Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, sollen hier auch alle sozialen und politischen Rechte in Anspruch nehmen können. Dass fast 7 Millionen von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit ohne grundlegende Rechte hier leben, ist in menschenrechtlicher und demokratischer Hinsicht unerträglich. Mit einer erleichterten Einbürgerung muss der Weg für eine erfolgreiche Integrationspolitik eröffnet werden. Sevim Dagdelen in der Debatte zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. Einbürgerungen erleichtern - Ausgrenzungen ausschließen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In unserem Land leben heute über 15 Millionen Menschen, die einen Migrationshintergrund haben. Und ein Großteil von ihnen kann grundlegende Rechte nicht beanspruchen, weil sie keine Staatsbürger sind.Mit unserem Antrag wollen wir dieses Demokratiedefizit beseitigen. Wir wollen deutlich machen, dass der Schlüssel zur politischen Integration und Chancengleichheit in der rechtlichen Gleichstellung liegt. Diese Gleichberechtigung wiederum schaffen wir mit einem radikal vereinfachten und erleichterten Einbürgerungsverfahren. So gesehen ist die Einbürgerung nicht der krönende Abschluss des Integrationsprozesses, sondern gehört zu dessen Grundvoraussetzungen.
Wir wissen, dass nicht alle diesen Leitgedanken folgen, sondern eher einer Abwehrhaltung. Stellvertretend dafür möchte ich Herrn Stoiber hinsichtlich der Konzepte von Einbürgerungstests zitieren: „Bayern will hier Druck machen, weil wir uns genau anschauen und überprüfen sollten, wer dauerhaft zu uns kommt und Deutscher wird.“ Mit anderen Worten soll wieder unterschieden werden zwischen denen, die uns nützen und denen, die uns ausnützen. Ein Arbeiter, der nach 30 Jahren am Fließband arbeitslos wurde, wird samt seiner Familie nicht eingebürgert. Aber wir diskutieren heute wieder über Neuregelungen für die Zuwanderung von Hochqualifizierten, weil der Arbeitgeberverband den Bedarf anmeldet. Aus Afrika stammende Topstürmer sollen für die deutsche Nationalmannschaft die Tore schießen. Aber afrikanische Straßenfußballer bekommen nicht einmal das Visum für ein Fußball-Turnier. Dieses Nützlichkeitsprinzip ist unmoralisch, verwerflich und inakzeptabel.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Union, sind Sie nicht auch der Ansicht, dass wir im Jahre 2006, also im fünften Jahrzehnt der Migration in die Bundesrepublik anders argumentieren sollten? Auch aus Ihren Reihen wird diese Frage nämlich bejaht. Der Integrationsminister in NRW, Herr Laschet, sagt z.B, dass wir mehr Einbürgerung brauchen, dass jede Einbürgerung ein Erfolg ist.
Auch der Bundestagspräsident, Herr Lammert, sagte noch vorgestern, dass wir zu wenige Einbürgerungen haben und er hat dazu aufgerufen, verstärkt für Einbürgerungen zu werben. Doch Sie können so viel werben, wie Sie wollen. Mit der derzeitigen Einbürgerungsverhinderungspolitik werden Sie Einbürgerungen nicht fördern. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Einbürgerungsquote in Schweden oder den Niederlanden fast fünfmal höher ist als in Bayern oder Baden-Württemberg.
Seit der Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes zum 1. Januar 2000 haben wir einen deutlichen Rückgang bei Einbürgerungen. Wenn wir die Voraussetzungen dafür weiter verschärfen, wie das auch von der IMK vor wenigen Wochen beschlossen wurde, wird sich nichts daran ändern, im Gegenteil. Die soziale Situation wie z.B. die Arbeitsmarktlage, fehlende Angebote zum Spracherwerb werden in der Debatte ausgeblendet. Als wären verpflichtende Sprachkurse das Allheilmittel, werden fast alle Probleme auf Sprachdefizite verkürzt. Wer angesichts der stigmatisierenden Debatte heute noch den Mut aufbringt, die Einbürgerung zu beantragen, müsste nicht nur den deutschen Pass erhalten, sondern auch das Bundesverdienstkreuz. Und der Integrationsgipfel lässt in dieser Hinsicht auch nichts Positives erwarten.
Mit unserem Antrag wollen wir dagegen steuern und den Menschen in unserem Land signalisieren, dass Migrantinnen und Migranten gleichberechtigter Teil dieser Gesellschaft sind. Unsägliche Schuldzuweisungen von angeblicher Integrationsunwilligkeit oder fehlender Integrationsbereitschaft sind da nur Störsignale. Mit Ihren Generalverdächtigungen haben Sie in letzter Zeit großen Schaden angerichtet.
Wir müssen wieder dafür sorgen, dass das Vertrauen in ein Zusammenleben in Frieden, Freundschaft und Solidarität stärker wird. Informationskampagnen für Einbürgerungen, wie sie in Berlin bereits laufen und von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen angekündigt wurden, sind unseres Erachtens Schritte in die richtige Richtung und deshalb Teil unseres Antrages. Das ist der Weg, den wir gehen müssen, um die von Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen, immer wieder beklagten Defizite bei der Integration wettzumachen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, abschließend ein paar Worte an Sie: in Ihrem Fraktionsbeschluss vom 30. Mai, den ich in mancher Hinsicht kritisiere, fordern Sie im Rahmen des Integrations-Fahrplans die Weiterentwicklung der einbürgerungsrechtlichen Politik.
Ich konnte mit Freude einige Übereinstimmungen in dieser Hinsicht feststellen. Sollten Sie unseren Antrag nicht unterstützen, könnte ich das jedenfalls nicht auf inhaltliche Bedenken zurückführen.
Ich danke!