Andrej Hunko (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatsminister Link, Entschuldigung, Herr Staatsminister Roth ..
(Michael Roth, Staatsminister: Ich darf ihn herzlich grüßen! ‑ Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war aber ein Kompliment und keine Beleidigung!)
Einen Moment bitte, das Pult fährt immer weiter hoch.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Solange Sie noch zu sehen sind, Herr Kollege, hören wir Sie auch.
(Heiterkeit)
Andrej Hunko (DIE LINKE):
Herr Staatsminister Roth, Sie haben eben an den Ersten Weltkrieg erinnert und haben gesagt: Er ist ausgebrochen. - Ich denke, er ist Ergebnis einer spezifischen Politik insbesondere von deutscher Seite gewesen. Aber ich darf Ihnen sagen: Die Linke ist die Partei, die in der Tradition derjenigen steht, die sich schon damals gegen den Ersten Weltkrieg gestellt haben - in Deutschland, in Frankreich, in Russland und in vielen anderen europäischen Ländern.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sind ebenfalls entschieden in der Tradition derjenigen, die sagen, dass so etwas nicht wieder passieren darf und dass wir eine entsprechende europäische Zusammenarbeit, eine entsprechende europäische Integration als Teil einer internationalen Zusammenarbeit brauchen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn in Deutschland über Europa diskutiert wird ‑ wir diskutieren heute ja über das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission ‑, wird es manchmal etwas absurd. Mir schrieb vor einigen Tagen ein Luxemburger Genosse von déi Lénk, der Linken in Luxemburg: Ich verstehe eure Debatte in Deutschland nicht. Wir in Luxemburg haben mehr oder weniger das gleiche Wahlprogramm, aber niemand käme hier auf die Idee, uns als antieuropäisch zu diffamieren.
Wenn wir zum Beispiel in Hamburg darüber diskutieren, was in Hamburg falsch läuft, wenn wir die Verhältnisse dort kritisieren ‑ das machen wir in diesen Tagen zu Recht ‑, dann kommt doch niemand auf die Idee, zu fragen, ob das antihamburgisch ist. Aber wenn wir auf europäischer Ebene Dinge kritisieren, dann kommt der Vorwurf ‑ er wird wahrscheinlich gleich von Herrn Sarrazin kommen ‑, wir seien antieuropäisch.
(Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Zu Recht!)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Genau dies wollen wir jetzt klären: ob das die mögliche Frage des Kollegen Sarrazin ist. ‑ Bitte schön.
(Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Der Vorwurf besteht zu Recht! Ich kann das vorlesen!)
Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank. ‑ Kollege Hunko, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen ‑ auch als in Dortmund geborener Hamburger ‑, dass man sich in Hamburg immer nur gegenseitig vorwirft, nicht hanseatisch, aber niemals, nicht hamburgisch zu sein?
(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Da hat er recht!)
Andrej Hunko (DIE LINKE):
Ich bin gerne bereit, das zur Kenntnis zu nehmen. Die spezifischen Befindlichkeiten in Hamburg kenne ich nicht näher.
Ich will nun auf das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission zu sprechen kommen. Einiges ist schon gesagt worden; aber ein Punkt ist noch nicht angesprochen worden. Die Europäische Kommission schreibt in ihrem Arbeitsprogramm, dass eines ihrer wichtigen Ziele die Verhandlungen für das sogenannte Freihandelsabkommen TTIP oder TAFTA sind. Das ist einer der Gründe, warum viele Menschen so kritisch auf die Europäische Kommission und auf europäische Strukturen schauen.
Was ist das sogenannte Freihandelsabkommen, das eigentlich ein Konzernschutzabkommen ist? Dieses Abkommen wird hinter verschlossenen Türen zwischen der Europäischen Kommission und Vertretern der USA und anderer NAFTA-Staaten verhandelt. Worum geht es dabei? Es soll US-Konzernen in Europa und europäischen Konzernen in den USA ermöglichen, an Standards dieser Staaten vorbei Investitionen zu tätigen. Als Beispiele nenne ich die sogenannten Chlorhühnchen, das Hormonfleisch oder das Fracking. Es soll ein neuer Gerichtshof geschaffen werden, vor dem man Staaten, die bestimmte Investitionen verbieten ‑ zum Beispiel, wenn in Deutschland Fracking verboten wird ‑, auf entgangene Profite verklagen kann.
Wir lehnen dieses Freihandelsabkommen ab, und wir lehnen es auch ab, dass solche Abkommen durch die EU-Kommission in völlig intransparenter Weise hinter verschlossenen Türen verhandelt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Lassen Sie mich zum Abschluss ein paar Worte zu der Tragödie an den europäischen Außengrenzen sagen: Wir haben vor einigen Wochen und Monaten erlebt, was vor Lampedusa passiert ist. In den letzten 20 Jahren mussten wir weit mehr als 10 000 tote Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen konstatieren. Das ist eine unglaubliche Tragödie, und ich finde es unerträglich, dass jedes Flüchtlingsschicksal benutzt wird, um das europäische Grenzregime noch weiter zu perfektionieren, zum Beispiel durch die Einführung von EUROSUR, anstatt endlich auch auf europäischer Ebene zu einer solidarischen Flüchtlingspolitik zu kommen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist eine unerträgliche Politik und eine Schande für die Europäische Union, die sich immer als Wertegemeinschaft darstellt.
Es ist angesprochen worden: Am 25. Mai 2014 findet die Europawahl statt. Ich freue mich, dass wir als Linke gemeinsam mit unseren Genossen von SYRIZA in Griechenland, von der Izquierda Unida in Spanien, vom Bloco de Esquerda in Portugal und von der Red-Green Alliance in Dänemark eine Kampagne für ein anderes, ein soziales, ein solidarisches Europa machen und dass wir mit Alexis Tsipras einen gemeinsamen Spitzenkandidaten haben. Darauf bin ich stolz. Ich freue mich auf die Auseinandersetzungen und die Kampagne.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)