Persönliche Erklärung zum Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan:
Persönliche Erklärung gem. § 31 GeschOBT zur Abstimmung TOP 7 „Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen“:
Ich stimme den Antrag auf Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan nicht zu, da ich den Krieg der NATO in Afghanistan ablehne. Dieser Krieg hat den meisten Afghaninnen und Afghanen nur Schrecken, Armut und Tod gebracht.
Das Ergebnis nach über 10 Jahren Krieg in Afghanistan ist verheerend. Jeden Tag steigt die Zahl der Opfer an. Die Armut der Bevölkerung wächst. Nach Schätzungen von Hilfsorganisationen hat etwa ein Drittel der afghanischen Bevölkerung nicht genug zu essen. Der Bedarf an Getreideimporten erhöhte sich von 2010 auf 2011 von 1,1 Mio. Tonnen auf geschätzte 1,7 Mio. Tonnen. Laut Oxfam sind in dem Land ein Drittel der Kinder unterernährt. Das Überleben von 3 Millionen Menschen hängt von ausländischen Hilfslieferungen ab. Laut einem Bericht des UN-Sicherheitsrats sterben in Afghanistan jedes Jahr 40.000 Personen an den Folgen unzureichender Ernährung.
Es sind gerade die Frauen und Kinder die am stärksten unter diesem Krieg leiden. Deutschland steckt jedes Jahr mehr als 530 Millionen Euro in den Krieg in Afghanistan. Lediglich ein Viertel dieser Summe wird für zivile Hilfsprojekte zur Verfügung gestellt. Gemeinsam mit der Friedensbewegung, aber auch mit der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland, fordere ich, Truppen raus aus Afghanistan – und zwar sofort.
Die USA gibt jährlich mehr als 173 Milliarden Dollar für diesen Krieg aus. Mit einem Bruchteil dieses Geldes könnte die Armut in Afghanistan bekämpft und die soziale Situation der Bevölkerung nachhaltig verbessert werden.
Nach zehn Jahren NATO-Krieg ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt. Die heutige NATO-Strategie treibt die verarmte und verbitterte Bevölkerung geradezu in die Arme der Taliban-Kämpfer, die ihnen aus ihrer Sicht wenigstens ein geregeltes Einkommen bieten.
Ich stimme auch gegen die Verlängerung des Mandats für den Bundeswehreinsatz in Afghanistans, weil die Kriegsökonomie des NATO-Krieges dazu geführt hat, dass sich Afghanistan zum weltweit größten Produzent von Opium entwickelt hat. 80 bis 90 Prozent des weltweit angebauten Opiums kommen aus Afghanistan.
Im Jahr 2010 ist die Menge des angebauten Schlafmohns von 3600 um 61 Prozent auf 5800 Tonnen gestiegen. Nach UN-Angaben liegt der Wert des in Afghanistan produzierten Opiums bei etwa 1,4 Milliarden US-Dollar. Alleine im Jahr 2011 hat sich die Opiumanbaufläche um 61 % vergrößert! Das ist eine direkte Folge der NATO-Intervention.
Viele Bauern haben nur durch den Opiumanbau und die Drogenökonomie eine reale Überlebenschance. All die schönen Worte vom Aufbau Afghanistans sind Schall und Rauch. Durch den zunehmenden Drogenkonsum verfällt die afghanische Gesellschaft immer mehr. Selbst im „Fortschrittsbericht“ der Bundesregierung wird zugegeben: „Die Zahl der Drogensüchtigen in Afghanistan nimmt weiter zu, und mit ihr die Ausbreitung von HIV und anderer Krankheiten“.
In Afghanistan ist die gesamte Politik und Wirtschaft von einer korrupten Drogenökonomie durchsetzt. Diese mafiösen Zustände verhindern die politische und soziale Entwicklung des Landes. Brutale Warlords finanzieren mit dem Drogengeld den Kauf von Waffen und Privatarmeen, die ihre Vormachtstellung absichern. Die NATO und ihre Verbündeten sind mit ihrer derzeitigen Politik nicht in der Lage, den Menschen in Afghanistan eine Perspektive jenseits dieser Drogenökonomie zu bieten. Vielmehr wird durch die bisherige Politik die Drogenclans gefördert, die sich verbal als Gegner der Taliban erklären.
Die Afghanistan-Politik der Bundesregierung und der ISAF ist gescheitert. Kriege und Waffengewalt schaffen in Afghanistan keine Demokratie; vom Schutz der Menschenrechte möchte ich gar nicht reden. Deshalb werde ich heute mit Nein stimmen. Mit diesem Nein möchte ich dazu beitragen, die Möglichkeit für einen zivilen Aufbau in Afghanistan zu eröffnen und die Logik des Krieges, der Gewalt und des täglichen Sterbens zu beenden.