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Eine europäische Bankenaufsicht ohne Durchgriffsmöglichkeiten

Rede von Barbara Höll,

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):

 

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut sechs Jahre ist der Ausbruch der Finanzkrise her. Viele, viele Arbeitsplätze hat sie gekostet und viele Menschen, die gar nichts, rein gar nichts für die Krise konnten, in finanzielle, in existenzielle Not gebracht. Die Staatsverschuldung vieler Länder schnellte rasant in die Höhe. Die Finanzkrise ging in die Krise des Euros über, und in vielen europäischen Staaten spitzten sich die Probleme der Bevölkerung dramatisch zu; sie spitzen sich weiter zu. Die Arbeitslosenrate unter Jugendlichen in Griechenland, das sich im sechsten Jahr der Rezession befindet, liegt bei rund 60 Prozent – auch eine Folge der harten Spar- und Kürzungsprogramme.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein Armutszeugnis der Politik und sicher auch einer der Gründe, warum die Politikverdrossenheit zunimmt und radikale eurokritische Parteien wie die „Alternative für Deutschland“ Zulauf erfahren, dass Sie viel zu spät gehandelt haben und handeln.

 

(Beifall bei der LINKEN – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie den Namen noch erwähnt haben!)

 

Die Krise brachte die Erkenntnis – immerhin! –, dass nicht die weitere Liberalisierung der Finanzmärkte die Lösung sein kann, getreu dem Motto „Der Markt wird es schon richten“, sondern dass es sowohl der Regulierung der Bankentätigkeit, insbesondere der Bankprodukte, bedarf, um Zockerei, die nichts mit der Kernaufgabe von Banken, der Finanzierung der Realwirtschaft, zu tun hat, zu verhindern, als auch klarer Mechanismen zur Abwicklung insolventer Banken, um zu verhindern, dass weiterhin die Gewinne privatisiert und die Verluste der Allgemeinheit, also uns allen, aufgebürdet werden.

 

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist Wiederholung!)

 

Dies erfordert eine Bankenaufsicht, einheitlich geregelt, mindestens im Euro-Raum; das ist unbestritten.

 

Heute geht es um einen Gesetzentwurf, mit dem besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB übertragen werden sollen, die SSM-Verordnung. Der deutsche Vertreter im Rat soll ermächtigt werden, dem Vorschlag für die Verordnung des Rates zuzustimmen. De facto wollen Sie damit von uns heute nur die förmliche Zustimmung und sich damit rechtlich absichern.

 

Die Linke sieht die Notwendigkeit einer europäischen Bankenaufsicht, ganz klar.

 

(Zuruf von der FDP: Aber Ihr stimmt dagegen!)

 

Allerdings ist Ihre Umsetzung so halbherzig, dass wir Ihrem Vorgehen nicht zustimmen können. Die Kritikpunkte überwiegen eindeutig. Schließlich muss die Frage lauten: Wird die Bankenaufsicht mit Ihrem Gesetz besser oder nicht? Das ist der springende Punkt. Man muss leider sagen: Nein, sie wird nicht besser.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Lassen Sie mich vier Punkte herausgreifen:

Erstens. Die Begrenzung der europäischen Bankenaufsicht auf die Euro-Zone erfasst damit nicht die Bankaktivitäten am größten europäischen Finanzplatz London. Das ist natürlich ein Riesenmanko.

 

(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Fahren Sie doch mal da hin!)

 

Zweitens. Die europäische Bankenaufsicht, so wie sie bei der EZB angesiedelt werden soll, birgt in sich einen Zielkonflikt zwischen der Geldpolitik der EZB und ihrer Aufsichtstätigkeit. Zudem ist die Europäische Zentralbank den Weisungs- und Kontrollrechten der Regierungen völlig entzogen. Ich will das einmal vergleichen: Die BaFin, die nationale Bankenaufsicht, untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums, welches wiederum der parlamentarischen Kontrolle unseres Hauses untersteht. Das ist eine ganz andere Konstruktion.

 

Drittens. Die von Ihnen organisierte Bankenaufsicht hat im Prinzip keinerlei Macht. Im Gegensatz zur nationalen Bankenaufsicht hat die EZB keinerlei Möglichkeiten, die von ihr beaufsichtigten systemrelevanten Banken zu schließen, abzuwickeln oder neu zu organisieren. Es ist sozusagen ein Tiger ohne Zähne. Da wird sich von vornherein manche Bank freuen.

 

Viertens entsteht mit der neuen Bankenaufsicht ein weiteres Problem. Richtig ist, dass wir heute in Europa eine Vernetzung zwischen den Banken haben, aber gleichermaßen auch im Wertpapierhandel und im Versicherungswesen. Was wir brauchen, ist eine Allfinanzaufsicht, die tatsächlich alle diese drei Bereiche kontrolliert.

(Beifall bei der LINKEN)

In Ihrer Organisation der Bankenaufsicht besteht die Gefahr, dass Krisen nicht erkannt werden und einfach von einem Bereich auf einen anderen überschwappen.

Die Bundesregierung war viel zu lang untätig. Nun läuft Ihnen einfach die Zeit davon. In Windeseile erschaffen Sie hier ein Gesetz, mit dem Sie sich eine Zustimmung im Bundestag erkaufen wollen. Die Bankenaufsicht wird nicht besser als vorher sein, in manchen Punkten sogar schlechter. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle meinem ehemaligen Ausschussvorsitzenden Herrn Oswald persönlich danken, der nicht nur als Ausschussvorsitzender eine hervorragende Arbeit geleistet hat, sondern – wir alle schätzen ihn als Vizepräsidenten des Bundestages – der sich immer um eine gute Auseinandersetzung und eine gute Stimmung im Haus bemüht hat, trotz aller Probleme, die wir durchaus miteinander haben. Danke.

 

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)