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Echte Kindergrundsicherung statt Verwaltungsreform!

von Heidi Reichinnek,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bald ist Weihnachten. Das ist genau die Zeit im Jahr, in der arme Kinder und Jugendliche merken, dass sie halt nicht so richtig dazugehören. Denn die Werbung und die Schaufenster sind voll von schönen Dingen, die bei ihnen sicher nicht unter dem Weihnachtsbaum liegen, weil sich die Eltern weder den Baum noch die Geschenke leisten können. Und an einen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt ist gleich gar nicht zu denken. Ja, auch das ist Kinderarmut in Deutschland: von draußen nach drinnen schauen. Deswegen möchte man meinen, es sei richtig klasse, dass die Bundesregierung jetzt diesen Gesetzentwurf auf den Weg bringt. Und Sie kündigen ja auch mit Pauken und Trompeten an: Das ist jetzt das Ende der Kinderarmut, das ist ein Systemwechsel.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist es ja auch!)

Aber stimmt das eigentlich?

(Zurufe von der LINKEN: Nein!)

Ich zeige Ihnen, dass das nicht so ist, und zwar kurz und knapp.

Erstens. Leistungserhöhung: wäre nötig. Denn wenn Kinder aus Armut geholt werden sollen, dann brauchen sie bzw. ihre Familien schlicht und ergreifend mehr Geld. Aber das gibt es nicht. Es gibt nur einen Inflationsausgleich.

Zweitens. Entbürokratisierung: wäre sinnvoll: Sie sagen: ein Amt für alle. Das stimmt aber nicht. Die Ärmsten müssen weiter mindestens zur Familienkasse und zum Jobcenter gehen. Das macht alles viel komplizierter. Es droht also, dass Leistungen, die den Familien zustehen, wieder nicht abgerufen werden.

Drittens. Keine Schlechterstellung: Das wäre ja wirklich das absolute Minimum.

(Beifall bei der LINKEN)

Und selbst das kriegen Sie nicht hin. Wie ist das zum Beispiel bei Alleinerziehenden? Deren schulpflichtige Kinder – die Frau Ministerin hat es ja gerade gesagt – bekommen den Unterhaltsvorschuss nur dann bei der Kindergrundsicherung nicht wieder vollständig abgezogen, wenn die bzw. der Alleinerziehende mindestens 600 Euro verdient. Die Kinder von Alleinerziehenden werden also bestraft, wenn das Elternteil, das sich nicht um sie kümmert, keinen Unterhalt zahlt und das andere Elternteil nicht so viel arbeiten kann, weil es vielleicht noch ein anderes Kind betreut oder weil kein Kitaplatz verfügbar ist. Dann bekommen die Kinder also weniger Geld.

Wer hat sich denn diesen Schwachsinn ausgedacht?

(Beifall bei der LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Die Ampel!)

Ich kann es mir denken: der Finanzminister. Der nennt das dann nämlich Erwerbsanreiz. Als ob Alleinerziehende das nötig hätten; sie sind nämlich sowieso überproportional häufig erwerbstätig. Immer wieder die Behauptung zu wiederholen, die Erwerbstätigenquote von Alleinerziehenden würde sinken, ist unverschämt. Das stimmt einfach nicht. Dass er sich bis heute nicht dafür entschuldigt hat, finde ich eine Frechheit.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn Alleinerziehenden Faulheit zu unterstellen, ist so ziemlich das Schäbigste, was man sich einfallen lassen kann.

Eine echte Kindergrundsicherung muss das Existenzminimum von allen Kindern sichern – daher kommt auch der Name. Eigentlich ganz einfach. Sie muss zum Beispiel Lebensmittel, Schulbedarf, Wohnkosten und Freizeitleben abdecken. Das fordern wir seit Jahren in unserem Konzept. Das kostet dann aber eben nicht die mickrigen 2,4 Milliarden Euro, die Sie zur Verfügung stellen. Das kostet mindestens 25 Milliarden Euro. Das sagen nicht nur wir, das sagen auch Sozialverbände und Gewerkschaften, also alle, die Ahnung haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei unserem Konzept ist übrigens auch gleich noch ein Investitionspaket für Infrastruktur für Kinder- und Jugendarbeit dabei; denn das ermöglicht wirklich Teilhabe. Also schauen Sie gerne mal rein; davon können Sie einiges abschreiben.

Aber wenn Sie lesen könnten, dann wüssten Sie, dass Kinderarmut den Staat jedes Jahr 100 Milliarden Euro kostet. Und wenn Sie rechnen könnten, dann wüssten Sie, dass 100 Milliarden minus 25 Milliarden 75 Milliarden Euro sind. Die könnte man einsparen. Wenn also schon die Kinder nicht Grund genug sind, endlich mal Geld in die Hand zu nehmen, dann vielleicht diese Einsparungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und erzählen Sie mir nicht, dass jetzt kein Geld da sei. 100 Milliarden Euro Sondervermögen haben Sie über Nacht für die Aufrüstung rausgehauen.

(Zuruf des Abg. Martin Gassner-Herz [FDP])

100 Milliarden Euro lassen Sie sich durch Steuerflucht durch die Lappen gehen. 60 Milliarden Euro geben Sie jedes Jahr für klimaschädliche Subventionen aus – da höre ich übrigens selten was von Generationengerechtigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich zum Schluss: Wenn Sie so weitermachen, werden Sie als weitere Regierung in die Geschichte eingehen, die beim Kampf gegen Kinderarmut kläglich versagt hat.

(Beifall bei der LINKEN)