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Entwicklungspolitik heißt Umverteilung – in Deutschland und weltweit

Rede von Niema Movassat,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Niebel, ich bin guter Dinge, dass dies heute der letzte entwicklungspolitische Haushalt unter Ihrer Verantwortung ist, den wir uns antun müssen. Ihre Bilanz als Entwicklungsminister ist verheerend.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Otto Fricke (FDP): Das ist falsch, Herr Kollege!)

Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag geschrieben, dass Sie 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufbringen wollen. Damit wollten Sie ein vor über 40 Jahren abgegebenes völkerrechtlich verbindliches Versprechen einlösen. Aber seit Ihrem Amtsantritt dümpelt die deutsche Entwicklungshilfequote bei mageren 0,4 Prozent oder weniger herum. Das zeigt, wie viel Ihnen Entwicklungszusammenarbeit praktisch wert ist: so gut wie nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Um wie versprochen die 0,7 Prozent bis 2015 zu schaffen, bräuchten wir eine Steigerung des Entwicklungshaushalts von etwa 2 Milliarden Euro pro Jahr. Deshalb, Herr Selle, haben wir diesen Antrag hier eingebracht. Machbar ist das. Wer 33,3 Milliarden Euro für den Verteidigungshaushalt ausgibt wie diese Regierung, aber nur 6,3 Milliarden Euro für Entwicklung, setzt falsche Prioritäten. Mit einem Bruchteil des Geldes, das Sie für Rüstung und Krieg ausgeben, ließen sich Armut und Elend auf dieser Welt bekämpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun soll das Volumen des Entwicklungshaushalts sogar noch schrumpfen. Das besonders Pikante ist, dass Sie diese Haushaltskürzungen laut Presseberichten Ihrem Parteikollegen Koppelin zu verdanken haben, der Sie damit offensichtlich schwächen möchte. Da stimmt dann wohl bei der FDP der Satz: Die Steigerung von Feind ist Parteifreund.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Eines Ihrer Ziele war die Fusion der staatlichen technischen Entwicklungszusammenarbeit. Sie haben dafür GTZ, DED und InWEnt zur GIZ, Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, zusammengefügt. Damit sollte die Entwicklungsarbeit effektiver werden. Die Idee war gut, die Realität ist ein Trauerspiel. Viele Beschäftigte sind frustriert. Laut der jüngsten Mitarbeiterbefragung ist fast die Hälfte der GIZ-Belegschaft mit dem Fusionsprozess und der Arbeit des Vorstands unzufrieden. Da Sie, Herr Niebel, das Projekt immer als Chefsache behandelt haben, ist das auch für Sie ein vernichtendes Urteil.

(Beifall bei der LINKEN)

Verheerend ist auch die politische Umorientierung, die Sie in der GIZ vorantreiben. Sie bauen das Unternehmen zu einem weltweiten Dienstleistungsunternehmen für Aufgaben aller Art um. Die Kernaufgabe der Entwicklungspolitik, die Armutsreduzierung, fällt dabei hinten runter. Im neuen Leitbild der GIZ steht dazu kein Wort mehr.

Während für uns im globalen Norden eine ausreichende Ernährung, fließend Wasser und Strom meist selbstverständlich sind, kämpfen unzählige Menschen im Süden täglich ums nackte Überleben. 1,4 Milliarden Menschen weltweit leben in extremer Armut. Die Teller bleiben leer, Schulen sind unerreichbar, sauberes Wasser ist Luxusgut. Angesichts dessen ist Armutsbekämpfung wichtiger denn je.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen bietet die GIZ Dienstleistungen an, die mit Menschenrechten und Entwicklungszusammenarbeit nichts zu tun haben. So bildet die GIZ saudische Grenzpolizisten aus. Ich frage Sie, Herr Niebel: Ist Saudi-Arabien, in dem Frauen gesteinigt, Menschen zur Bestrafung Gliedmaßen abgehackt werden, ein Beispiel für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit? Wir als Linke sagen klar Nein.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Christian Ruck (CDU/CSU): Sie zahlen dafür!)

Für Sie ist Entwicklungspolitik nichts anderes als Außenwirtschaftsförderung im Interesse deutscher Unternehmen. Diese profitieren von Ihrem Kurs, nicht kleine und mittelständische Unternehmen in den Ländern des Südens.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Dazu passen auch Ihre Renditeerwartungen. Vor kurzem sprachen Sie im Entwicklungsausschuss davon, dass jeder Euro in der Entwicklungszusammenarbeit zu einer Erhöhung des deutschen Exports um 3 bis 4 Euro führt. Aus 1 Euro mach 4 Euro, 300 Prozent Rendite: Da erblasst ja selbst ein Herr Ackermann vor Neid.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Herr Niebel, Ihnen fällt Ihr eigener ideologischer Widerspruch nicht einmal mehr auf. Ich dachte, Liberale lehnen Subventionen für Unternehmen ab. Nun bauen Sie zum Beispiel mit öffentlich-privaten Partnerschaften das Entwicklungsministerium zu einem Förderinstitut für deutsche Unternehmen um. Mit liberaler Lehre hat das nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber all das ist letztlich nur die Spitze des Eisbergs. Wir brauchen eine grundlegend andere entwicklungspolitische Strategie. Die globale soziale Ungerechtigkeit muss beendet werden.

Heute besitzen weltweit 63 000 Menschen ein Vermögen von 40 Billionen Dollar. Das ist mehr als die Hälfte des jährlichen Bruttoinlandsprodukts aller Staaten auf der Welt zusammengenommen. 63 000 Menschen das sind gerade einmal 0,00009 Prozent der Weltbevölkerung.

(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Haben Sie sich vielleicht um zwei Nullen vertan?)

Gleichzeitig hat die Hälfte der Menschheit keinerlei Vermögen. Gleichzeitig verhungert alle fünf Sekunden ein Kind. Überall auf der Welt sterben Menschen an Hunger, ob in Guatemala, Kongo oder Indien.

Auf der einen Seite gibt es grenzenlosen Reichtum, auf der anderen Seite ungeheure Armut. Bei einer gerechten Verteilung des weltweiten Reichtums müsste heute niemand mehr an Hunger und Armut sterben.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb müssen wir umverteilen in Deutschland und weltweit. Das wäre tatsächliche Entwicklungspolitik.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)