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Einführung eines Ordnungsgeldes für Abgeordnete

Rede von Dagmar Enkelmann,

Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Neunundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordneten¬gesetzes – Einführung eines Ordnungsgeldes; Drucksache 17/547

Vor wenigen Monaten wurde hier an dieser Stelle das Vorgehen der Koalition bei der Laufzeitverlängerung als „Gesetzgebung mit der Brechstange“ gebrandmarkt. In der Debatte fielen Worte wie „Lügner“ oder „Affentheater“. Journalisten berichteten später, in Richtung der Oppositionsfraktionen seien sogar Worte wie „Faschisten“ gefallen, weil eine Fraktion in einheitlicher Protestkleidung aufgetreten war. Rügen an Abgeordnete seitens der Sitzungsleitung, Ordnungsrufe oder gar Ausschlüsse von der Sitzung sind nicht bekannt, auch keine Entschuldigungen. Nur der Präsident des Bundestages erinnerte daran, es sei guter parlamentarischer Brauch, auf persönlich herabsetzende Bemerkungen zu verzichten. Offenkundig hat sich daran niemand wirklich gestört.

Die Laufzeitverlängerung wurde dann mit der Mehrheit der Koalition durchgewunken – entgegen aller Vernunft, wie wir heute nach den Ereignissen um Fukushima wissen. Diese Art Gesetzgebung nach politischer Willkür verletzt die Würde der Demokratie und dieses Hauses. Dass Abgeordnete zu Abnickmaschinen degradiert werden, erleben wir nicht zum ersten Mal. Ähnlich wurden hier Gesundheitsreformen, Bankenrettungsfonds von 480 Milliarden Euro oder – wie jüngst – Einsätze zusätzlicher Bundeswehrsoldaten in AWACS-Maschinen über Afghanistan beschlossen – oder besser gesagt: durchs Parlament gepeitscht.

Aber gegen diese anhaltende Missachtung parlamentarischer Spielregeln liegt seitens der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP kein Gesetzentwurf vor. Stattdessen legen Sie einen Gesetzentwurf vor, nach dem Abgeordnete künftig bei einer „nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“ mit einem Ordnungsgeld bestraft werden können. Sie tun so, als drohten hier im Bundestag Verhältnisse, in denen Abgeordnete mit Fäusten aufeinander losgehen. Davon kann, wie Sie genau wissen, nicht die Rede sein.

Ganz offen wird von Ihnen erklärt, das Ordnungsgeld werde nur wegen angeblicher Störaktionen einer einzigen Fraktion eingeführt: der Linken. Eine Aktion der Linken, die Sie zum Beispiel als störend erachteten, betraf das Gedenken an die Opfer von Kunduz – Opfer eines Bombardements, befohlen von einem deutschen Offizier. Ein angemessenes Gedenken daran aber haben Sie abgelehnt. Das hat die Würde dieses Hauses verletzt, nicht aber die von Linken hochgehaltenen Schilder mit Namen und Alter der Opfer.

Ihr Gesetzentwurf ist im Kern eine Lex Linke. Auch das ist würdelos. Keine Frage: Das demonstrative Tragen von Kleidung, zumal im Parlament vor der Öffentlichkeit, muss nicht jeder gut finden – so wie nicht jeder das Tragen einer Krawatte gut finden muss. Kleidungs- und Geschmacksfragen aber demonstrativ mit Ordnungsgeld zu bestrafen, ist eindeutig überzogen und zudem verfassungsrechtlich bedenklich.

Wann und wie die Würde des Hauses verletzt sein soll, weiß die Mehrheit dieses Hauses zudem so genau nicht. Die Entscheidung darüber überlassen Sie dem Präsidenten des Bundestages. Das Ordnungsgeld wird so zu einer politischen Willkürveranstaltung.
Gegen das geplante Ordnungsgeld gibt es für die Abgeordneten auch keinen effektiven Rechtsschutz. De facto müsste ein Abgeordneter, wenn sie oder er mit dem verhängten Ordnungsgeld nicht einverstanden ist, beim
Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen. Darüber hinaus hält die Fraktion Die Linke die von der Mehrheit des Hauses vorgesehene Einschränkung der Rechte souveräner Abgeordneter für verfassungsrechtlich bedenklich. Deshalb behält sich die Linke auch vor, das Ordnungsgeld vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen.

Im Parlament soll es auf das Miteinander-Reden, auf das Abwägen von Argumente ankommen. Darin sind wir uns sicher einig. Ich hoffe sehr, dass sich die Fraktionen von Union, SPD und FDP bei den kommenden Ausschussberatungen von vernünftigen Argumenten leiten lassen und diesen Gesetzentwurf zurücknehmen.