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Diese Rechtspolitik zerstört Bürger- und Mieterrechte

Rede von Steffen Bockhahn,

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Herr Dr. Krings, ich bin verwirrt: Sie hatten gesagt, Sie wollten sachlich sein, und dann haben Sie diese Rede gehalten. Das war ein bisschen schwierig. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen.
Erster Punkt. Sie loben den Warnschussarrest, obwohl alle Fachleute dagegen sind. Es gab keinen Warnschussarrest, und trotzdem ging die Zahl der Straftaten von Jugendlichen zurück. Wo ist denn da die Sachlichkeit bei Ihnen?
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Burkhard Lischka (SPD))

Zweiter Punkt. Sie loben schon wieder Ihre Mietrechtsänderung zum Nachteil der Mieterinnen und Mieter. Sie bauen das Thema Mietnomaden über die viel auf Kabel eins und Vox berichtet wird, aber das ist nicht seriös, zu einem Popanz auf. Seriös ist, zuzugeben, dass wir keine sehr konkreten Zahlen haben, aber Schätzungen gehen davon aus, dass lediglich 0,02 Prozent aller Mietverhältnisse von diesem Phänomen betroffen sind. Wenn das für Sie der zentrale Punkt der Justizpolitik in Deutschland ist, dann setzen Sie die falschen Schwerpunkte, Herr Krings.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte tatsächlich etwas ganz Sachliches und für viele von Ihnen Überraschendes, nämlich etwas Lobendes, sagen:
(Christine Lambrecht (SPD): Dann mal zu!)
- Ja. - Wir haben im letzten Jahr den Antrag gestellt, dass das Bundesministerium der Justiz seine eigene NS-Vergangenheit kritisch und vernünftig aufarbeiten soll. Er ist aus irgendeinem Grunde abgelehnt worden; das könnte vielleicht mit dem Antragsteller zu tun gehabt haben. Aber vernünftigerweise hat sich das Ministerium doch entschieden, dieses Thema anzufassen, und es wird dieses Thema weiter bearbeiten. Deswegen freue ich mich, dass wir hoffentlich bald eine Untersuchung über die NS-Verstrickung von Personal des Bundesjustizministeriums, insbesondere von Personal der 50er- und 60er-Jahre, haben werden. Das ist überfällig und dringend erforderlich.
Da auch Minister Friedrich schon anwesend ist: Ich wünsche mir, dass auch das Innenministerium dieses Thema endlich anfasst.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zur grandiosen Bilanz und zum einheitlichen Handeln der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen! Es sind grandiose Gesetzesinitiativen, die tatsächlich notwendig gewesen wären. Man könnte die Vorschläge der Ministerin durchaus begrüßen, nämlich beispielsweise die sprachliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Ehen in Gesetzestexten. Betroffen davon sind rund 40 Einzelregelungen, vom Mietrecht bis zur Insolvenzordnung, in denen nach dem Wort „Ehegatte“ der Zusatz „oder Lebenspartner“ eingefügt werden soll. Hier haben wir wieder das Problem, dass natürlich der besondere Schutz der Ehe für Sie wichtiger ist als die Anerkennung der realen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland. Da sind Sie als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet.
(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer Punkt. Sie haben das kann ich durchaus nachvollziehen sich dafür stark gemacht, dass der Ankauf von Steuer-CDs verboten wird. Das kann man durchaus richtig finden; denn es ist natürlich schwierig, wenn der Staat mit Kriminellen oder Halbkriminellen Geschäfte macht. Ich darf Ihnen aber etwas anderes vorschlagen: Lassen Sie uns doch zu einem Steuerrecht kommen, bei dem Besserverdienende und Konzerne nicht so viele Steuerschlupflöcher haben, wie es heute der Fall ist. Dann gäbe es nämlich eine klare Steuererklärung und klare Sachverhalte. Das wäre ein Schritt.
(Beifall bei der LINKEN)

Ein zweiter Schritt wäre: Lassen Sie uns die Zahlen der Steuerfahnder und der Betriebsprüfer bei den Finanzämtern erhöhen. Die finanzieren sich im Übrigen selbst. Dann kämen wir zu einer Anwendung der Gesetze, die es nicht mehr notwendig machen würde, Steuer-CDs anzukaufen. Ich wünsche mir vor allem, dass der Ehrgeiz, mit dem teilweise Bagatelldelikte verfolgt werden, auch bei einem ernsthaften Straftatbestand, der Steuerhinterziehung, insbesondere bei Großverdienern und bei Großvermögenden, spürbar würde und diese hart bestraft werden. Davon sind wir meilenweit entfernt. Das ist falsch.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Kommen wir zur Vorratsdatenspeicherung. Ich habe jetzt viel davon gehört, wie wichtig Ihnen die Bürgerrechte, insbesondere die Freiheitsrechte, sind. Bei der Vorratsdatenspeicherung sieht es aber anders aus. Worüber Sie sich streiten, ist, wie stark Sie die Freiheitsrechte beschneiden wollen; das ist der einzige Streit, den Sie führen. Beschneiden wollen Sie sie allemal. Sie wollen für 99,9 Prozent aller Kommunikationsverbindungen erst einmal speichern, ohne dass es dafür einen Grund gibt. Tatsächlich müssen wir eine EU-Vorgabe erfüllen. Das tun Sie aber auch nicht, weil Sie sich permanent darüber streiten, wie stark Sie in die Freiheitsrechte eingreifen wollen. Darüber können Sie sich nicht einigen. Deswegen legen Sie keine vernünftige Lösung vor. Fakt ist aber, dass Sie die EU-Richtlinie bisher nicht wirklich umsetzen. Ich kann Ihnen empfehlen: Gucken Sie sich an, was Irland macht. Irland zog gegen diese Richtlinie vor den Europäischen Gerichtshof. Das sollten Sie auch machen.
(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre tatsächlich ein konsequenter Einsatz für die Verteidigung der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland. Aus meiner Sicht wäre es dann auch seriös, wenn Sie Mittel für Strafzahlungen an die Europäische Union schon einmal in den Haushalt einstellten. Es wäre konsequenter Bürgerrechtsschutz, wenn Sie sagten: Wir setzen diese Richtlinie der Europäischen Union nicht um, weil sie in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland eingreift. - Das wäre vernünftig.
(Beifall bei der LINKEN)

Schließlich darf ich Ihnen sagen, dass es noch ganz großen Nachholbedarf beim Entschädigungsfonds für die Opfer terroristischer oder extremistischer Straftaten gibt. Ja, hier muss einiges getan werden. Hierzu ließe sich noch ganz viel sagen. Fakt ist aber: Es ist auch ein politisch sensibles Signal, wenn Sie jetzt schon wieder in diesem Fonds kürzen wollen. Ich denke, dass diese Kürzung nicht vorgenommen werden sollte. Lassen Sie den Etatposten bei 1 Million Euro. Ich fürchte, dass wir noch jede Menge berechtigte Anträge dazu bekommen werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)