gepeitscht werden muss, wird eine Strategie für die nächsten zehn Jahre dargelegt. Dabei weiß noch nicht einmal die Bundeskanzlerin, ob Europa in dieser Art und Weise noch ein Jahr besteht. Wenn die Bundesregierung so weitermacht, zeigt sie, dass sie zutiefst antieuropäisch handelt.
(Gabriele Molitor (FDP): Was sind denn Ihre Vorschläge?)
Das schreiben mittlerweile schon Medien, die nicht unbedingt zu uns gehören.
(Beifall bei der LINKEN - Gabriele Molitor (FDP): Immer nur destruktiv!)
Unsere Fraktion hat gesagt, wir müssen jetzt Krisenbewältigung betreiben. Das heißt, wir brauchen endlich eine Regulierung der Finanzmärkte. Wenn uns das nicht gelingt, sind alle anderen Ziele nicht erreichbar. Deshalb haben wir gesagt, wir setzen diese Strategiedebatte aus,
(Gabriele Molitor (FDP): Vogel-Strauß-Mentalität!)
um erst einmal das zu diskutieren, was notwendig ist. Man sieht ja, dass die Bundesregierung auch nach zwei Jahren Finanzkrise nicht bereit ist, zu europäischen Lösungen zu kommen. Wir müssen uns dann Gedanken machen, wie Europa in kleineren Schritten, im Prinzip über einen Zeitraum von drei, vier Jahren, gestaltet werden kann. Wir sagen es noch einmal: Europa kann nur sozial gestaltet werden, sonst wird Europa nicht gelingen.
Sie von der FDP stellen sich hier hin deshalb ist auch jede Debatte sinnvoll und notwendig und sagen, europäische Betriebsräte würden sozusagen das Wirtschaftswachstum gefährden. Hätten wir keine Betriebsräte, hätten wir keine starken Gewerkschaften, hätten wir Hunderttausende, wahrscheinlich sogar Millionen mehr Arbeitslose. Das ist nicht nur ein deutsches Phänomen das müssen Sie auch einmal anerkennen , sondern ein europäisches Phänomen.
(Gabriele Molitor (FDP): Wer schafft denn die Arbeitsplätze! - Harald Leibrecht (FDP): Seit wann schaffen Gewerkschaften Arbeitsplätze? Nur für sich selber!)
Deshalb müssen wir gerade die Betriebsräte und die Gewerkschaften stärken, möglicherweise auch durch eine Strategiedebatte.
(Beifall bei der LINKEN)
Dass die FDP, die sich hier hingestellt und vorgeschlagen hat, wir sollten Griechenland nicht helfen, die sollten erst einmal ihre Inseln verkaufen, ihre antieuropäische Politik fortsetzt, zeigte sich gestern auch bei Opel.
(Widerspruch bei der FDP)
Europäische Länder wollen Opel helfen, aber die deutsche Bundesregierung stellt sich hin und sagt: Wir machen gar nichts.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Zuruf von der FDP: Quatsch!)
Diese Bundesregierung will maroden Banken und der Finanzwelt helfen, aber dort, wo europäische Solidarität gefragt wäre, macht sie nichts. Die anderen Länder mit GM-Standorten haben ihre Unterstützung zugesagt. Aber FDP und CDU haben Nein gesagt.
(Harald Leibrecht (FDP): Weil wir auch an den Steuerzahler denken, was Sie nicht tun und nie getan haben!)
Sie sind mal wieder auf einem antieuropäischen Weg.
(Beifall bei der LINKEN - Gabriele Molitor (FDP): Der hat nichts verstanden!)
Mein Vorredner von der CDU hat gesagt, wir würden uns hier im Kleinklein verlieren. Es war Franz Müntefering ich erwähne es noch einmal , der die Agenda 2010 und Hartz IV zu Maßnahmen im Rahmen der nationalen Umsetzung der Lissabon-Strategie erklärt hat. Ich bin mir relativ sicher, dass diese Bundesregierung das Sparpaket aus dieser Woche auch wieder zu einer Maßnahme im Rahmen der nationalen Umsetzung der Europa-2020-Strategie erklären will. Deshalb ist es auch nicht zufällig, dass man sich nicht auf Ziele bei der Armutsbekämpfung einlässt. Denn wer eine Strategie fährt, wo den Ärmsten der Armen noch einmal etwas gekürzt wird, kann sich auf europäischer Ebene natürlich nicht hinstellen und sagen, wir wollen Armut bekämpfen. Das, was diese Woche von der Bundesregierung beschlossen worden ist, wird auch in Deutschland zu mehr Armut führen.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit komme ich zum Schluss. Wir brauchen mehr Regulierung; wir brauchen mehr Beteiligung in der Finanzwelt; wir brauchen europäische Mindestlöhne; wir brauchen europäische Betriebsräte; wir brauchen stärkere Gewerkschaften und wir brauchen auch wenn die Beträge verändert werden endlich eine soziale Fortschrittsklausel, denn Europa kann nur sozial gelingen, oder Sie fahren es an die Wand - wenn es nicht schon so weit ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)